Kreative Zuversicht und organisatorische Vorsicht kennzeichnen die aktuelle Situation an der Badischen Landesbühne (BLB) Bruchsal. Das Theater hat für die seit 15. Juni laufenden Proben ebenso ein Hygienekonzept erstellt wie für die ab 24. September geplanten Aufführungen.
Los geht es mit einem Skandal. Henrik Ibsens Stück „Ein Volksfeind” sorgte bei seiner Uraufführung 1883 in Oslo für Verwerfungen. Die BLB hat es als brandaktuellen „Ökokrimi” für sich entdeckt. Regisseur und Intendant Carsten Ramm sitzt bei den Proben hinter einer Plexiglasscheibe, die Akteure tragen Visiere. „Vorerst wird auf der Bühne weder geküsst noch handgreiflich gezofft”, sagt er.
Die Abstandsregeln sind tägliche Herausforderung. Hofft der Intendant, dass Theatermachen bald viel leichter wird und das Publikum wieder auf die umgestalteteten Sitzreihen strömen darf? Prognosen mag er nicht abgeben, dazu sei die Lage viel zu dynamisch.
Spielzeit steht unter dem Motto „nicht wahr?”
Mit der ganz eigenen Dynamik geht die Landesbühne in diesen Tagen an die Öffentlichkeit. Gerade hat sie ihr Spielzeitenheft in Zeitungsform veröffentlicht. Auf zwölf Seiten gib es Informationen zur Spielzeit, die ab 9. September offiziell läuft und unter dem Motto „nicht wahr?” steht. Denn Fragen nach Wahrheit und Lüge sind zeitlos. Sie werden in sozialen und technischen Umbruchsituationen immer neu gestellt.
Eine Plakataktion „Wir freuen uns auf Sie” ergänzt die sommerlichen Aktivitäten. Der Juli ist normalerweise bei der BLB die Zeit für Freilichtaufführungen. Im Vorjahr verführten „Don Camillo und Peppone” nicht nur Katholiken und Kommunisten zu viel Heiterkeit im Schlosspark. Im Juli 2020 fallen die 70 besonders ertragreichen Stücke im Freien aus, bedauert Verwaltungsleiter Norbert Kritzer.
Insgesamt 150 Vorstellungen musste er streichen. Die Folge: Ein Verlust von 150. 000 Euro bei Einnahmen - und dabei sind die Einsparungen schon eingerechnet. Die nächste Folge sind Kurzarbeit, Einsparungen, aber auch Solidarität von Publikum und Sponsoren.
Die Junge Landesbühne zeigt vorerst Wiederaufnahmen
Die Treue des Publikums wird aber ab Herbst weiteren Prüfungen unterzogen: Beliebte Formate fallen weg. Dazu zählen die Stückeinführungen, Publikumsgespräche, Sonntagsmatineen und die Bürgertheatergruppen. Die kleineren Spielstätten in Bruchsal stehen nicht zur Verfügung. Aber neue Geschichten im Großen Haus sind keineswegs gestrichen.
Also kommt es im frühen Herbst zu den weiteren Premieren „Die zweite Frau” von Nino Haratischwili und „Der Verlorene” von Hans-Ulrich Treichel. Die Junge BLB muss dagegen noch warten mit ihren Vorhaben. Schließlich ist unklar, wann Schülerinnen und Schüler wieder gemeinsam ins Theater dürfen. Deshalb, so Jörg Bitterich, werden erst Mal keine neuen Produktionen gezeigt.
Statt dessen kommt es zu Wiederaufnahmen. Bitterich, der Leiter der Jungen BLB, verweist darauf, dass die meisten Inszenierungen mobil funktionieren. Sollte sich aber auch im November „Meisterdetektiv Kalle Blomquist” nicht um einen Juwelendiebstahl kümmern können, wolle man ein digitales Format aufbauen. Sofern das Kultusministerium mitzieht.
Urgestein Norbert Kritzer sieht eine Chance in der Krise
Mit neuen Ideen müssen und wollen die Theatermacher reagieren. Steckt dahinter auch eine Chance für Weiterentwicklung? Norbert Kritzer ist seit 31 Jahren bei der BLB. Er hat schon viel mitgemacht, inklusive anderer Krisen. Deshalb gibt er im Spielzeitenheft seine Meinung von der Krise als Chance des Theaters wieder.
Für die Gesamtgesellschaft zeigt sich Carsten Ramm skeptischer. Aber politische und wirtschaftliche Strukturen könnten jetzt hinterfragt und neu gestaltet werden, meint der Intendant.
Das Spielzeitenheft wird in Bruchsal und Umgebung ausgelegt, findet sich auf der Homepage der Badischen Landesbühne und kann beim Theater bestellt werden.