In Australien gibt es sie schon, in Frankreich wurde sie groß angekündigt. Die Rede ist von einer nationalen Strategie zur Aufklärung über Endometriose. Dabei handelt es sich um eine weitverbreitete, aber bislang wenig erforschte Unterleibserkrankung.
Jährlich erkranken etwa 40.000 Menschen in Deutschland neu an Endometriose. Betroffen sein können alle Frauen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Doch glaubt man Betroffenen, wird in Deutschland, trotz der vielen Fälle zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet.
Französischer Präsident erklärt Endometriose zu Staatsangelegenheit
„Endometriose ist nicht nur ein Problem für die betroffenen Frauen, es ist ein Problem der Gesellschaft“, schrieb der französische Präsident Emmanuel Macron während des Wahlkampfes 2022 auf seinem Twitter-Account. „Die nationale Strategie, die wir auf den Weg bringen, gibt Millionen von Mädchen und Frauen Hoffnung auf eine bessere Lebensqualität“, sagte der Staatschef in einer Video-Ansprache.
Auch in Australien wird viel für die Aufklärung über Endometriose getan. Dort existiert bereits seit einigen Jahren eine nationale Informatioskampagne. Die Forschung wird mit Staatsgeldern unterstützt. Betroffene wünschen sich die gleiche Aufmerksamkeit hierzulande.
Gesundheitsminister Lauterbach bevorzugt stille Aufklärungsarbeit
Die 19-jährige Studentin Theresia Crone ist eine von ihnen. Deshalb initiierte sie im Januar diesen Jahres eine Petition unter dem Hashtag #EndEndoSilence und richtete sich dabei an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Sie fordert eine nationale Endometriose-Strategie in Deutschland. Die Petition hat mittlerweile 133.036 Unterstützer gefunden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Ankündigung Macrons kritisch, wie er in einem Interview auf Youtube deutlich macht (ab Minute 55:53). Dass der französische Präsident eine nationale Strategie ankündigte, sei mehr als PR-Aktion für den Wahlkampf zu verstehen.
Lauterbach hingegen bevorzuge eine stille Aktion, die sich konkret mit der Krankheit auseinandersetzt. Er setzt auf Forschungsgelder aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und Studien zur Medikamentenentwicklung. Dabei bemängelt er, dass die bisher geleistete Summe von 20.000 Euro für die Erforschung der Krankheit „dramatisch“ niedrig sei.
Wie sieht die aktuelle Aufklärungsarbeit des Gesundheitsministeriums aus?
„Der Bundesregierung ist es ein Anliegen, die von Endometriose betroffenen Frauen und Mädchen zu unterstützen“, sagt eine Pressevertreterin des Gesundheitsministeriums.
„Da die Krankheit derzeit nicht heilbar ist, ist es für die Betroffenen ein besonders wichtiger Aspekt, so gut wie möglich über ihre Krankheit informiert zu sein und auf dieser Grundlage selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen.“ Doch was bedeutet das konkret? In Sachen Aufklärung informiert das Ministerium Patientinnen auf verschiedenen Internetseiten über Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten.
Außerdem beschäftigen sich Experten mit der Frage, ob bei durch Endometriose bedingten Schmerzen anstelle von Schmerzmedikamenten auch andere Verfahren helfen würden. Um welche Verfahren es sich aber dabei konkret handelt, wird nicht erwähnt. „Das Bundesministerium für Gesundheit unterstützte im Rahmen der Selbsthilfeförderung unter anderem die Endometriose-Vereinigung Deutschland bei verschiedenen Projekten zur Informationsvermittlung“, heißt es weiter.
Da die Ursachen für die Entstehung von Endometriose bis heute weitgehend unbekannt sind, soll auch in die Grundlagenforschung der Krankheit weiter investiert werden. „Die Forschung zu Endometriose ist deshalb ein wichtiger Aspekt zur Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten“, so die Pressesprecherin.
Betroffene aus Östringen und Sandweier kritisieren fehlenden Zugang zur Endometriose-Aufklärung
Auch Rosi Batzler aus Östringen, die selbst seit 28 Jahren an der Krankheit leidet, wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für das Thema. Sie ist Mitglied einer Heidelberger Selbsthilfegruppe des Landesnetzwerks Endometriose und hat in den vergangenen Jahren eine deutliche Verbesserung in der Aufklärungsarbeit wahrgenommen.
„Es gibt aber immer noch viel zu tun“, sagt Batzler. „Viele Frauenärzte wissen zu wenig darüber Bescheid. Auch im Bereich der übergreifenden Medizin ist noch Nachholbedarf.“ Urologen und Gastroenterologen, also Fachärzte für das Magen-Darm-System, seien ihrer Ansicht nach noch nicht vertraut genug mit dem komplexen Beschwerdebild der Krankheit. Eben weil sie so komplex ist, wird sie auch oft als gynäkologisches Chamäleon bezeichnet.
Viele Frauenärzte wissen zu wenig darüber Bescheid. Auch im Bereich der übergreifenden Medizin ist noch Nachholbedarf.Rosi Batzler, Mitglied einer Endometriose-Selbsthilfegruppe
Nachholbedarf sieht Batzler auch in der Aufklärungsarbeit an Schulen. „Unsere jüngste Patientin ist elf Jahre alt, die älteste ist 84 Jahre alt. In den Schulen wird zu wenig über Endometriose gesprochen. Nur dann, wenn eine Lehrerin selbst davon betroffen ist oder jemanden kennt, dann ist sie engagiert“, sagt sie.
Ein weiteres Problem ist die Entfernung zur nächsten Beratungsstelle. Michaela Götz aus Rastatt kennt das. Die Leiterin einer Endometriose-Selbsthilfegruppe in Sandweier erklärt, dass es in ganz Baden-Württemberg nur neun Gruppen gibt. „Manche Frauen reisen sogar aus Tübingen, Rottweil und dem Saarland nach Baden-Baden an“, sagt sie.
Hilfreiche Seiten für Betroffene
Unter folgenden Links können sich Endometriose-Betroffene und Angehörige über die Erkrankung und die Petition weiter informieren:
Frauengesundheitsportal des BZgA: www.frauengesundheitsportal.de
Endometriose-Vereinigung Deutschland: www.endometriose-vereinigung.de
#EndEndosilence-Petition: www.change.org/