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Ausschreibung für Abriss läuft

Zuckersilos in Waghäusel sollen 2021 verschwunden sein

In jahrelangen Debatten wurde in Waghäusel über den Abriss der Zuckersilos auf dem Eremitage-Gelände diskutiert. Nun ist das Ende der Betonriesen eingeleitet. Die Ausschreibung für den Abriss läuft. Er soll nach den Vorstellungen der Stadt im Frühjahr beginnen und Anfang 2021 abgeschlossen sein.

 In Waghäusel umschloss die Zuckerfabrik seit 1837 das Schlösschen Eremitage. Die Betonsilos als Zuckerlager stammen von 1970 und stehen seit 2004 ungenutzt. Ihr Abriss soll zwei Millionen Euro kosten. Rechts im Hintergrund die Philippsburger Kühltürme, die in diesem Jahr gesprengt wurden.
Eine merkwürdige Nachbarschaft war lange gut: In Waghäusel umschloss die Zuckerfabrik seit 1837 das Schlösschen Eremitage. Foto: Martin Heintzen

Sie sind über 50 Meter hoch und haben einen Durchmesser von 34,5 Metern. Sie bilden ein Markierungsduo in der Rheinebene und sie stehen noch symbolisch für eine lange örtliche Industriegeschichte: Die ungenutzten Silos der einstigen Zuckerfabrik Waghäusel. Gerade wurde ihr Ende eingeleitet. Es läuft die Ausschreibung für den Abriss durch eine kompetente Firma. Nach den Unterlagen der Großen Kreisstadt Waghäusel würde im Frühsommer mit dem Abtragen begonnen. Anfang 2021 wäre reiner Boden gemacht auf dem Gelände der Eremitage.

Wahrzeichen oder Schandfleck?

Eine jahrelange Diskussion für und gegen den Abriss wäre dann mit einem erkennbaren Ergebnis beendet. Vor fünf Jahren wurde die Beseitigung der Lagerstätten für den aus Rüben gewonnenen Zucker beschlossen. Die Silos stammen aus dem Jahr 1970 sie wurden bis 2004 von der Firma Südzucker genutzt.

Die Produktion in Waghäusel wurde schon 1995 eingestellt. Nach einer Tradition von 150 Jahren. Deshalb bildeten die Türme im kleinsten Teil der Stadtgemeinschaft von Kirrlach, Wiesental und Waghäusel eine Art geschichtliches Wahrzeichen. In der Industriebrache rund um das Schlösschen Eremitage sahen andere aber auch einen unnötigen Schandfleck.

"Abriss besser spät als nie"

„Es ist höchste Zeit geworden, dass der Abriss angegangen wird, besser spät als nie. Je länger wir warten, desto teurer wird er. Und es ist besser, wenn die Eremitage nicht mehr erdrückt wird in der Ansicht“, sagt Uli Ross, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat. Seine Partei, sowie FWV und Junge Liste setzten den Beschluss 2013 durch.

OB Heiler: Türme sind nicht baufällig

Gegen den Willen von Oberbürgermeister Walter Heiler (SPD) und der Fraktion seiner Partei. Um Deutungshohheit und Durchsetzungskraft zwischen politischen Konkurrenten ging es damals anhand der Bauwerke. Es wurden Folgenutzungen vorgeschlagen, die ohne Investor nicht umzusetzen waren.

Der Einsatz von Künstler Jürgen Goertz für die „grandiose Bauwerke“ änderte die Entwicklung ebenfalls nicht.

„Ich halte heute noch den Abriss für nicht notwendig. Die Türme sind nicht baufällig und das Geld könnten wir dringender für Zukunftsinvestitionen in Schulen und Kindertagesstätten brauchen“, meint OB Heiler. „Aber es ist wirklich Ansichtssache, ob die Silos ein schönes Bauwerk der Erinnerung darstellen oder nicht.“

Mobilfunk verzögerte früheren Abriss

Dass vom Beschluss für die Beseitigung bis zur Ausschreibung so viele Jahre vergingen, liegt mit daran, dass zwei Mobilfunkanbieter die Silos für ihre Sendemasten nutzte. Eine Gesellschaft verfügte über einen Vertrag bis Ende 2022. Doch „Telefonica“ ist bereits 2019 als Silo-Nutzer ausgestiegen. Freiwillig, ohne dass Waghäusel fürs frühere Vertragsende zahlen musste.

Apropos Zahlen: Zwei Millionen Euro sind seit 2018 im Haushalt für den Abriss eingestellt. Die Türme bestehen aus Stahlbeton mit dünner Styroporschicht außen. Wobei im Inneren wiederum ein zweiter Silo eingeschlossen ist.

Laut Waghäusels Bauamtsleiter Marco Haag ist die Bausubstanz noch intakt, sodass der Abbruch keine Probleme machen müsste. Natürlich stehe in der Ausschreibung die Rücksicht auf die Eremitage und die Kavaliershäuschen mit Ausstellungs- und Vereinsräumen sowie der Musik- und Singschule. Sie ist im ehemaligen Labor der Fabrik untergebracht.

Schloss und Fabrik

Im Jahr 1837 erwarb die „Badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation“ das Gelände der Eremitage Waghäusel. Also jene Fläche zwischen Waghäusel und Oberhausen, die seit 1730 mit dem Jagdschloss des Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn bebaut ist.

Der Herrscher nutzte das  Sechzehneck mit Kuppelsaal auch als Rückzugsraum – deshalb sprach man von der Eremitage. Zumal das Kapuzinerkloster ein passender Nachbar war. Es entstanden außerdem vier barocke Kavaliershäuser um das Schlösschen herum.

Die Eremitage fiel 1803 an den badischen Staat. Dass in Waghäusel drumherum eine deutschlandweit bedeutende Fabrik mit bald bis zu 1.000 Beschäftigen entstand, liegt am Siegeszug einer neuen Zuckergewinnung.

Von der Runkel- zur Zuckerrübe

Erst nach 1800 wurde die Erkenntnis genutzt, dass Zucker nicht nur aus dem karibischen Zuckerrohr gewonnen werden kann, sondern aus den heimischen Runkelrüben.

Die Zuckerfabrik eroberte die Eremitage, sie umschloss aber auch die historischen Gebäude, die als Büros dienten und bei Umbauten im Inneren weitgehend erhalten wurden. Und es gab denkmalgerechte Sanierungen ab 1990. Das als örtlicher Arbeitgeber begehrte Unternehmen Südzucker baute 1970 die beiden Zuckersilos, die zu Wahrzeichen in der Region wurden.

Südzucker beendete Produktion

Die Produktion des süßen Stoffs in Waghäusel endete 1995. Danach wurden die Firmengebäude nach und nach abgerissen. Die Silos bleiben bis 2004 genutzt. Die Stadt kaufte das Gelände 1997 für einen Euro.

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