Die roten Blüten begleiten den Weg. Hunderte von Metern lang. Eine Fülle, eine Pracht, von roten Kastanienblüten an hohen Bäumen mit dichtem Blattkleid. Und wenn man eine Weile ruhig stehen bleibt, hört man das Summen. Tagesbesucher bewundern und schätzen das Bruchsaler Schloss.
Meist schlendern sie auch noch im Garten umher. Auf den breiten Wegen, die umsäumt sind von Kastanien mit weißen Blüten oder in den Teilen des englischen Gartens mit vielen Grünflächen und Parkbäumen.
Dass der Schlossgarten aber noch viel weiter geht und noch mehr Vielfalt bietet, das entgeht den Touristen. Sie werden auch nicht darauf hingewiesen, wenn sie die bewohnten ehemaligen Dienerhäuschen am Ende des oberen Schlossgartens erreichen. Der übrigens ein Gefälle von sieben Metern aufweist, man merkt es beim Spazieren über den Kies.
Aber um zur Fortsetzung des Parks zu gelangen, muss man die viel befahrene Zollhallenstraße überqueren, nach rechts den Eingang der Gleisunterführung finden und den Gang mit den beschmierten Wänden nutzen. Dann wieder nach links - und man steht in der Allee der roten Kastanien.
Rote Kastanienblüten und uralte Ulmen im mittleren Schlossgarten
„Wunderschön hier, dieser Weg, ich komme so gern hier durch“, antwortet eine Radfahrerin im Vorbeifliegen vor ein paar Tagen bei schönem Wetter. Hundebesitzer und Spaziergänger, auch Jogger schätzen diesen Waldweg mitten in der Stadt. Über ihm ist jedoch immer ein Stück Himmel zu sehen. Die Äste sollen ihn nie verdecken.
„Das nennen wir den Himmelstrich, die Bäume werden alle paar Jahre so geschnitten, dass der Ausschnitt des Himmels zu sehen ist“, erklärt Meike Kirscht. Sie ist bei der staatlichen Schlösser- und Gartenverwaltung Baden-Württemberg (SSG) für die historischen Gärten wie Bruchsal zuständig. Auch sie atmet mit Bewunderung bei jedem Besuch die Atmosphäre dieses Schlossgartenteils ein. Und sie kennt die Naturschätze am Rande, hinter den Kastanien, an denen man ohne Vorwissen schnell vorbeiginge.
Eine riesige Ulme mit herrlicher Krone zum Beispiel, nahe am benachbarten Tennisgelände. „Ein Baum, der um 1750 gepflanzt wurde. Damit es ihr möglichst gut geht, aktivieren wir das Bodenleben und sorgen für das Zusammenleben mit guten Pilzen“, sagt Kirscht.
Im unteren Schlossgarten dominiert das Grün der Linden
Die stellvertretende Bereichsleiterin hat Landschaftsarchitektur studiert und in Forstwissenschaft den Doktortitel erworben. Sie möchte unbedingt die Fortsetzung des mittleren Schlossgartens zeigen. Also den unteren, der nach dem Überqueren der Schwetzinger Straße bei der Sporthalle beginnt. Hier dominiert nicht mehr das Rot der Kastanien, sondern das Grün der Linden. Die Allee ist nun breiter, auch asphaltiert.
Das Sportgelände der TSG Bruchsal auf der einen und ein Wohngebiet auf der anderen sind die Nachbarn. Am Ende dieses Schlossgartens steht wieder eine Flatterulme, sichtbar werden in der Ferne das Schild des Baumarkts und die Hotelbauten der Landes-Feuerwehrschule. „Die von Damian Hugo von Schönborn, dem Schlosserbauern angelegte Wegeachse des Gartens ging einmal weiter über Karlsdorf bis nach Graben“, weiß Florian Schleifer, ebenfalls Mitarbeiter der SSG.
Der Kunsthistoriker zeigt auf dem Rückweg auf die Häuser am Ende des Mittleren Schlossgartens, die Reste eines Bau-Abschlusses der Barockzeit. Heute sind sie bewohnt. Unter anderem von einem der beiden Gärtner des Bruchsaler Gartendenkmals. Der mittlere Teil mit den roten Kastanien spielt eine wichtige Rolle für die Naherholung. Aber Bänke am wunderschönen Weg findet man nicht.
Meike Kirscht kennt das Problem. „Ja, sie wurden leider abgebaut, nachdem es Vandalismus und Vermüllung durch nächtliche Partys gab. Auch Anwohner hatten sich beschwert.“ Der Wunsch nach neuen Sitzen sei da, aber die Kapazität für Reinigung nicht. Und dann gibt es noch einen weiteren schmerzlichen Punkt für Fachleute wie Flaneure am mittleren Schlossgarten.
Bahn-Bauten haben Sichtachse zum Schloss zerstört
Die wichtige und eigentlich wunderbare Sichtachse zum Schloss ist zerstört. Nicht durch die Schienen seit 1843, wohl aber durch einen Strommasten, einen Sicherungskasten und einen Prellbock, an dem sehr oft eine gelbe Stadtbahn parkt. Die technischen Dinge wurden ohne Rücksicht auf das Gartenkunstwerk einfach hingesetzt.
„Wir müssen mal wieder auf die Bahnhofsmanager zugehen, der Effekt wäre enorm“, ist sich Meike Kirscht sicher. Und die Bruchsaler, die ihren Schlossgärten lieben, wären auch glücklich.