
Johann Bückler, besser bekannt als „Schinderhannes“, kann man bis heute begegnen – zumindest dem, was von ihm noch erhalten ist. Der Räuberhauptmann, der um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert im Hunsrück sein Unwesen trieb, wurde am 21. November 1803 mit 19 seiner Kumpane in Mainz durch ein Fallbeil hingerichtet.
Skelette wurden 1805 nach Heidelberg gebracht
Unter den etwa 30.000 Zuschauern befanden sich auch etliche Wissenschaftler, darunter Jacob Fidelis Ackermann. Der Anatom konnte sich zwei der Leichname für seine Forschungen sichern. Sorgfältig präparierte er die Skelette und brachte sie 1805 mit nach Heidelberg, als er dort auf den Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie berufen wurde.
Bis heute sind sie Bestandteil der Dauerausstellung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie, auch wenn es mittlerweile ernsthafte Zweifel gibt, ob es sich tatsächlich um das Skelett des Schinderhannes handelt, was da zu sehen ist. Eine geplante Gesichtsrekonstruktion wird da vielleicht genaueren Aufschluss geben.
Geschichte der Anatomie und Präparationstechniken
In der Ausstellung des Instituts bilden die Skelette des berüchtigten Räubers und seines Kumpanen die Ausnahme und nicht die Regel. Die primär der Ausbildung angehender Ärzte gewidmete Sammlung stellt nicht das Sensationelle, Skurrile oder Absonderliche in den Vordergrund, sondern sucht vor allem ein Bild des anatomisch Normalen zu vermitteln.
Ihr zweites Ziel ist daneben die Darstellung des Wandels der dazu vorhandenen Möglichkeiten. Es geht damit ebenso um die Geschichte der Anatomie und die im Laufe der Zeit entwickelten Präparationstechniken wie um die Präparate selbst. Vor diesem Hintergrund markieren die beiden Skelette einen Ausgangspunkt: Mit Ackermann begann die moderne Anatomie in Heidelberg.
Verschiedene Möglichkeiten der Konservierung
Einen Schwerpunkt der Sammlung bilden eine Vielzahl von Skeletten oder Skelettteilen, denn lange Zeit war es das Einfachste, nur die Knochen Verstorbener zu konservieren. Hinzu traten dann nach und nach Feuchtpräparate und Einbettungen in Wachs, später Kunstharz.
Modelle ganz eigener Anschaulichkeit und Ästhetik waren schließlich durch Korrosion zu gewinnen: Den Gefäßen eines Organs, etwa der Milz, werden erhärtende farbige Flüssigkeiten eingespritzt. Nach deren Erhärtung wird dann das Gewebe durch Einsatz etwa von Kalilauge entfernt. Es bleibt dann nur das filigrane Geflecht der farbig-plastischen Blutgefäße.
Die bis in die 1950er Jahre hinein üblichen Dauerpräparate wurden dann zunehmend durch Kunststoffmodelle ersetzt. Erst das Anfang der 1980er Jahre entwickelte Verfahren der Plastination führte wieder zum verstärkten Rückgriff auf reale Körper und Körperteile.
Menschen stellen sich für die Forschung zur Verfügung
In der Ausbildung der Mediziner ist dieser Rückgriff auf die Sektion realer Körper bis heute unverzichtbar. An der Universität Heidelberg besteht heute pro Jahr ein Bedarf von 50 bis 60 Leichnamen, wie Sara Doll, die Leiterin des Präparatoriums und Betreuerin der Dauerausstellung, erläutert. Jahrzehntelang war es recht schwierig, eine ausreichende Zahl von Toten zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Die gesetzlichen Vorschriften etwa zur Ablieferung von Hingerichteten oder Selbstmördern reichten kaum aus. Seit man auf ein System von Freiwilligkeit umgestellt hat, sieht die Sache ganz anders aus; die Anatomie hat in dieser Hinsicht keine Probleme mehr.
Oft gibt es keine Biografien mehr zu den Präparaten
Es sind nicht nur die Modelle und die sorgfältigen Beschriftungen, die den Besuch der Dauerausstellung des anatomischen Instituts zu einem Erlebnis machen, dazu gehören auch die detailreichen Erläuterungen von Doll, die zudem gerne auch auf spezielle Wünsche reagiert und dazu auf ihre reichen Depotbestände zurückgreifen kann.
Selbstverständlich ist es bei den meisten der älteren Präparate nicht mehr möglich, auf konkrete Biografien zurückzugreifen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Bis heute hat sich etwa die linke Hälfte des Kopfes eines Selbstmörders erhalten, der sich am 13. März 1877 im Bruchsaler Zuchthaus erhängte.
Derartige Zusammenhänge zu erhellen, bilden ein spezielles Interesse der Wissenschaftlerin, die dazu zum Stammgast regionaler Archive geworden ist und in Bruchsal auch auf den Fall Jakob Schwäbles stieß, dessen Ausbruchsversuch 1871 zu einem Großbrand im Zuchthaus führte.