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Wiesentaler Seniorenzentrum „Am Hag“

Corona-Impfung: Pflegekräfte aus Waghäusel berichten von ihrer Entscheidung für oder gegen den Piks

Impfung – ja oder nein? Diese Frage mussten Pflegekräfte bereits für sich beantworten. Weil sich viele dagegen entschieden haben, steht das Personal öffentlich in der Kritik.

Pflegekräfte vom Seniorenzentrum „Am Hag“ in Wiesental
Keine leichte Entscheidung: Fabio Werner, Argon Gashi, Qualitätsmanagementbeauftragte Theresa Machauer, Vanessa Kamm, Heimleiterin Anja Leier und Nadine Meschgang (von links) sprechen über die Corona-Impfung. Foto: Nicole Jannarelli

Normalität – wer wünscht sich das nicht in der Corona-Krise? Gerade Senioreneinrichtungen sind davon weit entfernt. Waren sie zu Beginn der Pandemie regelrecht abgeriegelt, gelten auch jetzt noch strengste Hygienevorschriften. Mit dem Startschuss der Impfkampagne soll auch dort wieder der frühere Alltag in greifbare Nähe rücken. Die Impfungen laufen inzwischen. Doch vor allem bei Pflegekräften gibt es Vorbehalte, in manchen Einrichtungen wollen sich nicht einmal die Hälfte der Mitarbeiter impfen lassen. Woran liegt das?

Keine Impfung wegen Kinderwunsch

„Mir ist das Risiko zu hoch“, sagt Nadine Meschgang. Sie ist 30 Jahre alt und arbeitet seit rund zwei Jahren im Seniorenzentrum „Am Hag“ der AWO in Wiesental. Gemeinsam mit drei weiteren Kollegen hat sie sich bereit erklärt, über das Thema Corona-Impfung zu sprechen.

„Ich habe einen Kinderwunsch und deshalb will ich mich nicht impfen lassen“, sagt sie. Sie befürchtet, dass die Impfung Auswirkungen auf eine Schwangerschaft haben oder eine Schädigung ihres ungeborenen Kindes hervorrufen könnte. Laut Ständiger Impfkommision des Robert-Koch-Instituts wird Schwangeren nicht empfohlen, sich gegen Corona impfen zu lassen.

Meschgang berichtet zudem, dass eine Frau erst zwei Monate nach einer Impfung versuchen solle, schwanger zu werden. Mit ihrer Mutter und ihrem Mann hat sie sich ausgetauscht, beide arbeiten auch in der Pflege und beide lassen sich impfen. „Ich würde es auch tun, aber nicht in meiner aktuellen Situation.“

Impfbereitschaft des Personals bei 73 Prozent

Mehr als 80 Pflegekräfte arbeiten in der Wiesentaler Einrichtung, 73 Prozent haben sich für eine Impfung entschieden. Das ist eine verhältnismäßig gute Quote.

Zum Vergleich: Bei einem Ettlinger Seniorenheim der AWO liegt die Impfbereitschaft der Mitarbeiter bei 43 Prozent – und das trotz einem schweren Corona-Ausbruch im vergangenen Oktober. „Wir haben mit den Kollegen dort nicht anders gesprochen als hier in Wiesental“, sagt Theresa Machauer, die als Beauftragte für Qualitätsmanagement für beide Häuser zuständig ist. Bei den 108 Bewohnern in Wiesental liege die Impfbereitschaft bei 95 Prozent.

Ich fühle mich in der Pflicht, für das Wohlergehen der anderen zu sorgen.
Fabio Werner, Pfleger in Wiesental

Nadine Meschgangs Kollege Fabio Werner hat sich für die Impfung entschieden. „Ich arbeite hier mit Hochrisikopatienten, mein Opa ist über 80. Ich fühle mich in der Pflicht für das Wohlergehen der anderen zu sorgen“, sagt der 21-Jährige. Er habe Angst, dass er einen Ausbruch im Heim verursachen oder den Großvater anstecken könnte. Und er wünscht sich Normalität.

So geht es auch Vanessa Kamm: „Ich möchte wieder Weggehen, auf Konzerte.“ Sie verstehe die Bedenken anderer. „Ich kann mir schon vorstellen, dass man da Bilder wie beim Contergan-Skandal im Kopf hat“, sagt die 22-Jährige. Über Contergan wird viel im Internet diskutiert. Dabei handelt es sich nicht um einen Impfstoff, sondern um ein Schlaf- und Beruhigungsmittel. Es wurde vor allem bis Ende der 1950er-Jahre auch Schwangeren empfohlen und führte zu schweren Fehlbildungen von Kindern im Mutterleib.

Für sich schätzt Kamm das Risiko momentan gering ein. Sie hat sich gut über die Corona-Impfung informiert, weiß zum Beispiel, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein muss, um einen Schutz zu erreichen. Sie wolle niemanden überzeugen, aber im Gespräch trotzdem ihre Meinung richtig vertreten können. Damit hat sie zumindest ihren Vater beeindruckt. Der wollte erst „kein Versuchskaninchen“ sein, jetzt denke er anders darüber.

Bisher kein Corona-Ausbruch im Heim

Bis jetzt ist man im Wiesentaler Heim gut durch die Krise gekommen. Seit zehn Monaten ist die Einrichtung coronafrei. Unter den Bewohnern gab es noch keine Infektion, nur ein Kollege war erkrankt, sagt Heimleiterin Anja Leier, aber der sei zu dem Zeitpunkt im Außendienst gewesen. Sie ist froh, dass das Virus ihre Einrichtung bislang verschont hat.

Und deshalb ist sie auch stolz auf ihre Mitarbeiter. „Die machen alles dafür“, betont Leier. Dazu gehört, dass sich die Pflegekräfte zweimal in der Woche gegenseitig testen. Und ab jetzt können auch Angehörige nur noch mit negativem Corona-Test und FFP2-Maske zu Besuch kommen.

Urlaub dank Impfung - das überzeugt nicht jeden

Einen Impftermin gibt es für die Einrichtung bisher noch nicht. Sicher ist aber, dass die Pflegekräfte auch noch an diesem Tag abspringen können. Es gibt keine Pflicht für den Piks. Druck vonseiten der Heimleitung gebe es nicht wegen der Impfungen, betonen alle, und keinen Streit deswegen unter den Mitarbeitern.

Und deshalb wurde auch die Entscheidung von Agron Gashi akzeptiert, der sich nicht impfen lassen möchte. „Ich möchte erst einmal abwarten“, sagt er.

Er habe den Entschluss allein für sich gefasst, aber in seinem Freundeskreis denken viele wie er. Manche wollten ihn jedoch vom Gegenteil überzeugen, dass er ohne eine Impfung nicht in den Urlaub fahren könne. Aber das hat ihn nicht umgestimmt.

Hoffen auf umfassende Aufklärung durch Impfärzte

„Uns war es wichtig, alle Informationen so schnell wie möglich mit den Mitarbeitern zu teilen und die nächsten Schritte zu erläutern“, sagt Gashis Chefin Leier. Sie habe ein offenes Ohr für die Ängste ihrer Mitarbeiter, dass sich manche gegen die Impfung entschieden haben, sei ihr gutes Recht, schließlich gebe es keine Impfpflicht.

Eine umfassende Aufklärung und die Beantwortung aller Fragen erhofft sich Leier am Tag des Impftermins von den zuständigen Ärzten. So geht es auch ihrer Kollegin Theresa Machauer: „Ich möchte mich impfen lassen, bin aber schwere Allergikerin. Der Arzt muss mir sagen, ob das daher möglich ist oder nicht.“

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