Stell dir vor, es ist 9. November, und keine offiziellen Gedenkveranstaltungen erinnern an die Pogromnacht vor 82 Jahren. Damals wurden von den Nazis über 1.400 Synagogen zerstört. Coronabedingt ist nicht nur das öffentliche Leben runter gefahren, es finden auch keine Schweigeminuten, Lesungen oder Konzerte statt.
Auch wurde beispielsweise der Stadtrundgang mit Rüdiger Czolk am 8. November zum Thema Nationalsozialismus in Bruchsal abgesagt. In Philippsburg wandelt am Mittwoch, 11. November, Pfarrer Andreas Riehm-Strammer mit seinen Konfirmanden ersatzweise auf den Spuren der Juden in Philippsburg. Von den 50 jüdischen Bürgern, die 1933 in Philippsburg lebten, gelang 22 die Flucht in die USA, nach Luxemburg, England, Schweden und Italien. Die Synagoge wurde von SA-Leuten aus Philippsburg und Bruchsal geplündert und angezündet.
1948 erwarb die Stadt das Synagogengrundstück
Auf Eis lag wegen Corona in den vergangenen Monaten auch das siebenstufige öffentliche Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren zur Nachnutzung des alten Feuerwehrareals in Bruchsal. Dort stand bis Kriegsende die Synagoge. SA-Männer zündeten sie am 10. November 1938 an.
Die Synagoge brannte zwischen 4.30 und 6 Uhr morgens bis auf die Grundmauern nieder. Die Feuerwehr erhielt die Order, nur das Übergreifen des Brandes auf weitere Häuser zu verhindern. Angeblich soll auch kein Hydrant zur Verfügung gestanden haben. 1948 erwarb die Stadt das Grundstück vom „Jewish Restitution Fund“ und baute 1952 dort ein Feuerwehrhaus.
Dieser in Deutschland wohl beispiellose Vorgang hat dafür gesorgt, dass bei den Ideen für die Nachnutzung des Areals das Gedenken an die einst blühende jüdische Gemeinde und deren Verfolgung Platz bekommen soll. 1933 lebten über 500 jüdische Bürger in Bruchsal. 1940 wurden die letzten 79 nach Gurs deportiert.
Zuletzt wurden vor einem Jahr die 18 Entwürfe des Ideenwettbewerbs im Rathaus präsentiert. Wie bereits berichtet, will der Gemeinderat im Frühjahr in einer Klausurtagung über die Ergebnisse der Architekturentwürfe beraten. Auch der Förderverein für ein „ Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden“ hatte einen Entwurf beigesteuert.
Vorsitzender Günter Majewski will nun einen Alternativvorschlag präsentieren, um die ambitionierte Idee des Fördervereins zu retten. Im Gemeinderat drehen sich die Vorstellungen zur Nachnutzung um den Bau eines Mehrgenerationenhaus bis hin zu Sozialwohnungen. Mit Infoständen und Vorträgen wollte der Förderverein für sein Vorhaben werben, wurde durch Corona aber ausgebremst.
Erweiterungspläne für Handelslehranstalt
Dabei gab es auch schon Gespräche mit dem Landratsamt, das die Erweiterung der kreiseigenen Handelslehranstalt mit einer Sporthalle und zusätzlichen Schulräumen Richtung Stadtgrabenstraße realisieren will. Die Pläne des Fördervereins für eine Kombination aus Gedenk-, Begegnungs- und Forschungsort zur Geschichte der Juden Badens auf dem früheren Synagogengelände seien in Karlsruhe positiv aufgenommen worden, so Majewski.
Wir wollen kein totes Museum mit Ausstellungsvitrinen.Günter Majewski / Vorsitzender des Fördervereins
Auch das alte Feuerwehrhaus, das sich auf städtischem Gelände befindet, hat der Förderverein bereits für das neue Nutzungskonzept unter die Lupe genommen: „Wir wollen kein totes Museum mit Ausstellungsvitrinen“, sagt der Vorsitzende.
Dort könne man sich vorstellen, in der früheren Fahrzeughalle einen Vortragssaal für kleinere Kulturveranstaltungen wie Klezmermusik einzurichten. In den früheren Mannschaftsräumen könnten Räume für das städtische Museum und das Stadtarchiv entstehen. Studienräume könnten Schülern und Studenten der Erforschung der jüdischen Geschichte in Baden und gleichzeitig der Präsentation musealer Ausstellungsstücke dienen. „So was gibt es in ganz Baden nicht“, erklärt Günter Majewski.