
Wie komme ich von A nach B? Diese Frage stellen sich die meisten Menschen überhaupt nicht. Auf dem Weg zur Arbeit, zum Supermarkt oder in den Urlaub darf das Auto nicht fehlen.
Kaum vorstellbar, dass öffentliche Verkehrsmittel älter sind oder früher klimafreundliche Pferdefuhrwerke unterwegs waren. Wie sieht aber das Leben aus, wenn man niemals einen Führerschein besaß, schließlich ist gerade der oft das erste Ziel von Jugendlichen auf dem Weg zur Unabhängigkeit?
Der Politikwissenschaftler, Autor und Leiter der Kulturabteilung in Bruchsal, Thomas Adam, hat nie einen Führerschein gemacht. Wie bewegt er sich durch die Welt?
Wie geht das Leben ohne Führerschein?
AdamIch komme morgens aus Karlsruhe mit dem Zug zu meinem Arbeitsplatz in Bruchsal gefahren. Eines muss ich vorab gleich sagen. Ich hatte immer das Glück, in der Nähe eines Bahnhofes zu wohnen. Wichtig ist aber auch zu wissen, dass das bei mir absolut ideologiefrei ist. Meine Eltern hatten keinen Führerschein, mein Bruder hat keinen. Wir hatten auch nie ein Auto zuhause, das war also eigentlich nie eine Frage. Aber wir hatten immer das Glück, verkehrsgünstig zu wohnen. Ich kenne es einfach nicht anders. Und wenn es mal wirklich nicht mit der Bahn oder dem Rad geht, nehme ich mir ganz selten mal ein Taxi.
Wie ist das heute in Ihrer Familie?
Adam(Lacht) Meine Frau arbeitet in der Automobilindustrie, sie hat selbstverständlich einen Führerschein und ein Auto. Aber ich für mich habe da natürlich keine Möglichkeit das zu nutzen.
Wie ist das bei ungeplanten Reisen?
AdamBei mir gibt es so gut wie keine ungeplanten Reisen. Ich weiß immer vorher, wo ich hinwill oder hinmuss, ich kenne die Pläne der Bahn in der Region im Prinzip fast auswendig. Auch die Wartezeit am Bahnhof ist für mich kein Warten. Für mich heißt es nicht, die Bahn kommt erst in 15 Minuten, sondern sie kommt schon in 15 Minuten. Man bekommt hier einfach eine andere Wahrnehmung auf das Warten. Aber es ist schon richtig, ganz ungeplant reisen ist nicht so einfach.
Kann Sie die Bahn eigentlich noch stressen?
AdamIch nehme die Bahn eigentlich als relativ pünktlich wahr. Aber ich erinnere mich auch an wirklich unangenehme Ereignisse. Einmal war ich zu einer Lesung in Besigheim und musste von dort nach Mühlacker zum Umsteigen. Es war Dezember und 22 Uhr. Als dann der Zug in Besigheim ausfiel, war klar, dass der Umstieg in Mühlacker auch nicht klappt. Am Ende war ich um 2:30 Uhr in Karlsruhe und hatte die meiste Zeit im Freien in der Kälte gestanden. Das gehört definitiv zu den unangenehmen Erfahrungen. Da ich beim Warten an meinen Büchern arbeiten oder Büroarbeit nacharbeiten kann, stresst mich das nicht. Das wäre im Auto selbstverständlich nicht möglich. Für mich gehört die Fahrt in der Bahn tatsächlich zu den ruhigsten Minuten am Tag.
Zur Arbeit zu kommen ohne einen Führerschein ist das Eine, aber wie kann man seine Freizeit ohne Auto gestalten?
AdamDas ist eine gute Frage. Wo man hinwill entscheidet sich ja dann durch die Möglichkeit, dorthin zu kommen. Wir fahren natürlich nicht an Orte, die so abgeschieden sind, dass man sie ohne Auto gar nicht erreichen kann. Der Urlaub und die Freizeit werden bei uns einfach um die Möglichkeit der Mobilität herum geplant. Es gibt eigentlich kaum einen Ort in der Region, den man mit der Bahn erreichen kann, wo ich noch nicht war. Man muss natürlich dazu sagen, dass ich das einfach nicht anders kenne. Mein Vater war bei der Eisenbahn, und ich konnte bis zum Alter von 27 Jahren auf vielen Strecken in Deutschland kostenlos oder stark vergünstigt fahren. Der Drang, in die große weite Welt zu fliegen, war bei mir nie da. Und ich kam ja auch weit ohne Führerschein. Meine eindrucksvollste Reise war für 100 Mark mit dem Hellas-Express nach Griechenland.
Richtig, den gab’s ja damals noch. Der fuhr von Dortmund über Mannheim direkt nach Athen ...
AdamDamals Mitte der Achtzigerjahre war das gar kein Problem, in Bruchsal bin ich eingestiegen und in Thessaloniki wieder aus. Sie sehen: Auch ohne Führerschein habe ich einiges entdeckt.