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Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Bruchsaler Juden im Zweiten Weltkrieg: Hoffnung auf ein Überleben in Frankreich

Verschleppt und ermordet von Nationalsozialisten – dieses grausame Schicksal erlitten auch viele Bruchsaler Juden. Viele wurden zunächst nach Gurs deportiert, dort, in Frankreich, gab es noch für einige wenige Hoffnung.

Filmausschnitt: Deportation der Bruchsaler Juden nach Gurs
Am Bahnhof Bruchsal: Jüdische Bewohner des Landkreises Bruchsal müssen ihre Heimat verlassen und werden ins französische Internierungslager nach Gurs gebracht. Überwacht wird die Aktion von der Gestapo, im Hintergrund sieht man Zuschauer. Foto: Stadtarchiv Bruchsal

104 Juden aus Bruchsal, sechs aus Untergrombach, zwei aus Obergrombach und sieben aus Helmsheim – sie alle führt Jürgen Stude in seinem Buch die „Geschichte der Juden in Bruchsal“ als Holocaustopfer an. Auch ihnen wird am Mittwoch gedacht, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts. 

Viele von ihnen deportierten die Nationalsozialisten im Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs in Frankreich. Zwei Jahre später kamen sie nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. 

Einige deportierten die Nazis aus anderen deutschen Städten; manchen gelang zunächst die Auswanderung, bevor sie doch in ein Konzentrationslager kamen. In einem Fall wurde ein Untergrombacher wohl Opfer einer Euthanasieaktion.

In Yad Vashem sind Bruchsal und Untergrombach in Stein gemeißelt

In der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel sind auch Bruchsal und Untergrombach im Tal der Gemeinden zu finden. In den massiven Felsen des Denkmals wurden die Namen aller jüdischen Gemeinden graviert, die im Holocaust zerstört wurden oder nur knapp überlebten. Von der großen jüdischen Gemeinde in Bruchsal und der prachtvollen Synagoge war nichts übriggeblieben.

1933 hatten noch rund 590 Juden in Bruchsal gelebt, mehr als 400 wanderten aus. Vor allem Jüngere entschieden sich für diesen Schritt. „Die Ereignisse um die Reichskristallnacht im November 1938 lösten eine Massenflucht aus“, so Stude. 

Tal der Gemeinden in Yad Vashem
In Fels gemeiselt: In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird im Tal der Gemeinden Bruchsal und Untergrombach gedacht. Foto: Alemannia Judaica

Das zeigt sich in Bruchsal an der Altersstruktur der Verbliebenen: die meisten waren über 50 Jahre alt und noch deutlich älter. Viele Frauen waren unter ihnen, sie hatten es wohl nicht mehr geschafft, ihren Männern zu folgen, die zunächst alleine versuchten, im Ausland Fuß zu fassen.

Von Gurs nach Auschwitz in den Tod

1940 lebten Studes Angaben zufolge noch 90 Juden in der Kernstadt, fünf in Untergrombach und zwei in Heidelsheim. 75 von ihnen holte die Gestapo am 22. Oktober in einer Überrumpelungsaktion ab. Über den Karlsruher Hauptbahnhof, den „die Nazis zum Sammelbahnhof für die Region zwischen Bühl, Pforzheim und Bruchsal bestimmt hatten“, fuhren die Züge nach Gurs. 

„Dauer der Fahrt 4 Tage und 3 Nächte“, heißt es ihm Tagebuch des Heidelbergers Hans Bernd Oppenheimer. Verschleppt wurden alle Untergrombacher: Betty Bär, Friedrich, Julius und Sofie Elsa Falk sowie Friederike Oppenheimer. Keiner von ihnen überlebte den Holocaust. Ab August 1942 begannen die Überführungen von Frankreich nach Auschwitz. Dort fanden sie den Tod, ebenso 39 Juden aus der Kernstadt.

Von der Deportation nach Gurs gibt es eine rund einminütige Filmsequenz, die Teil eines längeren Zusammenschnitts mit Szenen aus Bruchsal in der NS-Zeit ist. Juden aus dem ganzen Landkreis Bruchsal wurden an diesem Tag deportiert, sie kamen aus Gondelsheim, Langenbrücken, Mingolsheim, Odenheim, Östringen und Philippsburg. 

Das Vorgehen in Bruchsal war Teil einer in ganz Baden abgestimmten Aktion. Die Deportierten aus dem Bruchsaler Raum gehörten zu den mehr als 5.000 badischen Juden, die im Oktober 1940 „abgeschoben“ wurden.

Erster Winter in Gurs forderte viele Opfer

Gerade für die Alten und Gebrechlichen war der erste Winter in Gurs kaum auszuhalten, das Lager war überfüllt, es herrschten katastrophale Zustände, Krankheiten grassierten. Von den Bruchsaler Juden starben in den ersten Wochen Sofie Ellenbogen, Aron Kahn und Alfred Bär. Ihre Gräber und die anderer Juden aus Bruchsal und Baden sind in Gurs noch zu finden. 

Aber in Frankreich verbesserte sich die medizinische Situation, es gelang sogar, Briefe zu schreiben und es gab noch die Hoffnung auf ein Überleben: Einigen gelang es, Gurs zu verlassen, weil sie schon Auswanderungspapiere hatten oder die nötigen finanziellen Mittel, um sich solche zu beschaffen. So konnten David und Sofie Kaufmann Frankreich mit dem Schiff in Richtung USA verlassen. 

Zu den Bruchsaler Holocaust-Überlebenden zählen auch Melanie Wolf, Siegfried Ritter und Leopold Bär. Weil sie von Gurs aus in Altenheime gebracht wurden, entgingen sie der Deportation nach Auschwitz, schreibt Stude.

Fluchthilfenetzwerke retteten Bruchsaler Kinder

Sechs Bruchsaler Kinder zwischen sieben und 14 Jahren waren unter den Deportierten. Martha Barth wurde mit ihren Eltern in Auschwitz ermordet. Leopold Wolf überlebte genauso wie Richard Wolf. Von Liselotte Wolf weiß man, dass sie 1942 in die Schweiz emigrierte, der Jüngste, Leopold Rosenberg, kam nach Großbritannien. 

Im Fall von Edith Johanna Löb ist bekannt, dass eine Auswanderung nicht rechtzeitig gelungen war. Der Vater konnte seine Familie nicht mehr in die USA nachholen. Dank einem Fluchthelferring entkam sie dennoch dem Holocaust, „von Station zu Station“ wurde das Mädchen gebracht. 

Es lebte unter anderem als Edith Labbé in einem Pfadfinderlager. Nach dem Krieg holte ihr Vater sie zu sich. Erst dann erfuhr sie vom Mord an ihrer Mutter und ihrem Bruder.

Vier Holocaust-Überlebende kehrten nach Bruchsal zurück

In Bruchsal blieben nach der „Oktober-Deportation“ nur wenige Menschen zurück, weil sie „Mischlinge, Angehörige von Mischehen und ausländische Juden“ waren, wie es im „Merkblatt für die Abschiebung“ definiert war, oder wegen Alter und Krankheit transportunfähig waren. Sie entgingen damit zwar den Internierungs- und Vernichtungslagern, führten aber dennoch nicht das Leben von „Privilegierten“, wie man sie bezeichnete. Einige von ihnen deportierten die Nazis später nach Izbica und Theresienstadt.

Als die französische Armee in Bruchsal einmarschierte, lebten noch fünf jüdische Frauen in der Stadt. „Sie werden – anders als viele andere Bruchsaler Bürger – die einrückenden Franzosen als ihre Befreier begrüßt haben“, vermutet Stude. Nach Bruchsal zurück kehrten nach Kriegsende Sofie Maier, Sophie Wolf und ein Ehepaar mit Namen Falk.

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