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Noch lange nicht ausgestrahlt

Philippsburg wird auf Jahrzehnte ein Lager für radioaktiven Müll bleiben

Es soll eine Suche „auf der weißen Landkarte“ sein: Wo kann man den teils hoch radioaktiven Müll aus den deutschen Atomkraftwerken für Tausende, gar Millionen Jahre sicher einlagern? Die systematische Endlagersuche läuft seit 2013 – mit völlig offenem Ausgang. Was unmittelbare Folgen für Philippsburg und die Region hat.

Spätestens Pfingsten 2020 sollen nach Meinung von Philippsburg Bürgermeister Martus die Kühltürme des Kernkraftwerks gesprengt werden. Die Entsorgung „freigemessener mineralischer Abfälle“ ist Stand heute ungeklärt.
Spätestens Pfingsten 2020 sollen nach Meinung von Philippsburg Bürgermeister Martus die Kühltürme des Kernkraftwerks gesprengt werden. Die Entsorgung „freigemessener mineralischer Abfälle“ ist Stand heute ungeklärt. Foto: Heintzen

So lange gilt die Genehmigung zur Einlagerung. Ein Wimpernschlag im Vergleich zur Endlagerung. Eine Generationenfrage aber für die Philippsburger. „Für viele fühlt sich das wie ein Endlager an“, kritisierte nicht zuletzt Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus.

Seit 2007 lagert Atommüll im dortigen Zwischenlager am Rande des Kraftwerks-Geländes. Dieses verfügt über insgesamt 152 Castoren-Stellplätze. Derzeit befinden sich 62 Behälter mit hoch radioaktivem Material darin. Das sind abgebrannte Brennelemente direkt aus Philippsburg. Weitere 40 Behälter mit Brennelementen direkt von nebenan, aus Block 2, sollen in den nächsten Jahren folgen. Zudem werden fünf weitere Castoren mit mittelradioaktivem Inhalt aus der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague erwartet.

Energieversorger müssen Abfälle zurücknehmen

Die deutschen Abfallproduzenten, sprich die Energieversorger, sind nicht zuletzt völkerrechtlich verpflichtet, ihre Abfälle zurückzunehmen. Insgesamt stehen so noch 25 Behälter zur Rückführung nach Deutschland an. Im Jahr 2020 kommen auf diesem Wege die ersten Castoren aus dem englischen Sellafield nach Biblis. Fünf weitere aus Frankreich werden in den nächsten Jahren auf der Rheinschanzinsel eintreffen. „Die Anlieferung dieser fünf erfolgt aber nicht vor 2021“, erklärt ein Sprecher der für den Transport zuständigen Gesellschaft für Nuklear-Entsorgung auf BNN-Anfrage.

Geplant sei eine Befüllung der Castoren in La Hague im Frühjahr 2021 und eine Anlieferung in Philippsburg frühestens im Herbst 2021. Seit Inkrafttreten des sogenannten Standortauswahlgesetzes von 2013 müssen sämtliche verbliebenen radioaktiven Abfälle an den jeweiligen Kraftwerksstandorten zwischengelagert werden. Bisher hatte die EnBW das Lager betrieben. Seit Januar 2019 hat dies für alle deutschen Standort-Zwischenlager und auch für das einst als Endlager angedachte Gorleben die „Gesellschaft für Zwischenlagerung“ des Bundes übernommen.

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Kritiker zweifeln an der Sicherheit der Castoren

Immer wieder hatten Kritiker die Bauweise der Philippsburger Lagerhalle bemängelt, zweifelten an der Sicherheit der Castoren und mahnten weitere Bürgerbeteiligung und Akteneinsicht an. Genehmigt ist das Zwischenlager bis 2047. Bis dahin, so die Einschätzung von Experten, wird es zwar möglicherweise einen Standort für ein Endlager geben, ob das dann aber schon gebaut und befüllbar ist, ist eher unwahrscheinlich.

Ebenfalls weitgehend ungeklärt: Wohin mit dem minimal strahlenden Bauschutt aus dem Abbruch von Block 1 und Block 2 und sämtlichen Anlagen auf dem Gelände, sogenannter freigemessener Atomschrott.

Viele weitere Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, wird der Rückbau in Philippsburg dauern. Die vorgesehene Sprengung der Kühltürme schon nächstes Jahr ist nur eines der sichtbarsten Zeichen des umfangreichen und teils äußerst heiklen Rückbaus. Bis dahin fällt kontinuierlich Bauschutt an. Doch niemand weiß bislang wohin damit.

Zwar ist die Strahlung extrem gering, haben will den als unbedenklich geltenden Schutt aus Philippsburg und ebenso wenig den von der Wiederaufbereitungsanlage im einstigen Kernforschungszentrum in Eggenstein aber trotzdem niemand. Und der Landkreis Karlsruhe selbst verfügt über keine eigene Deponie. Auch hier ist also die Standort-Frage derzeit noch völlig offen.

Alles rund um das Atomkraftwerk in Philippsburg gibt es im Dossier zum Thema.

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