Von unserer Mitarbeiterin Eva-Maria Schauer
Donnerstagabend, kurz vor Gottesdienst in der Sankt Josefskirche Bruchsal: Elias Jung holt sein rotes Gewand aus dem Schrank, zieht sich das weiße Ministrantenhemd über und schaut sich um: Viel los ist in der Sakristei nicht, außer ihm und dem Mesner wird an diesem Abend nur noch der Pfarrer kommen. Solche Situationen kennt der 13-Jährige: Durchschnittlich ministrieren in der Gemeinde nur ein bis drei Ministranten pro Gottesdienst, auch am Wochenende.
„Mit wenigen zu ministrieren, ist nicht toll, weil man alles selber machen muss und das nicht schön aussieht“, beklagt er. Dem Pfarrer hilft er trotzdem gerne beim Kirchendienst: „Ich ministriere, weil ich das besser finde als nur in der Kirche herumzusitzen.“ In der Stadtkirche Bruchsal ist die Lage ähnlich: Der 19-jährige Christoph Stanny ist dort seit 2010 „Ministrant mit Herzblut“ und hat den Rückgang selbst miterlebt: „Als ich angefangen habe, waren wir 35 Minis. Das hat sich immer weiter verkleinert und jetzt ministriere ich meistens alleine.“
In Städten sinkt die Motivation für das Ehrenamt
Das Ministrantenproblem beider Gemeinden ist Pfarrer Benedikt Ritzler bewusst. Seit Oktober 2014 ist er Pfarrer der Seelsorgeeinheit Sankt Vinzenz in Bruchsal: „In der Stadtkirche sind wahrscheinlich so wenige Minis, weil sie die kleinste Gemeinde mit knapp 800 Gläubigen in Bruchsal ist. Hier wohnen nur wenige Familien mit Kindern.
Ähnlich ist das in Sankt Josef: Dort waren mal mehr Ministranten, aber die Kinder bekommen heute viele Angebote, was sie in der Freizeit machen könnten.“ Wer also musikalische oder sportliche Interessen hat, wende sich eher diesen zu, anstatt noch Zeit für den Ministrantendienst aufzubringen.
Offiziell gibt es in Bruchsal 110 Ministranten der katholischen Seelsorgeeinheit, von denen aber nicht alle aktiv im Dienst sind. Auch zwischen den insgesamt sechs Kirchen gibt es Unterschiede: „Wir haben Gemeinden mit bis zu 25 Ministranten, wo mehr Jugendarbeit gemacht werden kann“, erklärt Ritzler. Eine davon ist die Sankt Peterskirche in Bruchsal. Als Oberministrant steckt Simon Dattke hier hinter Planungen von Treffen und Ausflügen der Ministranten.
Mittlerweile haben wir fast nur junge Ministranten aus einer GenerationSimon Dattke, Oberministrant aus Bruchsal
Jedoch sei vor allem ein Mangel an älteren Minis spürbar: „Früher waren Minis aus allen Altersschichten vertreten. Nach meiner Aufnahme gab es erstmal ein Loch, wo keine mehr nachkamen. Mittlerweile haben wir fast nur junge Ministranten aus einer Generation“, erläutert der 19-Jährige. Fraglich also, wer die Leitung übernehmen wird, wenn die jetzigen Oberminis in ein paar Jahren aufhören werden.
Mit Veranstaltungen wie dem Sternsingen, Kirchenrallyes und Übernachtungen wird versucht, Nachwuchs an Bruchsaler Ministranten zu gewinnen. Jedoch „steht und fällt es mit der Bereitschaft, im Gottesdienst zu ministrieren“, erklärt Ritzler. Diese Motivation sei in Gemeinden allgemein größer als in Städten: „In der Stadt geht man mit den einen zur Schule, mit den anderen in den Verein und die dritten sind die Nachbarn. Wenn sich das aber mehrfach überschneidet wie in Dörfern, entsteht eine stärkere Gemeinschaft.“
Ministranten in Wiesental halten zusammen
Diese Verbundenheit ist unter den Ministranten der Gemeinde Wiesental spürbar: „Bei uns gibt es große Gruppen von Grundschulfreunden, die zusammen zu den Minis gekommen sind“, erklärt Felix Knebel, Oberministrant aus Wiesental. Insgesamt 50 Kinder und Jugendliche sind derzeit aktive Ministranten der dortigen Sankt Jodokuskirche. „Das liegt an der gleichverteilten Altersstruktur unserer Minis, die zwischen neun und 25 Jahren sind. Wir bieten auch sehr viel an und schauen, dass für jeden etwas dabei ist“, erklärt der 23-Jährige.
Man sagt ja immer: Tue Gutes und sprich darüber.Felix Knebel, Oberministrant aus Wiesental über die Werbung um Nachwuchs
Um neue Minis anzuwerben, gehen die Wiesentaler Ministranten in den Religionsunterricht von dritten Klassen und sprechen dort über ihr Ehrenamt. „Man sagt ja immer: Tue Gutes und sprich darüber.“ Während der Quarantäne-Zeit engagierten sie sich beispielsweise gemeinsam als Einkaufsservice für Risikogruppen in Waghäusel.
Krise verstärkt Ministrantenmangel
Aufgrund der Krise mussten alle weiteren Aktionen jedoch ausfallen. Auch die alljährige Bruchsaler Ministrantenfreizeit an den Bodensee wurde für diesen Sommer abgesagt und Festtagsgottesdienste wie Christi Himmelfahrt konnten nicht zusammen gefeiert werden. Laut Ritzler könnte die Krise deshalb Grund für eine weiter sinkende Ministrantenzahl sein. Man würde sich in dieser Zeit an andere Formen der Alltagsgestaltung gewöhnen und eher auf Online-Angebote zurückgreifen, anstatt wieder Ministrantentreffen zu besuchen.
Anders sieht das Oberministrant Felix Knebel: „Bei unseren Ministranten merke ich, dass sie gerne wieder rausgehen und etwas unternehmen wollen. Deswegen glaube ich aktuell nicht, dass Corona einen negativen Einfluss auf unseren Zusammenhalt haben wird.“