Wo früher die Schweine gehalten wurden, lagern mittlerweile in deckenhohen Regalen Hunderte Weinflaschen: Weiß, Rot, Rosé. Hauseigener Secco liegt ebenfalls dazwischen.
Auf dem Weg in den gekühlten Raum geht es zunächst ein paar Stufen nach oben, dann wieder nach unten. Denn kaum ein Zimmer ist beim Weingut Niwenburg auf derselben Höhe.
Das hängt mit der Geschichte des Hofs zusammen, erklärt Dominik Zorn. Gemeinsam mit seiner Frau Nadine führt er den Betrieb im Kraichtailer Ortsteil Neuenbürg. Die Weinreben hat er nicht direkt am Haus, dafür aber die gesamte Familie. „Wenn ich raus fahre, nehme ich auch einfach mal meinen Sohn mit.”
Mit jeder nachrückenden Generation verändert sich nicht nur die Visitenkarte des Hofes. Neue Bedürfnisse und Pläne für den Hof ziehen auch Umbauten am Haus nach sich. Deren Spuren bringen Nadine Zorn zum Schmunzeln. Denn die kleinen und große Stufen als Zeichen der Familienhistorie und Zeit entdeckt sie immer wieder im Alltag.
Arbeit und privates Leben sind hier eng verwoben. Der Großvater übergibt den Hof zunächst an seinen Sohn, Dominik Zorns Vater. „Ohne dass der Hof damals wirtschaftlich überleben konnte”, erinnert sich Zorn. Große zusammenhängende Flächen gibt es kaum.
Noch heute sind die Weinreben auf verschiedenen Flächen verteilt. „Also machte sich mein Vater auf die Suche nach einer Nische. Spezialisierung war das Ziel”, erinnert sich Zorn zurück.
Die Entscheidung fällt schon im Studium
Unter der Leitung seines Vaters setzt die Familie neben der Schweinehaltung auf Gemüse, das in den Konserven großer Fabriken landet. „Anfang der 90er-Jahre wurde es immer schwieriger, damit Geld zu verdienen”, weiß Zorn aus den Erzählungen. Der Kostendruck steigt, die Konkurrenz aus dem Osten Deutschlands verändert auch im Kraichtal das Geschäft nachhaltig.
Weinberge gehören aber schon immer zum Betrieb, sagt Zorn. Doch auch der Verkauf der Trauben läuft irgendwann immer schlechter. „Sollte ich aufgeben oder etwas Neues versuchen? Das war die Frage, als es darum ging, ob ich einsteige”, so der Winzer.
Mit etwas Glück kann die Familie weitere Flächen von einem anderen Landwirt übernehmen. Zorn trifft eine Entscheidung: „Heute ist der Wein unser Steckenpferd.” 25 Hektar Reben bewirtschaftet er inzwischen, weitere 40 mit Ackerbau. Letzteres laufe aber nebenbei.
So sind wir keine anonyme Nummer im Regal.Dominik Zorn / Winzer
Wirtschaftlich überleben könnte er mit dem Ertrag aus seinem Getreide nicht. Die Früchte der zugehörigen Streuobstbäume enden in der Brennerei und anschließend im Regal seines Weinguts. „Das machen wir, um die Wiesen für die Umwelt zu erhalten und nicht draufzahlen zu müssen”, erklärt der Winzer.
„Man sollte dann doch nicht alles auf eine Karte setzen.” Der Blick aufs Wetter bestätigt seine Einstellung: „Mal sind die Bedingungen für den Ackerbau schlecht, dafür haben wir aber eine gute Weinernte. Im nächsten Jahr ist es genau andersherum.”
Mit 23 Jahren übernimmt Dominik Zorn den Hof
Noch während Zorn studiert, wägt er seine Möglichkeiten ab und gibt der Landwirtschaft am Ende eine Chance. „Ich wusste, in der freien Wirtschaft verdiene ich mehr”, sagt er. Zum Zeitpunkt der Hofübernahme ist Zorn 23 Jahre alt. „Von heute auf morgen war ich vom Studenten zum Chef geworden.”
Sein berufliches Ziel ist es, den Hof zu einem Weingut zu wandeln. „In der Direktvermarktung sehe ich die einzige Möglichkeit”, so Zorn. „So sind wir keine anonyme Nummer im Regal.”
Notwendige Pressen und Tanks erhält er bei der Auflösung einer Genossenschaft. „Neu kann man sich das nicht leisten.” Fünf Jahre dauert es, bis Zorn den Hof im Jahr 2015 zum Weingut Niwenburg macht. „Wir sind richtig professionell geworden”, scherzt der heute 33-Jährige.
Experimente mit den Trauben gehen auch mal schief
In über zehn Edelstahl-Behältern wartet der Rotwein in einem weiteren Raum darauf, abgefüllt zu werden. Rund 25.000 Flaschen verschiedener Sorten produziert das Weingut im Jahr.
Bei Experimenten mit neuen Techniken geht aber auch mal etwas schief, sagt Zorn. „Wir standen schon knöcheltief im Wein.” Bei der Erinnerung daran muss auch seine Frau sofort lachen. Vorfälle wie diese nehmen die Beiden mit Humor.
Egal, wie sehr ich versuche, alles richtig zu machen, bleibt die Sorge, einen Fehler zu machen.Nadine Zorn / Weingut Niwenburg
Vier feste Mitarbeiter plus Saisonkräfte helfen auf dem Weingut Niwenburg. Doch Zorns wichtigste Unterstützung ist seine Frau. „Als Alleinstehender kann man keinen landwirtschaftlichen Betrieb führen”, vermutet er. Er fährt aufs Feld, sie übernimmt das Büro, den Verkauf und die Kundenbetreuung.
Doch immer mehr Auflagen machen ihre Arbeit komplizierter, sagt Nadine Zorn: „Egal, wie sehr ich versuche, alles richtig zu machen, bleibt die Sorge, einen Fehler zu machen.” Sie frage sich oft, wie die ältere Generation mit all den Forderungen und den bürokratischen Hürden noch zurechtkomme. Das müsse man erst einmal schaffen. „Ich habe oft das Gefühl, es wird uns von offizieller Seite mit Absicht schwer gemacht”, kritisiert Nadine Zorn.
Um aktiv auch für die Landwirtschaft eintreten zu können, sitzt Dominik Zorn seit vielen Jahren im Kraichtaler Gemeinderat: „Man darf nicht nur schimpfen, sondern sollte sich auch engagieren.”
Landwirte hätten auch Fehler gemacht, so Zorn. Aber die Verbraucher machen es sich seiner Meinung nach oft leicht. Die Corona-Zeit habe gezeigt, dass ein bewusstes Umdenken und Regionalität im Alltag möglich sind.