Man stelle sich vor, es ist Fußball-Europameisterschaft und keiner fiebert mit. Jedenfalls nicht im EM-Trikot, den Nationalfarben im Gesicht und Fahne schwenkend vor dem Bildschirm.
So jedenfalls könnte es beim ersten EM-Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Dienstagabend aussehen. Die Vorfreude hält sich in Grenzen. Die Sportgeschäfte in der Region haben aber noch andere Sorgen.
„Fanartikel werden überhaupt nicht nachgefragt“, bestätigt etwa Doris Fabian von der Sportagentur in Waghäusel-Kirrlach. Das war noch vor dem Eröffnungsspiel am Freitag in Rom. Seitdem hat sich nicht viel mehr getan. Die Fußball begeisterten Jugendlichen haben während des Corona-Lockdowns schon seit Monaten keinen Kick-Platz mehr gesehen.
Vereine kämpfen ums Überleben, das hat auch Auswirkungen auf das Geschäft
Null Interesse registriert deshalb Fabian beim Nachwuchs, während mancher Verein ums Überleben kämpfe. Das hat auch Auswirkungen auf das Geschäft, dass ohnehin unter Corona-Einschränkungen leidet.
„Viele Leute haben andere Probleme, als eine Fußball-Meisterschaft.Doris Fabian, Sportagentur Waghäusel-Kirrlach
Statt Jogi Löw würden viele Fans auch Hansi Flick als neuen Bundestrainer bevorzugen, weiß die frühere Handball-Trainerin, selbst begeisterte Fußball-Guckerin. Mit den hochbezahlten Kickern könnten sich immer weniger Fans identifizieren.
„Viele Leute kämpfen um ihre Existenz, die haben andere Probleme, als eine Fußball-Meisterschaft.“ Trotzdem hat sie in Kirrlach das Schaufenster neu dekoriert. Mit Fahnen, Luftschlangen und den Deutschland-Farben.
Vielleicht kommt das Interesse ja noch: „Es hängt von den ersten zwei Spieltagen der deutschen Mannschaft ab.“ Davon ist Rainer Schumacher von „Sport & Mode“ in Kronau überzeugt. Denn im Vorfeld habe es kaum Nachfrage nach den offiziellen EM-Trikots gegeben. Bei Preisen zwischen 50 bis 90 Euro könnte es seiner Einschätzung nach aber auch an den Kosten liegen.
Schwarz-Rot-Gold sucht man vergebens
„Wenn die Deutschen das erste Spiel gewonnen haben, ist der Preis egal“, weiß Volker Bader aus Erfahrung. Der langjährige Verkäufer bei Intersport Schlenker in Bruchsal kennt seine Kunden. Früher hatten die Fans schon Wochen vorher Seitenspiegel oder Fähnchen in Deutschlandfarben an den Autos. Sonnenbrillen oder Blumengirlanden in Schwarz-Rot-Gold sieht man dieses Jahr nicht. Bei Intersport gibt es aktuell deshalb nur ein Schaufenster, das überhaupt auf die EM verweist.
Die Euphorie fehle, die meisten Leute wissen nicht, ob und wo sie sich überhaupt zum gemeinsamen Fußball-Gucken treffen sollen, so Bader, der früher selbst aktiv gespielt hat. Sollte der Funke noch überspringen, will Vanessa Hübert von der Schlenker-Geschäftsleitung aber noch mehr dekorieren.
Wenigstens die italienischen Trikots hat Daimi Yildiz vom Bruchsaler Sportgeschäft Home Run Styles schon nachbestellen müssen. Ansonsten halte sich die Nachfrage in Grenzen. Der Fan von Galatasaray Istanbul hat mit seinem Tipp 1:1 für das Eröffnungsspiel Italien gegen die Türkei zwar ziemlich daneben gelegen - die Italiener gewannen haushoch mit 3:0. Yildiz nimmt es sportlich. Aber auch er registriert nur sehr verhaltene Nachfragen nach deutschen, türkischen oder kroatischen Trikots.
Bei Drogerie Müller in Bruchsal gibt es beispielsweise nur einen Stand mit Tischkicker, Quiz und Trinkflaschen. „Man hätte die Sachen schon Weihnachten bestellen müssen. Bis vor zwei Wochen war ja noch unklar, ob Public Viewing überhaupt stattfindet“, so eine Verkäuferin.