Nach 100 Tagen im Amt hätte er als Kraichtaler Bürgermeister „unwahrscheinlich viel bewegt“, sagte Michael Fischer bei der Online-Kandidatenvorstellung zur Wahl am 14. März. Bei ihrem Sieg würde Susanne Lindacker nach 100 Tagen die ersten Maßnahmen überprüfen und wo nötig korrigieren.
Ein Gewinner Jonas Lindner hätte die Ortskerne aus dem Dornröschenschlaf geweckt, die Dorfbrunnen saniert, einen Finanzplan für zwölf Jahre erstellt und Vereine wie Unternehmen mit dem Rathaus vernetzt.
Lucien Kacsányi will nach drei Monaten Amtszeit Klarheit, wie es um die Stadt steht und das erste Projekt in den Gemeinderat gebracht haben. Tobias Borho würde in der Zeit als Bürgermeister den Austausch mit den Bürgern über die wichtigsten Projekte abgeschlossen haben.
Zwei Stunden Präsentation im Live-Stream
Mit dieser Frage nach den ersten Schritten im Falle einer Wahl lockte Moderator Ulrich Hintermayer den Kandidaten für seine Nachfolge noch einmal Unterschiede heraus. Denn in zweieinhalb Stunden Live-Stream gab es bei der einzigen städtischen Veranstaltung zur Wahl viel Übereinstimmung bei den fünf anwesenden „Kandidierenden“, wie Hintermayer stets sagte.
Alle wollen Verbote für LKW-Durchgangsverkehr und Blitzer, um das Tempo innerorts zu reduzieren. Alle wollen Bürgerbeteiligung stärken, Baugebiete ausweisen sowie Wohnen im Ortskern attraktiver machen, Gewerbetreibende unterstützen und öffentliche Fördertöpfe ausschöpfen. Trotzdem zeigten sich Abweichungen auf den Wegen dahin.
Die übliche Bierzelt-Atmosphäre fehlt
Was natürlich fehlte: Beifall und Pfiffe vom Publikum, provozierende Fragen und die politische Bierzelt-Atmosphäre, wenn die Menschen gemeinsam prüfen, wer Bürgermeister oder Bürgermeisterin werden soll.
Was im Fußball die Geisterspiele sind, ist in Kraichtal die Online-Vorstellung. Mit guten Geistern hinter den Kulissen. Die Verwaltung brachte fünf von sieben Bürgermeisterkandidaten ohne technische Probleme nahe. Eingereichte sachliche Fragen sowie Anliegen von Freitagabend kamen zur Sprache. Wobei sich die Antwortzeit von einer Minute bei komplexen Themen häufig als zu kurz erwies. Als Fragemanagerinnen waren Sabine Philipp und Sonja Kientsch mit dabei.
Kandidaten plaudern über Persönliches
Als sich das Bewerber-Quartett persönlich vorstelle, erfuhr man durchaus Neues: Tobias Borho, SPD-Mitglied, verriet, dass seine kirchliche Hochzeit schon zwei Mal wegen Corona verschoben werden musste. Er betonte Erfahrungen einer Hofsanierung in Menzingen und wolle das große Haus Kraichtal mit neun Gewerken besser aufstellen. „Nicht mit blindem Aktionismus, sondern ruhiger Hand, Kompetenz und Bürgerbeteiligung“, so der Verwaltungswirt.
Lucien Kacsányi, Mitglied Freien Wähler-Vereinigung, erzählte in freier Rede, dass bei ihnen in Menzingen das Internet mit Homeoffice und Homeschooling kollabieren könne. Er sei als Pendler „Mitverursacher der Verkehrsbelastung“. Der Betriebswirt, der seit 13 Jahren in Kraichtal wohnt, sprach die schwierige Finanzsituation der Stadt an, die dann in der Fragerunde noch kurz drankam.
„Wanderer sollen einen Kaffee trinken können“
Jonas Lindner agierte am stärksten mit den Händen und hatte eine kämpferische, freiere Rede vorbereitet. Er erwähnte seine Partnerin und zollte den Kraichtalern viel Lob. Das CDU-Mitglied nannte Ziele wie effizientere Arbeitsabläufe in der Verwaltung, Wohnungsbaugesellschaft, Ärztehaus, Skaterpark und Handwerkerhöfe. „Und samstags sollen Wanderer auch einen Kaffee trinken können“, meinte der Polizeikommissar beim Blick auf „so viel ungenutztes Potenzial“ in vielen Bereichen.
„Alte Wege verlassen, mit mir als Bürgermeisterin neue Möglichkeiten schaffen“, so warb Susanne Lindacker für sich. Die Bauingenieurin wuchs in Gochsheim auf. Singen, Schwimmen, Krimis lesen sind einige ihrer Hobbys. Sie stellte die Gewerbeansiedlung an den Anfang ihrer Agenda. Das Mitglied der Grünen nannte Ausbau des Nahverkehrs und einen Jugendgemeinderat als Ziele.
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Seine Erfahrungen als Gemeinderat in Schwaigern brachte Bäckermeister Michael Fischer mit ein. Dort habe man in Baugebieten nur 30 Prozent Einfamilienhäuser festgelegt, weil Land im Grünen nicht unendlich sei. Fischer war bis vor kurzem bei der AfD. Er sagte über den Kraichtaler Gemeinderat: Jede Fraktion hat überall etwas, wo sie recht hat. Und der Rat sitze am längeren Hebel.