Man nehme ein Schloss mit Park, laue Sommernächte und Livemusik, und schon hat man alle Zutaten für ein Open-Air-Festival. Um das 300-jährige Jubiläum des Bruchsaler Barockschlosses zu feiern, wird bei der Festivalwoche bis zum 7. August in großen Dimensionen gedacht.
Über 2.700 Sitzplätze im Schlossgarten, dazu die Bruchsaler Version einer Seebühne. Nur dass eine barocke Wasseranlage nicht ganz mit dem Bodensee mithalten kann und selbst über 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer, die sich über die Sitzplätze an „Nordufer“, „Südufer“, Terrassen und Tribünen verteilen, in der Fläche fast ein bisschen verloren wirken.
Magie des Schlosses Bruchsal entfaltet sich in der Dämmerung
Der Atmosphäre tat das keinen Abbruch, spätestens mit dem Einbruch der Dämmerung begann die Magie des Ortes zu wirken. Musikalisch glanzvoll gab es zu Beginn des Festivalwochenendes am Freitag eine Lohengrin-Gala und Beethovens siebte Sinfonie.
Mit Simone Schneider und Klaus Florian Vogt, der sich kurz vor der Premiere der „Walküre“ am 1. August in Bayreuth, wo er den Siegmund singt, die Zeit für einen Abstecher nach Bruchsal nahm, standen zwei erfahrene Wagner-Interpreten auf der Bühne. Unter der Leitung von Thomas Guggeis schuf das Orchester der Staatsoper Stuttgart die märchenhaft flirrende Stimmung, in der Lohengrin und Elsa, frisch verheiratet, zum ersten Mal allein sind.
Opernkenner wissen, dass aus der Hochzeitsnacht nichts wird. Gralsritter Lohengrin darf unter normalen Sterblichen nur so lange weilen, wie seine Identität nicht bekannt wird. Und Elsa, die er gerade vor dem Tod gerettet und geheiratet hat, will natürlich wissen, mit wem sie ihr Leben teilen wird. Schneider und Vogt gestalteten die Auseinandersetzung packend.
Simone Schneider zog als Elsa stimmlich alle Register, um durch Schmeichelei, Schwüre und Verdächtigungen dem Bräutigam den Namen zu entlocken. Klaus Florian Vogt bestach durch weiche, warme Töne in feinem Piano und vermittelte damit überzeugend, wie verliebt Lohengrin in Elsa ist. Meisterhaft zeichnete er gesanglich die zunehmende Verzweiflung Lohengrins, der erkennen muss, dass Elsas Neugier größer ist als ihr Vertrauen in ihn.
Orchester der Staatsoper Stuttgart zeigt sich schwungvoll
Das Orchester der Staatsoper Stuttgart begeisterte danach durch eine ausgesprochen frische, lebendige und differenzierte Interpretation der 7. Sinfonie von Beethoven. Die klang so schwungvoll, rhythmisch federnd und mitreißend, dass deutlich wurde, dass Beethoven zu Lebzeiten ein musikalischer Bilderstürmer gewesen sein muss.
Am Samstag gab sich der Jazztrompeter Till Brönner mit Band die Ehre. Ob in der Region mehr Jazz- als Klassikfans zu Hause sind oder der Samstag einfach der bessere Termin war, der Publikumszuspruch war deutlich größer. Tiefenentspannt erklangen erst einmal ein paar Klassiker wie Gilbert Becauds „C’est en septembre“.
Dann nahm Till Brönner, der den Abend mit trockenem Humor moderierte, das Publikum mit auf eine persönliche musikalische Reise. An die Arbeit an seinem neuesten Album, das 2019 in Südfrankreich entstand, erinnerte Brönner mit „Lemonade“. Ob neue oder ältere Stücke, Brönners Zauberkünste auf der Trompete und dem Flügelhorn waren einfach faszinierend. Ebenso wie die Tatsache, dass Saxofonist Mark Wyand musikalisch auf fast alles eine Antwort wusste. Brönner und die Musiker der Band waren bestens aufeinander eingespielt. Jeder Titel erhielt einen eigenen Sound, eigene Klangfarben.
Fast wie ein Hörspiel
„Europa“ wuchs sozusagen organisch über dem uhrwerkartigen Beat des Schlagzeugers und eigenwilligen Geräuschen, fast wie ein Hörspiel, zu einem üppigen Klang an. Im musikalischen Ausflug nach Brasilien wechselten Brönner und Band von lässigem Groove zu frechen südamerikanischen Rhythmen.
Schlagzeuger David Haynes brillierte in seinen Soli als absoluter Meister seines Fachs, gern auch zusammen mit dem Bassisten Christian von Kaphengst. Die Technik zauberte zum Jazzabend abwechslungsreiche Bilder auf die Leinwand im Bühnenhintergrund.
Ein perfekter Abend. Nichts gegen den Kammermusiksaal im Schloss, aber so etwas open air könnte man, in kleinerem Rahmen, gerne jeden Sommer im Bruchsaler Schlosspark haben.