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Ein Dorf unter Schock

Nach dem grausigen Leichenfund in Bruchsal: Nachbarn hatten schon früh Hinweise geliefert

Wie kann mitten im idyllischen Dorf Untergrombach eine alte Frau einfach verschwinden und keiner hat etwas gemerkt? Genau diese Frage treibt die Untergrombacher nach dem grausigen Leichenfund von vergangener Woche um. Doch hat wirklich niemand etwas gemerkt? Doch: Es gab schon früh Hinweise. Über eine schwierige Spurensuche:

NoDas Panorama auf die Rheinebene lockt viele Menschen an.
Das Panorama auf die Rheinebene lockt viele Menschen an. Foto: Heintzen

„Untergrombach ist der schönste Ort der Welt.“ So überschwänglich hat eine Facebook-Nutzerin ihre Heimat in diesen Tagen beschrieben. Und doch hat sich über den Bruchsaler Stadtteil in den vergangenen Tagen ein Schatten gelegt: „Ich spüre eine große Betroffenheit“, erklärt die designierte neue Ortsvorsteherin Barbara Lauber. Sie ist in ihrem Amt vom Gemeinderat noch gar nicht bestätigt, aber ihr erstes Presse-Statement muss sich gleich mit dem grausigen Fund der toten Seniorin befassen. Ein Untergrombacher hatte seine Mutter mutmaßlich fünf Jahre lang tot in der Wohnung liegen gelassen, um ihre Rente zu kassieren.

Ich spüre eine große Betroffenheit
Barbara Lauber, designierte Ortsvorsteherin

Erinnerungen an Hitchcocks Psycho

Alfred Hitchcocks bekannter Thriller „Psycho“ kommt vielen sofort in den Kopf, aber in Untergrombach steht den Leuten der Sinn nicht nach makabren Vergleichen. „Natürlich fragen wir uns alle: Warum wurde das nicht früher entdeckt? Hat es nicht gestunken? Gab es keine Angehörigen? Wurde die Frau nicht vermisst? Hätte, würde, täte...“, beschreibt Lauber die Gefühlslage vieler Untergrombacher. „Jeder fragt sich doch: Wie hätte ich reagiert?“ Dass eine Seniorin mitten in einem Dorf einfach von der Bildfläche verschwindet und ihr Tod erst nach fünf Jahren entdeckt wird, das kann, das darf doch nicht sein.

Es gab tatsächlich Hinweise

Und, so wie es scheint, war es auch nicht so. „Es gab tatsächlich Hinweise“, weiß die designierte Ortsvorsteherin ganz sicher. Beim Ortschaftsrat und bei der Ortsverwaltung seien Menschen vorstellig geworden, die darauf hinwiesen, ihre Nachbarin schon lange nicht mehr gesehen zu haben. Gleiches erzählt ein Nachbar gegenüber bnn.de.

Recherchen in den Bruchsaler Akten

Doch was passierte dann? Genau dieser Frage ist man im Bruchsaler Rathaus nachgegangen. Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick hört sich fast erleichtert an: Interne Recherchen hätten ergeben, dass eine städtische Sozialarbeiterin bereits 2014 mit der Familie zu tun hatte. Alles fein säuberlich dokumentiert.

„Irgendwas scheint nicht zu stimmen“, so die Sorge eines Untergrombachers damals. Obwohl die Stadt laut OB formal und rechtlich nicht zuständig sei, habe die Sozialarbeiterin „mal nach dem Rechten“ geschaut. Niemand habe ihr aber die Tür geöffnet, so belege eine Notiz. Bei einem Telefonat habe der Sohn erklärt, dass die Mutter dement sei, nicht mit ihr sprechen könne, aber man ansonsten keine Hilfe benötige. Darauf ließ es die Sozialarbeiterin aber nicht beruhen, sondern informierte die Polizei. Man kam zum Schluss, das Betreuungsgericht und das Landratsamt einzuschalten.

Der Hausarzt hat die Seniorin 2015 untersucht

In Karlsruhe angefragt, fängt dort ebenfalls die Spurensuche an. Und siehe da: Es wurde eine rechtliche Betreuung angeregt, im Landratsamt setzt sich die Maschinerie in Gang. Jetzt ist das Gesundheitsamt dran. „Nachdem seitens unseres Gesundheitsamts zwei mal erfolglos versucht wurde, einen Hausbesuch durchzuführen, gab das Gesundheitsamt den Auftrag unbearbeitet zur weiteren Veranlassung an das Betreuungsgericht zurück“, heißt es aus dem Landratsamt.

Der Sohn meldete sich, der Hausarzt dürfe eine Untersuchung vornehmen. Dieser Termin habe im Januar 2015 stattgefunden. Laut Landratsamt stellt der Arzt fest: Die Frau werde gut gepflegt. Eine Betreuung also nicht erforderlich. Der Sohn hatte zu diesem Zeitpunkt im Übrigen bereits eine Vollmacht. Dann, im Februar 2015, verlieren sich fürs erste die Spuren.

Todesursache immer noch unbekannt

Auch für die Ermittlungsbehörden ist der Fall noch nicht durch. Insbesondere die Frage nach der Todesursache ist noch ungeklärt. Die Obduktion konnte diese Frage nicht beantworten. Nun könnten höchstens Zeugen oder andere Indizien noch Aufschluss geben. Der Leichnam wurde laut Staatsanwaltschaft noch nicht freigegeben. Details gibt es mittlerweile aber zur möglichen Höhe des Betruges. Die Seniorin, Jahrgang 1926, hat laut Staatsanwaltschaft monatlich 700 Euro Rente bekommen. Ihr Sohn hatte bereits eingeräumt, den Tod nicht gemeldet zu haben, um diese Rente einzustreichen. War seine Mutter tatsächlich seit fünf Jahren tot, hat er gut 42.000 Euro zu Unrecht erhalten.

Noch engmaschigere Kontrollen?

Für die OB steht jedenfalls fest: „In Dörfern funktioniert die soziale Kontrolle eigentlich meistens noch ganz gut. Vieles läuft aber auf freiwilliger Basis. Ich wüsste nicht, wie wir als Stadt grundsätzlich noch engmaschinger hätten kontrollieren können. Ich werde mich auch weiterhin für freiwilliges Quartiersmanagement einsetzen.“

Im Übrigen gibt es eine Redewendung, die sinngemäß besagt: Schornsteinfeger und Hebammen sind oft noch die einzigen, die überhaupt in ein Haus kommen.

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