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„Triff einen Juden“

„Meet a Jew“ in Bruchsal: Es geht um große Fragen und den normalen Alltag

Das Judentum? Das kennen auch viele Bruchsaler Schüler nur aus dem Geschichtsbuch. Zeit, dass sich das ändert, dachte man am Heisenberg-Gymnasium.

Die Sechstklässler am Heisenberg-Gymnasium backen jüdische „Hamantasch“.  Hier im Bild Elisabeth, Anna-Maria, Isabell, Dennis (von links nach rechts)
Jüdische Spezialitäten: Die Sechstklässler am Bruchsaler Heisenberg-Gymnasium backen „Hamantasch“. dreieckige Gebäckstücke, die mit Mohn und Pflaumenmus gefüllt werden. Foto: David Heger

Aktionstag am Heisenberg-Gymnasium: „Die Hand auf die Schulter des Nachbarn, vier Schritte nach rechts, Hacke, Spitze, rechts, links.“ Zu den schnellen Anweisungen ihres Musiklehrers setzt sich die 8d im Bruchsaler Heisenberg-Gymnasium kreisrund tanzend in Bewegung.

Im Nebenzimmer kneten derweil in einem provisorisch zur Backstube umfunktionierten Klassenzimmer 20 Sechstklässler Hefeteig und formen daraus dreieckige Gebäckstücke, die mit Mohn und Pflaumenmus gefüllt werden. „Hamantasch“, liest Schülerin Elisabeth den Namen des Gebäcks vom Rezept ab – eine süße Spezialität der jüdischen Küche.

Sie wird hier hier ebenso zubereitet wie die „Challah“, ein Zopfbrot, das bereits in der Bibel Erwähnung findet. Es wird nach den jüdischen Speisegesetzen, also etwa ohne Milch, hergestellt. Ein ähnliches Bild auch in den übrigen Klassenzimmern: Überall wird gesungen, gebacken oder im Stuhlkreis angeregt gesprochen.

Mit dem heutigen Aktionstag wollen wir jüdisches Leben in Deutschland und hier vor Ort in Bruchsal sichtbar machen.
Lukas Grundmüller, Lehrer am Heisenberg-Gymnasium

„Mit dem heutigen Aktionstag wollen wir jüdisches Leben in Deutschland und hier vor Ort in Bruchsal sichtbar machen“, erklärt Lukas Grundmüller, Lehrer am Gymnasium, die Intention des ungewöhnlichen Schultags. Gemeinsam mit einer Kollegin hat der Politik- und Religionslehrer den Aktionstag ins Leben gerufen.

„Von Jüdinnen und Juden sieht man viel zu oft nur Schwarz-weiß-Bilder“, findet der Pädagoge. Mit der modernen, jüdischen Kultur hätten viele Schüler nur wenige Berührungspunkte. „Mit dem Programm wollen wir Vorurteilen und Antisemitismus entgegenwirken.“

Ein Dialog auf Augenhöhe

„Wichtig sind die Begegnungen mit Gleichaltrigen“, findet Vivian Hellriegel, Kursstufen-Schülerin am Karlsruher Schulstandort des Heisenberg-Gymnasiums und selbst gläubige Jüdin. Heute ist sie im Rahmen der Initiative „Meet a Jew“, (Triff einen Juden) die vom Zentralrat der Juden angeboten wird, in den Klassen unterwegs, um ihren Mitschülern von ihrem jüdischen Alltag zu erzählen.

Es ist ein Dialog auf Augenhöhe – um die ganz großen Fragen, aber auch die kleinen Alltäglichkeiten: „Wurde deine Familie im Holocaust verfolgt?“, möchte eine Schülerin wissen. „Darf man sich als Jüdin tätowieren?“, lautet eine zweite Frage. „Und wie viele Juden tragen eigentlich Kippa?“

Streifzug entlang der Bruchsaler Stolpersteine

In den älteren Klassenstufen dreht sich derweil alles um die Bruchsaler Heimatgeschichte, hier steht ein Streifzug entlang der Stolpersteine durch die Innenstadt auf dem Programm, wo Familiennamen wie „Oppenheimer“ oder „Sicher“ an die Biographien jüdischer Familien erinnern, die um die einstige Synagoge zuhause waren.

Etwa 500 Juden lebten vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Bruchsal. Heute besteht die nächstgelegene jüdische Gemeinde in Karlsruhe. Ein maßstabsgetreues Modell der zerstörten Bruchsaler Synagoge hält im Foyer des Heisenberg-Gymnasiums derweil die Erinnerung wach – und knüpft an die aktuellen Überlegungen an, auf dem Gelände der ehemaligen Feuerwache einen jüdischen Gedenkort einzurichten.

„Bisher kannte ich das Judentum vor allem aus dem Geschichtsunterricht“, resümiert Schüler Simon Behrent gegen Ende des Aktionstags. „Heute ist mit klar geworden, dass jüdisches Leben auch ganz modern sein kann.“

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