Anton Martus kennt die Antwort gut. Denn der Kirrlacher war viele Jahre aktiver Teil dieser 1957 gegründeten Einrichtung zum Schutz der Zivilbevölkerung. Das Thema treibt ihn bis heute um. Er erinnert an eine Institution, die bei vielen längst in Vergessenheit geraten ist. „Noch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges, nach dem Korea-Krieg und vor der Kuba-Krise sowie während des Kalten Krieges zwischen Ost und West, wurde in der Bundesrepublik Deutschland diese Institution des Zivilschutzes gegründet“, sagt Martus.
Er selbst und sein Zwillingsbruder Gustav Martus waren bei der Gründung erst vier Jahre alt. 16 Jahre später traten beide ihren Ersatzdienst im Fernmeldezug Kirrlach an. „Wir wollten Verantwortung übernehmen, aber keinen Dienst bei der Bundeswehr an der Waffe leisten“, nennt Martus als Gründe.
Der 66-Jährige kennt die Geschichte des 1960 im Kirrlacher Café Stadler gegründeten Fernmeldezugs (FMZ) bestens. „Kirrlach hatte damals in der ganzen Bundesrepublik den ersten Fernmeldezug, der entsprechend motorisiert und personell ausgestattet war“, berichtet der studierte Diplom-Kaufmann und ergänzt: „Der Zug hatte einen Jeep, zwei Borgward-Autos, einen Funkkommandowagen sowie eine Personalstärke von 26 Mann“. Aufgebaut wurde der Fernmeldezug von Wilhelm Schmitteckert, der von 1960 bis 1975 auch der erste Zugführer war.
Kommunikationsaufbau war anfangs schwierig
Ihm folgten bis 1981 Siegfried Schuhmacher und danach bis zur Auflösung im Jahr 1996 Erwin Konrad. Der Blick in die Anfangsjahre verdeutlicht die erheblichen Schwierigkeiten beim Aufbau einer Kommunikation zwischen den einzelnen Hilfsdiensten im LSHD. „Deren Einsatzfahrzeuge hatten kaum Funkgeräte und konnten keinen Kontakt untereinander oder mit der Leitstelle aufnehmen“, berichtet Martus. Der FMZ als Regieeinheit stellte funktechnisch die Kommunikation zwischen den Einheiten her.
Mit Hilfe einer Rückentrage und Kabeltrommeln wurden über mehrere Kilometer Kabel zu den Endstellen verlegt, wobei der Kirrlacher Zug eine mobile Zehnervermittlung und das Landratsamt eine stationäre 30-er Vermittlungsstelle hatte. Damit verfügte man über ein Telefonnetz, das vom FMZ gewartet und bedient wurde. Daneben gab es im Rahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes auch noch Sanitäts-, Veterinärs-, Bergungs- und ABC-Züge. Im Spätjahr fanden zumeist auf Truppenübungsplätzen gemeinsame Übungen statt, wobei der Kirrlacher Fernmeldezug für den Aufbau der Kommunikation zuständig war. Eine Großübung wurde auch auf dem Gelände des Erlichsees in Oberhausen-Rheinhausen abgehalten.
„Wir mussten damals Kabel rund um und teilweise durch den See legen“, erinnert sich Anton Martus, der bereits - wie sein Bruder - nach vier Jahren zum Truppführer befördert wurde. Die Zivildienstleistenden, die überwiegend aus Kirrlach und den umliegenden Gemeinden kamen, mussten sich auf zehn Jahre verpflichten. Die Übungszeiten pro Jahr betrugen etwa 150 Stunden, wobei die Alarmierung stets eine besondere Herausforderung war. „Bei einer Übung wurde zunächst der Zugführer vom Landratsamt in Kenntnis gesetzt und nach einem genauen Plan hatte jeder die Aufgabe - notfalls per Dauerlauf – die anderen zu informieren“, blickt Martus zurück.
Erst später erhielten die Mitglieder des FMZ Funk-Alarm-Empfänger. Zu einem ernsthaften Einsatz kam es in der Geschichte des Kirrlacher Zuges nur einmal, als am 10. Juli 1968 ein Tornado in Pforzheim etwa 1.750 Häuser zerstört hatte. Dafür übernahmen die Fernmelder Kommunikationsaufgaben bei sportlichen Großveranstaltungen wie die Motorrad-Querfeldein-Rennen in Odenheim oder beim Karlsruher Stadtmarathon. Lebhaft erinnert sich Anton Martus noch an einen Einsatz im Bunker der Bundesregierung in Ahrweiler. Später wechselte er als Hilfskoch in den Verpflegungstrupp und bestätigt heute: „Dort habe ich das Kochen gelernt.“
Die beiden Martus-Brüder blieben auch nach ihrem zehnjährigen Pflichtdienst aktive Zivilschützer. Bis zur Auflösung des Fernmeldezugs im Jahr 1996 durch den damaligen Landrat Claus Kretz im Kirrlacher Schützenhaus. Auch danach trafen sich die Zug- und Truppführer Erwin Konrad, Friedbert Schuhmacher, Werner Hoffner, Julius Müller, Josef Wirth sowie Anton und Gustav Martus alle vier Wochen zum geselligen Beisammensein.