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Rechnungen mehrfach abgebucht?

Strafverfahren in Bruchsal: Rechtsanwältin wegen Betrugs angeklagt

Eine Anwältin steht vor dem Bruchsaler Schöffengericht. Doch nicht etwa in der Verteidigung, sondern als Angeklagte. Wegen vielfacher Untreue muss sich eine 44-Jährige verantworten. Sie zeigt sich von Beginn an reumütig.

Auf der Richterbank liegt am ein Richterhammer aus Holz.
Vertauschte Rollen vor Gericht: Eine Anwältin muss sich vor dem Schöffengericht in Bruchsal selbst wegen einer möglichen Straftat verantworten. Foto: Uli Deck/dpa/Illustration/Archivbild

Wegen Untreue in zunächst 34 Fällen muss sich eine 44-jährige Rechtsanwältin vor dem Bruchsaler Schöffengericht verantworten. Unter dem Vorsitz von Richter Mathias Zinsius wurde das am Donnerstag eröffnete Hauptverfahren zunächst auf sieben Verhandlungstage angesetzt.

Doch schon zum Auftakt kündigte sich eine kürzere Prozessdauer an. Bereits am nächsten Montag möchte der Vorsitzende Richter Verständigungsvorschläge wegen einer möglichen Urteilsfindung unterbreiten.

Der angeklagten promovierten Juristin wurde von Staatsanwältin Dr. Anja Kleesieg vorgeworfen, dass sie als vom Gericht bestellte Betreuerin mehrere Klienten in Vermögensfragen betrogen habe.

Konkret soll sie seit 2012 Rechnungsbeträge doppelt und in einem Fall sogar vierfach abgebucht sowie teilweise auch Anwaltsgebühren unberechtigt abgerechnet haben.

Zulassung liegt 16 Jahre zurück

Die Angeklagte ist seit 2005 zugelassene Rechtsanwältin und hat zuvor in einer Frankfurter Großkanzlei gearbeitet. Im November 2011 eröffnete sie ihre eigene Kanzlei, wobei sie wegen der Betreuung ihres Kindes nur teilweise im Büro sein konnte.

Hinzu kam 2013 die Scheidung von ihrem damaligen Ehemann. Auf diese schwierige Gemengelage mit Scheidung, Kinderbetreuung und erstmaliger Selbstständigkeit hatte Rechtsanwalt Stefan Allgaier hingewiesen.

Nach seiner Darstellung habe die Angeklagte bei den doppelten und in einem Fall sogar vierfachen Abbuchungen zu ihren Gunsten nicht vorsätzlich gehandelt, weil Rechnungen für die betreuten Personen oft mehrfach zugestellt wurden. Nach erfolgter Reklamation wurden die Beträge auch umgehend zurücküberwiesen.

Lag es an der Erfahrung?

Rechtsanwalt Allgaier führte dies auf die Unerfahrenheit seiner Mandantin zurück, die selbst eingestehen musste, dass der Schritt in die Selbstständigkeit zu einer besonderen Herausforderung wurde.

Keine tatrechtlichen Folgen für die Angeklagte sah der Strafverteidiger auch bei der unberechtigten Entnahme ihrer Anwaltskosten von den Konten der betreuten Personen, wobei die Abbuchung durch die Buchhaltung erfolgt sei.

Grund für das Versehen war ihre Doppelfunktion als vom Vormundschaftsgericht bestellte Betreuerin sowie ihre Beratung als Rechtsanwältin in erbrechtlichen und anderen Fragen.

Die Angeklagte bestätigte, dass sie sich heute ihres damals falschen Verhaltens bewusst sei. „Neben dem Geständnis komme hinzu, dass die Vorgänge bereits bis zu neun Jahren zurücklägen“, gab ihr Verteidiger zu verstehen. Mittlerweile ist in der Kanzlei der Angeklagten, die heute keine Betreuungsaufgaben mehr annimmt, sichergestellt, dass Doppelbuchungen nicht mehr vorkommen können.

Teil der Vorwürfe aus Verfahren genommen

Der Vorschlag von Rechtsanwalt Stefan Allgaier, einen Teil der Vorwürfe aus dem Verfahren herauszunehmen, fand auch die Zustimmung der promovierten Staatsanwältin.

Der Strafverteidiger wies darauf hin, dass bereits vor der Anklageerhebung die Einstellung des Verfahrens diskutiert wurde. Aufgrund der langen Verfahrensdauer und dem Geständnis der Angeklagten, die zugab, dass sie Fehler gemacht habe, schlug Allgaier erneut eine Einstellung vor.

Dagegen sprach sich jedoch Staatsanwältin Dr.Anja Kleesieg aus, die dann eine mögliche Wiederaufnahme des Verfahrens prognostizierte.

Verteidiger plädiert auf Verwarnung

Eine weitere mögliche Strafbemessung sah der Verteidiger bei einer mit einer Geldauflage versehenen Verwarnung unter Strafvorbehalt. Zu bedenken gab er, dass eine Verurteilung seiner Mandantin nicht nur zur Übernahme der Verfahrenskosten sondern auch zu disziplinarischen Folgen durch die Anwaltskammer führen könnte.

Im Einvernehmen mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurde letztlich der Vorschlag angenommen, dass Richter Mathias Zinsius am Montag bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung Verständigungsvorschläge unterbreiten und als Mediator zwischen beiden Seiten fungieren wird.

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