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Beschwerde eines Bürgers

Dem Bienensterben zum Trotz: Warum in Bruchsal blühende Wegränder gemäht werden

Deutsche Gründlichkeit gegen Rücksicht auf Ökologie: Warum eigentlich müssen die Ränder von Feldwegen so gründlich gemäht werden? Das fragt sich ein Bruchsaler Bürger aus Heidelsheim. Er kritisiert, dass selbst neben unbefestigte Wegen den blühenden Pflanzen kein Raum gegeben wird. Trotz vieler Klagen über Artenrückgang bei Insekten und Vögeln. Die Stadt Bruchsal verweist auf rechtliche Regeln für den öffentlichen Verkehrsraum, die das Mähen notwendig machen. Aber es gibt zu dem Ansätze für mehr Rücksicht auf Randstreifen - innerhalb eines örtlichen Programms für mehr Artenschutz und Biotopvernetzung.

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Das schlechte Beispiel: Schmaler Randstreifen mit wenig Platz für mehr als Gras: Am Braunwiesenweg in Bruchsal Richtung Heidelsheim fehlt eine Fläche für Blütenpflanzen zwischen Straße und Acker. Foto: Stadt Bruchsal

Deutsche Gründlichkeit gegen Rücksicht auf Ökologie: Warum eigentlich müssen die Ränder von Feldwegen so gründlich gemäht werden? Das fragt sich ein Bruchsaler Bürger aus Heidelsheim. Er kritisiert, dass selbst neben unbefestigten Wegen den blühenden Pflanzen kein Raum gegeben wird. Trotz vieler Klagen über Artenrückgang bei Insekten und Vögeln.

Die Stadt Bruchsal verweist auf rechtliche Regeln für den öffentlichen Verkehrsraum, die das Mähen notwendig machen. Aber es gibt zudem Ansätze für mehr Rücksicht auf Randstreifen - innerhalb eines örtlichen Programms für mehr Artenschutz und Biotopvernetzung.

Keine Chance für die Wilde Möhre?

Bei Rundgängen durch die Kraichgaulandschaft hatte Willi Richter zuletzt nicht nur Freude im Grünen. Am Wegesrand fand er einigen Ärger. „Warum muss der Traktor der Stadt Bruchsal selbst an unbefestigten Graswegen alles kurz und klein mulchen?“, fragt der Heidelsheimer. Ihn stört die „deutsche Gründlichkeit“ beim Frühjahrsschnitt.

Er kann nicht nachvollziehen, dass wertvolle Insektenpflanzen wie Schafgarbe, Wilde Möhre oder die Ackerwitwenblume im Mai oder Juni keine Chance hatten: „Das ist das Original der Natur und das sollte erst nach dem Ende der Vegetationsperiode gemäht werden.“ Richter fordert von der Stadtverwaltung, weniger für saubere Landschaft und mehr auf Blütenvielfalt am Rand zu setzen.

Feldwegrand gilt als Verkehrsraum

Zu wenig „wilde Natur“ zwischen Zersiedelung und intensiver Ackernutzung gilt als Hauptursache für Artensterben. Und 42 Prozent aller Insektenarten gelten als gefährdet, extrem selten oder ausgestorben.

Wie geht also Bruchsal angesichts solcher Zahlen mit den Wegerändern um? Haben sich die Mäher aus Tradition wieder ordentlich ins Zeug gelegt? Andererseits wünschen genau das viele Bürger, weiß die Stadtverwaltung.

„Weil Feldwege zum öffentlichen Verkehrsraum gehören, sind wir verpflichtet, für Sicherheit zu sorgen. Wenn der Bewuchs der Bankette ins Kraut schießt, dann wird je nach Priorität gemulcht“, sagt Leif Pötzsch. Sonst würde irgendwann das Gras bei Nässe in die Wege gedrückt. Und das sei gefährlich. „Selbst unbefestigte Feldwege sind oft stark genutzt und werden ebenfalls berücksichtigt bei unseren Touren“, so der im Stadtbauamt für Grün- und Landschaftspflege zuständige Pötzsch.

Immerhin 600 Kilometer Feldwegenetz sind in allen Bruchsaler Stadtteilen zu betreuen. Um die 75 Zentimeter am Fahrbahnrand werden meist freigehalten. Dass zwischen Weg und Acker zu wenig Platz für bunten Bewuchs ist, hat auch historische Gründe.

Flurbereinigung ließ keinen Platz für mehr Grünstreifen

In der Flurbereinigung der 1970er Jahre seien die Ränder zu schmal gehalten worden, konstatiert Pötzsch. Er verweist darauf, dass Kräutervielfalt noch im zweiten Aufwuchs, nach dem Mähen im Frühjahr, entsteht. Und überall da, wo beispielsweise eine hohe Böschung die Wege einfasst, werde sie erst im Spätjahr gemulcht. Ist Willi Richters Beschwerde also übertrieben, alles auf gutem und ökologischen Weg in Bruchsal? Nicht ganz.

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Gutes Beispiel für Ökologie am Feldwegrand: An der Obstbaumallee am Siedlerweg Bruchsal ist Raum für das Bankett plus einen Blühstreifen. Foto: Stadt Bruchsal

Aktionsprogramm gegen Insektensterben in Bruchsal

Schließlich hat der Gemeinderat kürzlich ein „Aktionsprogramm gegen Insektensterben und Artenverlust“ verabschiedet. Bis 2022 läuft eine Kampagne. Sogar eine Fachkraft wird noch dieses Jahr eingestellt. „Und Wege haben einen hohen Wert für die Biotopvernetzung. Die Wegränder sind wichtiger geworden“, sagt Renate Korin von der Umweltstelle im Stadtplanungsamt. Künftig will die Verwaltung also genauer untersuchen, was wo wächst und wie mehr Rücksicht beim Mähen möglich ist. Grundstücksbesitzer und Nutzer müssen ebenfalls unterstützend mitwirken.

"Tendenziell wird oft zu früh gemäht"

Peter Garbe vom Naturschutzverband Agnus Bruchsal findet übrigens, dass tendenziell doch an manchen Stellen zu früh gemäht wird. Obwohl es an Hohlwegen viele Beispiele für Rücksicht auf Naturvielfalt gibt. Mit den Wege-Vorschriften zum Mähen aber kann Willi Richter seinen Frieden nicht machen. Er findet: Ein Randbewuchs auf Zeit müsste möglich sein.

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So kann es gehen: Der Fahrbahnrad in diesem kleinen Hohlweg Richtung Michaelsberg ist gemäht, an der Böschung darf es blühen. Foto: pr

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