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Angriffe auf Städte und Dörfer

Lage in der Ukraine erinnert drei Waghäuseler an eigene Kriegserlebnisse

Sie haben als Kinder das Kriegsende 1945 in Waghäusel erlebt. Die Berichte aus der Ukraine wecken die Erinnerungen an schreckliche Szenen. Wir haben drei Senioren in Waghäusel zugehört.

Im Mittelpunkt der Erinnerungen an die eigenen Kriegserlebnisse: die 1945 brennende Pfarrkirche von Wiesental (Archiv Schmidhuber)
Im Mittelpunkt der Erinnerungen an die eigenen Kriegserlebnisse: die 1945 brennende Pfarrkirche von Wiesental (Archiv Schmidhuber) Foto: Werner Schmidhuber (Archiv)

Wenn sie die Bilder im Fernseher sehen, erinnern sich die drei Waghäuseler – „als wäre es gestern gewesen“ – an den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, den sie als Kinder und Jugendliche miterlebt haben.

Sie sprechen von einer „Wiederkehr traumatischer Erlebnisse“ und haben teils die Bombenabwürfe über Wiesental vor Augen.

Das, was sie täglich über die Zerstörungswut in der Ukraine erfahren, wirft die Senioren aus Waghäusel wieder in die Kriegsjahre zurück.

Ja, ich fürchte mich, dass uns wieder das Gleiche blüht.
Helga Weick, 90-Jährige

Helga Weick war damals 13 Jahre alt, Herbert Ritter war sechs Jahre und Lothar Weis acht, als sie das Kriegsende hautnah miterlebt haben. Sie können sich noch an alle Einzelheiten erinnern. Als sogenanntes Jungmädl war die kleine Helga mit ihrem Schlitten zu einer verordneten Kleidersammlung in der Poststraße unterwegs, als am 21. Januar 1945 plötzlich Bomben auf Wiesental fielen.

„Wir Mädchen kamen nicht zu Schaden. Doch wir erfuhren später, dass etwa 150 Gebäude zerstört wurden und 55 Menschen, darunter auch Kinder, ihr Leben verloren haben“, sagt Helga Weick.

Helga Weick
Helga Weick Foto: Werner Schmidhuber

Sie habe damals ganz große Angst, bekennt die jetzt 90-Jährige. „Das brutale Gemetzel in der Ukraine und die zerbombten Häuser erinnern mich jeden Tag an die Kriegsjahre in meiner Jugend. Als wir bei Fliegeralarm im dunklen Keller Schutz suchten. Ja, ich fürchte mich, dass uns wieder das Gleiche blüht.“ Putin sei für sie der zweite Hitler.

Herbert Ritter
Herbert Ritter Foto: Werner Schmidhuber

Herbert Ritter räumt ein, dass ihm die Tränen kommen, wenn er das Leid der Ukrainer sieht. Alle Erlebnisse kochen dann hoch. Beim Artilleriebeschuss durch die Franzosen am Palmsonntag 1945 war die Rückwand der Wohnung in der Mannheimer Straße 19 eingestürzt, er trug eine große Beule am Kopf davon.

„Wären wir im Keller verharrt, wie noch eine Stunde zuvor, würden wir nicht mehr leben. Die Mauer hätte uns begraben.“ Vom Garten aus sah er die brennende Pfarrkirche und den zusammenbrechende Kirchturm.

Bereits 1944 hatte der Junge einen Angriff sogenannter Jagdbomber erlebt, als er auf einem Spargelacker stand und beschossen wurde. „Wir lagen in den Furchen und zitterten um unser Leben.“ Seine Stimme versagt, wenn er erzählt, wie Franzosen zerlumpte deutsche Kriegsgefangene durch Wiesental führten und diese abgemagerten Gestalten „Hunger, Hunger“ riefen.

Lothar Weis
Lothar Weis Foto: Werner Schmidhuber

Auch Lothar Weis kämpft mit seinen Erinnerungen. Die russischen Raketenangriffe auf die Zivilbevölkerung in der Ukraine versetzen ihn in Kriegsjahre zurück. Es sei die Wiederkehr von Ereignissen: „Wie damals, so meine ich auch heute, unter den Tisch stürzen zu müssen, wenn ich in den Nachrichtsendungen eine Sirene oder einen Knall höre.“

Als sei es gestern gewesen, so berichtet er von dem „unauslöschbaren Ereignis“, dass vor seinem Elternhaus tagelang ein toter Soldat aus einem offenen Fahrzeug hing.

Auch sind ihm die gefährlich nahen Bombenabwürfe noch präsent. Immer noch nicht verkraftet habe er das einprägende Bild, wie Einwohner aus der Nachbargemeinde Rot mit blutverschmierten Binden hilfesuchend durch die Straße gewankt seien. „Derzeit habe ich erhebliche Probleme mit dem Einschlafen“, sagt Lothar Weis.

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