Den Bruchsalern ist die Adresse nur allzu bekannt: Zu Möbel Fuchs ging man lange Jahre, um sein Wohn- oder Schlafzimmer einzurichten. Ein Schriftzug auf der Rückseite des Gebäudes erinnert noch heute an das Einrichtungsgeschäft: „Möbel für alle.“
2016 war Schluss in der Kaiserstraße 27. Das Unternehmen spezialisierte sich auf Küchen und zog in die Eisenbahnstraße 15. 2019 wurde das Gebäude verkauft an die Immobiliengesellschaft Matthias G. Weigel aus Schrießheim. Sie will dort mit der TN Projekt Laudenbach GmbH Wohnungen reinbauen.
Derzeit blättert der Putz ab
„Das Raumgefühl ist einfach toll“, schwärmt Architekt Fermin Alonso Gomez von loftartigen Wohnungen in dem vierstöckigen Bau. Baubeginn soll nach Angaben des Architekturbüros AGS aus Achern, das sich auf den Umbau historischer Bauten spezialisiert hat, im Frühjahr sein. Im Moment kaum vorstellbar: Die orange Farbe blättert ab, mit der viele Fenster von innen blickdicht gestrichen sind.
Hasendraht in den oberen Fensteröffnungen soll verhindern, dass sich keine Vögel ins Innere verirren. Unruhig flattert trotzdem eine Taube durch das entkernte Obergeschoss eines der markantesten Industriedenkmals Bruchsal. Nur noch vereinzelt liegen Haufen mit Bauschutt in den drei Meter hohen Räumen, in denen zuletzt Sofagarnituren oder Betten präsentiert wurden.
In den nächsten zwei Jahren sollen in der Kaiserstraße insgesamt 16 offene Zwei- bis Dreizimmerwohnungen auf bis zu 100 Quadratmetern entstehen. Eine Penthouse-Wohnung mit Blick auf das Schloss kommt auf das heutige Flachdach. Lange Jahre prägten die zwei markanten Schornsteine der Mälzerei Moritz Marx die Stadtsilhouette.
Moritz Marx hatte das Fabrikgebäude 1890 in der Kaiserstraße gebaut. Zu der Zeit spielte der Hopfenhandel nördlich von Bruchsal eine wichtige Rolle. Die jüdischen Händler in Bruchsal lieferten bis nach England, Frankreich, Böhmen oder Belgien, wie Jürgen Stude in seiner „Geschichte der Juden in Bruchsal“ feststellte. Hopfenhandlungen stellten auf die Produktion von Malz um.
Schwunghafter Handel mit Malz
Die Mälzerei bestand bereits seit 1820, 1910 wurde sie durch Moritz Marx Söhne in eine AG umgewandelt. Eine Aktie über „Einhundert Reichsmark“ wurde 1929 ausgegeben und zeugt vom schwunghaften Handel mit Pilsner, Wiener und Münchner Brau- und Karamellmalze oder Malzmehl. Dort, wo früher die beiden Mälzereitürme standen, wurden später Decken eingezogen. Nur im Dachgeschoss erinnern zwei Kuppeln an die Darren zum Trocknen des Malzes. Sie sollen nach Angaben von Architekt Alonso Gomez erhalten und in die Wohnungen integriert werden.
Noch bis zum 7. März 1936 läuft die Firma auf den Namen Moritz Marx Söhne AG. Dann wird sie in Malzfabrik Rheinpfalz AG umbenannt und der Sitz nach Pfungstadt verlegt. Ob ein zwangsweiser Verkauf, eine sogenannte Arisierung dahinter steckt, oder die Firma an einen anderen Besitzer verkauft wurde, ist nicht ganz klar.
In unmittelbarer Nachbarschaft wurde so der Besitzer der Mälzerei Schrag enteignet. Rolf Schmitt hat viel zur Geschichte der Juden in Bruchsal geforscht. Er vermutet, dass Julius Marx, der zuletzt im Adressbuch als Fabrikdirektor der Malz- und Wellpappenfabrik genannt wird, der Enkel von Moritz Marx und Sohn von Emil Marx ist. Er soll 1936 in Karlsruhe gestorben sein.
Als Bruchsal ein „Tabakkreis“ war
Bis in die 1970er Jahre befand sich dann eine Tabakfabrik in dem Bau. Zunächst als „Paul Zimmer Nachfolger“, die zumindest von der Not jüdischer Tabakhändler profitierten: Die Firma mit Niederlassung in Bremen und Bruchsal kaufte 1938 für über 77.000 Reichsmark den restlichen Tabak der Mannheimer Brüder Bodenheim auf, die in die USA emigrierten.
Später existierte die Tabakfirma unter dem Namen Vieregge. Bei der Umnutzung gingen auch die im vorderen Teil über alle Stockwerke reichenden Darren verloren. Dort wurde der in Nordbaden angebaute Tabak weiter verarbeitet – vor allem von Frauen. Lange Zeit spielte der Tabakanbau eine wichtige Rolle in der Region. Nach Einschätzung des Historikers Thomas Adam galt Bruchsal bis 1950 als „Tabakkreis“ in Deutschland, in dem 80 Prozent aller Betriebe in dem Sektor arbeiteten. Fünf Prozent des bundesweit angebauten Tabaks wurden damals in der Region angebaut.
1974 zog schließlich Möbel Fuchs mit Verkaufsräumen und Lager in den historischen Bau. „Das war die Institution am Ort. Auf fünf Etagen gab es das komplette Sortiment“, erinnert sich Geschäftsführerin Walli Kuon. Im April 2016 war Schluss. Seitdem steht das Gebäude leer – noch.