Notwehr oder versuchter Totschlag, Freispruch oder mehrjährige Haftstraße - vor dieser Entscheidung stand am Donnerstag das Bruchsaler Schöffengericht unter dem Vorsitzenden Richter Konrad King. Angeklagt war ein 56-jähriger Bruchsaler, der im März dieses Jahres in einer Büchenauer Obdachlosenunterkunft einen Mitbewohner mit einem Messer am Rücken und im Gesicht verletzt haben soll. Dieser soll zuvor möglicherweise mit einem Baseballschläger drei Schneidezähne des Angeklagten ausgeschlagen haben.
Schuld kann nicht eindeutig bewiesen werden
Nach einer achtstündigen Verhandlung entschied das dreiköpfige Schöffengericht nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ auf Freispruch, wobei der Angeklagte für seine viermonatige Untersuchungshaft entschädigt und die Kosten des Verfahrens die Staatskasse übernehmen wird. „Was in dieser Nacht geschehen ist, lässt sich nicht genau feststellen. Seine Schuld ist mangels Zeugen nicht beweisbar, wobei wir weder von seiner Unschuld noch von seiner Schuld überzeugt sind“, begründete Richter King den Freispruch.
Sicher ist lediglich, dass sich die Beiden an diesem Montag im März 2023 getroffen und in einer Grillhütte reichlich Wodka getrunken hatten. Danach gingen sie zur Wohnung des Angeklagten, wo es dann zum Streit gekommen sein muss. Dabei soll der jüngere Mitbewohner mit einem mitgebrachten Baseballschläger teilweise die Wohnungseinrichtung des Angeklagten demoliert und dem 56-Jährigen vermutlich auch ins Gesicht und gegen den Körper geschlagen haben.
Zeuge erschien nicht zur Verhandlung
Das Gericht stützte sich dabei auch auf die Aussage einer medizinischen Gutachterin, die bestätigte, dass ein solcher Schlag nicht unbedingt zu äußeren Verletzungen im Gesicht führen müsse. „Der Verlust der Schneidezähne könne allerdings auch auf einen Faustschlag zurückzuführen sein“, sagte sie. Der als Zeuge geladene 23-jährige Mitbewohner war zur Verhandlung nicht gekommen.
Das Gericht unterstellte dem Angeklagten, dass er sich zur Notwehr ein Küchenmesser gegriffen und dem Geschädigten die Verletzungen am Rücken und Gesicht im Gerangel zugefügt habe. Dies konnte auch die Rechtsmedizinerin keineswegs ausschließen, da es sich am Rücken um Schnitt- und nicht um lebensgefährliche Stichverletzungen gehandelt habe.
Mitbewohner des Obdachlosenheims alarmierte Polizei
Die Polizei wurde von einem Mitbewohner im Obdachlosenheim alarmiert, der wegen des Lärms auf die Handgreiflichkeiten aufmerksam wurde, allerdings zum Tathergang keine Aussagen machen konnte. Auf der Brücke zwischen Büchenau und Untergrombach traf die Polizei den blutverschmierten 23-Jährigen, der immer wieder rief: „Er wollte mich umbringen“.
Dies sah Strafverteidiger Frank Mangler als Grundlage für eine mögliche Falscheinschätzung des Tatherganges und plädierte wegen möglicher Notwehr auf Freispruch. Staatsanwalt Andreas Hunkel forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten und sprach gemäß der Anklage von vorsätzlicher schwerer Körperverletzung mit einem Messer.