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Infomesse zur Erdwärme

Die Energiekrise spielt den Geothermie-Plänen in Waghäusel direkt in die Karten

Die Kritiker wollen die Anlagen am liebsten ganz verhindern. Doch das Geothermie-Projekt in Waghäusel nimmt Formen an. Seit Gas, Strom und Öl immer teurer werden, wächst das Interesse enorm.

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Ein oberidisches Kraftwerk für Waghäusel: So könnte die Anlage einmal aussehen. Das meiste spielt sich bei der Tiefengeothermie aber unterirdisch ab. Oben wird die Wärme aus der Tiefe in Strom umgewandelt oder direkt als Fernwärme ins Netz eingespeist. Foto: Animation: SCG-Architekten

Der Blick richtet sich in den nächsten Wochen aus Waghäusel nach Graben-Neudorf: Dort haben die ersten Geothermie-Bohrungen der Deutschen Erdwärme im Landkreis begonnen. Zwei Kilometer weit im Untergrund ist man mit den Rohren schon. 3,5 Kilometer sollen es am Ende werden.

„Wenn es dort funktioniert, funktioniert es mit großer Wahrscheinlichkeit auch hier“, sagt Lutz Stahl. Er ist Geschäftsführer des Karlsruher Unternehmens. Viereinhalb Stunden standen er und sein Team bei einer Infomesse in Waghäusel-Wiesental den Interessierten zur Verfügung. 63 Besucher zählten die Veranstalter am Ende.

Axel Brack zum Beispiel hat ein konkretes Anliegen. Ihm geht es nicht um Wärme, sondern um Kälte, für seine Gewerbehalle. „Wir müssen alle was tun. Der Strom kommt nicht automatisch aus der Steckdose.“ Der Unternehmer zeigt sich der Technologie offen gegenüber.

Das Interesse an unserem Strom und unserer Wärme ist enorm. Wir können was liefern, was andere nicht können.
Susanne Weber, Projektleiterin bei der Deutschen Erdwärme

Theoretisch kann mit der Energie der Erdwärme auch Kälte erzeugt werden. Für Brack hat die Deutsche Erdwärme aber keine gute Nachrichten. „Wird sich vermutlich erst mal nicht rechnen“, bekommt er gesagt.

Trotzdem setzt man künftig gerade auf Abnehmer aus Industrie und Gewerbe. „Wir haben in Waghäusel 80 Unternehmer angeschrieben“, sagt Susanne Weber, die Projektleiterin. Die davon galoppierenden Energiepreise spielen ihrem Team jetzt in die Karten.

Kleines Proseminar in Geologie: Der Geologe der Deutschen Erdwärme, Ulrich Lotz, versuchte den Besuchern der Infomesse zu erklären, wie es um die Erdbebengefahr im Oberrheingraben bestellt ist.
Kleines Proseminar in Geologie: Der Geologe der Deutschen Erdwärme, Ulrich Lotz, versuchte den Besuchern der Infomesse zu erklären, wie es um die Erdbebengefahr im Oberrheingraben bestellt ist. Foto: Christina Zäpfel

„Das Interesse an unserem Strom und unserer Wärme ist enorm. Wir können was liefern, was andere nicht können.“ Weber spricht von lokal erzeugter Energie. Die Firma SEW-Eurodrive als potenzieller Großabnehmer beispielsweise soll in Graben-Neudorf als erstes eine Leitung für die Fernwärme bekommen.

Viele Stadträte diskutieren mit Betreibern und Bürgern

Gerhard und Anette Biedermann treibt das reine Interesse an der Technik zur Infomesse. Sie sind mit erneuerbaren Energien im Haus bereits gut versorgt. „Aber so können wir nicht weitermachen“, sagt Anette Biedermann mit Blick auf die Gesellschaft und den Klimawandel.

Die meisten Besucher scheinen dem durchaus umstrittenen Projekt interessiert, teils wohlwollend gegenüber zu stehen. Auch viele Waghäuseler Stadträte diskutieren mit den Verantwortlichen und mit Bürgern.

Stadt Waghäusel plant eigene Infoveranstaltung

„Das Land muss in die Haftungsbürgschaft mit rein.“ Das fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Herberger. Das könnte die Akzeptanz erhöhen und die Bürger beruhigen.

Roland Liebl pflichtet ihm bei. Der Sprecher der „Unabhängigen“ sieht im Ort gespaltene Meinungen. Man müssen den Leuten zuhören. Tief drin im Thema ist der Fraktionssprecher der Jungen Liste, Jan Patrick Schuhmacher.

Trotzdem kommt er zur Infomesse. Dass er die Sache befürwortet, das Gebiet im Oberrheingraben für günstig hält, habe ihm schon Anfeindungen in sozialen Netzwerken eingebracht. Sein Kollege Liebl begrüßt, dass auch die Stadt für September eine eigene Infoveranstaltung plant.

Gegner fürchten Erdbeben und setzen auf ein Bürgerbegehren

Ob diese die Gegner umstimmen wird, ist fraglich. Vor der Halle haben sich Mitglieder der IG Tiefengeothermie positioniert. Mit 2.600 Unterschriften wollten sie ein Bürgerbegehren erwirken.

Gegen die abschlägige Entscheidung des Waghäuseler Gemeinderats haben sie mittlerweile Widerspruch eingelegt. Karin Linowski-Rother und ihre Mitstreiter zeigen sich im Gespräch mit den BNN zuversichtlich. Zur Not will man Klage einreichen.

IG Tiefegeothermie
Sie wollen die Anlage in Waghäusel verhindern: Mitglieder der IG Tiefengeothermie wehren sich gegen das Projekt und haben bei der Infomesse vor der Halle Stellung bezogen. Foto: Christina Zäpfel

Bei der IG fürchtet man unter anderem, dass die Bürger bei möglichen Schäden, ausgelöst durch Erdbeben, auf den Kosten sitzen bleiben. Auch treibt die Sorge ums Grundwasser die IG um.

„Wir Bürger sehen keine flächendeckenden Wärmenetze in der Stadt“, so ein weiterer Kritikpunkt. Außerdem fürchten sie eine spätere Förderung von Lithium. Das erhöhe die Erdbebengefahr, ist man sich sicher.

Geothermie-Anlage in Waghäusel soll permanent überwacht werden

In der Halle hält derweil Ulrich Lotz eine Art geografisches Proseminar. Die große Frage: Kann die Tiefengeothermie-Anlage in Waghäusel Erdbeben auslösen?

Die Verantwortlichen argumentieren mit der überaus geeigneten Geologie im nördlichen Landkreis, mit einer engmaschigen und permanenten Überwachung durch eigene Geräte und durchs Bergamt.

Das Verfahren von Graben-Neudorf und Waghäusel, sowie der Untergrund hier, unterschieden sich elementar von den Bedingungen an gescheiterten Anlagen wie in Stauffen.

Hechinger Erdbeben wurde an der Messstadion in Graben-Neudorf gemessen

Über Lotz’ Laptop beugen sich Stadträte und Gegner gleichermaßen. Sie begutachten den Untergrund Waghäusels. Es geht um den Schub der Alpen, um Druck und Zug, um Platten-Tektonik, Riegel-Abbrüche, um Buntsandstein und ums Heidelberger Loch.

„In Graben-Neudorf wurde vor Kurzem ein Erdbeben gemessen“, wirft ein Bürger ein. Lotz bestätigt. Die Messanlagen der Deutschen Erdwärme hätten das Beben in Graben-Neudorf aufgezeichnet. Es handele sich aber um das Erdbeben am 11. Juli in Hechingen im Zollern-Albkreis mit einer Stärke von 4,1.

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