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Baubeginn vor 80 Jahren

Hitlers Basis im Schwarzwald: das Führerhauptquartier „Tannenberg“

Das Führerhauptquartier „Tannenberg“" war die Basis von Adolf Hitler im Schwarzwald, direkt an der Schwarzwaldhochstraße. 1940 kam Hitler für einige Tage persönlich vorbei. Während seines Besuchs veränderte er das Gau Baden – und er empfing Zivilistinnen aus Oppenau.

Zu Besuch im „Tannenberg“: Josef Bürckel (von links nach rechts), Gauleiter Pfalz, Hans Heinrich Lammers, Minister, Martin Bormann, Privatsekretär, Robert Wagner, Gauleiter Baden-Elsass, Adolf Hitler und Reichsjugendführer Baldur von Schirach.
Zu Besuch im „Tannenberg“: Josef Bürckel (von links nach rechts), Gauleiter Pfalz, Hans Heinrich Lammers, Minister, Martin Bormann, Privatsekretär, Robert Wagner, Gauleiter Baden-Elsass, Adolf Hitler und Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv

Schwarzwaldhochstraße, Parkplatz an der Zollstockhütte: An einem kühlen Novembernachmittag erinnern die Grindenflächen des Nationalparks, die sich vor dem Wald im Nordwesten erstrecken, an die Flora in den schottischen Highlands. Nichts lässt darauf schließen, dass Soldaten der Wehrmacht diesen Fleck während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Maschinengewehren ins Fadenkreuz nahmen.

Die Flora am Parkplatz an der Zollstockhütte erinnert an die schottischen Highlands.
Die Flora am Parkplatz an der Zollstockhütte erinnert an die schottischen Highlands. Foto: Julius Sandmann

Denn vor 80 Jahren, im Herbst 1939, begann ganz in der Nähe der Bau des Führerhauptquartiers „Tannenberg“ auf dem Kniebis. Während seines Besuchs 1940 traf Adolf Hitler in seiner Basis an der Schwarzwaldhochstraße Entscheidungen, die sich auch auf Karlsruhe auswirkten.

Friedrich Wein wandelt als personifiziertes Schwarzwald-Lexikon über einen steinigen Weg in Richtung Waldrand. Der 51-Jährige kennt das Gebiet so gut wie die Taschen seiner schwarzen Outdoor-Jacke, die er gegen den eisigen Wind trägt.

Friedrich Wein kennt das Gebiet rund ums Führerhauptquartier „Tannenberg“ wie die Taschen seiner Outdoor-Jacke
Friedrich Wein kennt das Gebiet rund ums Führerhauptquartier „Tannenberg“ wie die Taschen seiner Outdoor-Jacke Foto: Julius Sandmann

Für den Nationalpark führt und informiert er auch Touristen. „Der Standort ist bekannt – auch international –, aber er ist dennoch nie ein Wallfahrtsort der Neonazis geworden“, erzählt Wein in Bezug auf „Tannenberg“.

„Tannenberg“ hat drei Bedeutungen

Hier oben, auf 940 Metern Höhe, hat der Name eine dreifache Bedeutung. „In der Nähe des gleichnamigen Ortes in Ostpreußen hat der Deutsche Orden 1410 gegen polnische Reiter verloren“, berichtet Wein, der hauptberuflich als Architekt bei einer Baurechtsbehörde in der Region Stuttgart arbeitet. Im Ersten Weltkrieg besiegten die Deutschen unter den Generälen Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg bei Tannenberg die russischen Truppen, fügt er hinzu, „und: Wenn wir hier den Blick schweifen lassen, sehen wir, dass die Tanne ein uralter Schwarzwälder Baum ist.“

An einer Weggabelung biegt Wein nach Westen ab und weist direkt auf einen am Waldboden liegenden Betonstreifen hin, der derart überwuchert ist, dass Wanderer ihn leicht übersehen. „Das ist das erste feste Bauwerk. Und zwar war das ziemlich sicher ein Munitionsbunker der Flugabwehrstellung“, erläutert er und zieht ein Buch aus seiner Jacke: „Die Luftverteidigungszone West zwischen Nagold, Neckar und Schwarzwald“. Geschrieben vom 51-Jährigen mit seinen Söhnen Florian und Felix.

Das erste feste Bauwerk des Komplexes war ein Munitionsbunker der Flugabwehrstellung.
Das erste feste Bauwerk des Komplexes war ein Munitionsbunker der Flugabwehrstellung. Foto: Julius Sandmann

Denn bevor das Führerhauptquartier an der Schwarzwaldhochstraße entstand, hatte die Wehrmacht begonnen, im Frühjahr 1939 eine Flugabwehrstellung zu bauen. Aufgrund der Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und der Gefahr eines möglichen Stellungskrieges sollten dadurch Luftangriffe im Hinterland vermieden werden.

Wehrmacht beeinflusste Verlauf der Schwarzwaldhochstraße

Im Herbst 1939 wurde die Flugabwehrstellung dann um das Führerhauptquartier erweitert. Von hier aus sollte es Hitler leicht gemacht werden, die Truppen direkt an einer potenziellen Front zu befehligen. Die Aktivitäten der Wehrmacht hatten auch direkten Einfluss auf den Verlauf der B500.

„Die Schwarzwaldhochstraße wurde zunächst als Touristikstraße von Baden-Baden aus geplant. Das sieht man daran, dass sie bis zum Ruhestein immer den Ausblick nach Westen, ins Rheintal bietet. Das deutsche Militär wollte aber nicht, dass man sieht, dass dort oben Kolonnen fahren. Deswegen hat man den letzten Abschnitt der Strecke zwischen Ruhestein und Alexanderschanze nach Osten verlegt“, erklärt Wein die damaligen Planungen.

Ein Stück von dem Munitionsbunker entfernt erstreckt sich links des Weges eine längliche Erhebung, die an einen kleinen Erdwall erinnert. Wein identifiziert sie als erstes Bauwerk des eigentlichen Führerhauptquartiers, denn es war laut einer französischen Karte dem Wehrmachtsführungsstab vorbehalten.

Dieser frühere Bunker war wohl der Spitze der Wehrmacht, Wilhelm Keitel und Alfred Jodl, vorbehalten.
Dieser frühere Bunker war wohl der Spitze der Wehrmacht, Wilhelm Keitel und Alfred Jodl, vorbehalten. Foto: Julius Sandmann

Hitlers Basis wurde nach Angaben des 51-Jährigen irgendwann im Frühjahr 1940 fertig und Ende Juni, Anfang Juli bezogen. Genau in dieser Zeit kam auch der Führer des Deutschen Reiches zu Besuch. In dem Buch „Hitler. Das Itinerar“ des Historikers Harald Sandner wird der Aufenthalt für den Zeitraum vom 27. Juni bis zum 5. Juli 1940 datiert.

Stummer Zeuge: Die längliche Erhebung in der Mitte des Fotos war der sogenannte Führerbunker.
Stummer Zeuge: Die längliche Erhebung in der Mitte des Fotos war der sogenannte Führerbunker. Foto: Julius Sandmann

Wein läuft einige Meter weiter und zeigt auf einen weiteren länglichen Erdwall, der jenseits des Weges liegt: „Das ist jetzt ein sogenannter Zusatzbau zur Flugabwehrstellung. In der schon erwähnten französischen Karte wird dieses längliche Bauwerk als Führerbunker bezeichnet.“

Hitler lobte guten Schlaf im Führerhauptquartier „Tannenberg“

Dem stets an Schlafstörungen leidenden Hitler, der die Welt mit Krieg überzog und den Tod von Millionen von Menschen sowie unsägliches Leid zu verantworten hat, schien es in seinem Schwarzwald-Quartier gefallen zu haben.

In dem bereits erwähnten Werk von Sandner ist für den 29. Juni 1940 folgende Äußerung von ihm notiert: „letzte Nacht so lange und tief geschlafen wie selten in meinem Leben“. Allerdings sei seine Unterkunft zu feucht gewesen.

Während seines Aufenthalts im „Tannenberg“ besuchte Hitler Oppenau im Ortenaukreis, Kehl, Straßburg, Freiburg und Freudenstadt. Fotografien zeigen Menschenmengen, die ihn frenetisch feiern.

Während seines Aufenthalts im „Tannenberg“ besuchte Hitler auch ein Krankenhaus in Freudenstadt.
Während seines Aufenthalts im „Tannenberg“ besuchte Hitler auch ein Krankenhaus in Freudenstadt. Foto: Stadt Freudenstadt

„Hitler war auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er hier im Schwarzwald war“, erinnert Wein. Kurz zuvor hatte die Wehrmacht den Westfeldzug erfolgreich beendet. Frankreich war besiegt. Im Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich das in vier Jahren nicht geschafft.

Spaziergang im „Tannenberg“: Adolf Hitler (von links nach rechts), Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Außenminister Joachim von Ribbentrop.
Spaziergang im „Tannenberg“: Adolf Hitler (von links nach rechts), Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Außenminister Joachim von Ribbentrop. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv

Neben seinen Ausflügen besprach Hitler im „Tannenberg“ mit Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels seinen bevorstehenden Empfang in Berlin. Er empfing den italienischen Botschafter Dino Alfieri – und er veränderte den Gauzuschnitt im Westen.

Dafür rief er die Leiter der Regionen Baden, Robert Wagner, und der Pfalz, Josef Bürckel, zu sich. „Für die beiden Gauleiter änderte sich an dem Tag, an dem sie im Führerhauptquartier waren, vieles. Die Gauhauptstadt von Baden war Karlsruhe. Nach dem Besuch hier oben hieß das Gau Baden-Elsass, und die Gauhauptstadt war Straßburg“, erzählt Wein auf dem Waldweg unweit der B500.

Die Pfalz sollte zusammen mit dem Saarland und dem eroberten Lothringen zum sogenannten Gau Westmark werden.

RAD-Maiden aus Oppenau tranken Tee mit Hitler

Ungewöhnlich an dem Aufenthalt Hitlers war, dass er im Führerhauptquartier Zivilisten ohne speziellen Auftrag empfing, nämlich Angehörige des Reichsarbeitsdienstes (RAD). „Es gab in Oppenau einen Standort der RAD-Maiden. Dort haben sie mitbekommen, dass Hitler hier oben ist. Vermutlich auch, weil der Führersonderzug in Oppenau stand“, berichtet Wein.

Adolf Hitler im Führerhauptquartier „Tannenberg“ im Gespräch mit Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes (RAD) aus Oppenau.
Adolf Hitler im Führerhauptquartier „Tannenberg“ im Gespräch mit Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes (RAD) aus Oppenau. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv

Die Frauen wollten Hitler besuchen, wurden jedoch vom Wachposten in der Nähe des Parkplatzes an der Zollstockhütte abgewiesen. Sie übergaben diesem jedoch einen Brief mit der Bitte, Hitler besuchen zu dürfen.

„Der Brief wurde übergeben, und dann sind die RAD-Maiden abgeholt worden. Hitler hat sie zu Kuchen und Tee empfangen und sehr viel mit ihnen über seine Politik gesprochen. Nach zwei oder drei Stunden sind sie dann wieder gegangen“, erzählt Wein.

Auch im Renchtal umjubelt: Während seines Aufenthalts im „Tannenberg“ war Hitler in Oppenau. Dort hielt der sogenannte Führersonderzug.
Auch im Renchtal umjubelt: Während seines Aufenthalts im „Tannenberg“ war Hitler in Oppenau. Dort hielt der sogenannte Führersonderzug. Foto: Stadt Oppenau

In Oppenau fuhr dann auch am 5. Juli um 15.20 Uhr Hitlers Sonderzug ab. In Nürnberg besuchte er noch kurz Winifred Wagner, bevor er am 6. Juli in Berlin ankam. Ins Führerhauptquartier „Tannenberg“ kam Hitler nie wieder.

„Baumsperren“ auf der Schwarzwaldhochstraße töteten Zivilisten

„1945 rückten französische Panzerkräfte aus Baden-Baden kommend entlang der Schwarzwaldhochstraße vor. In den Gefechtsberichten wird zwischen Sand und Alexanderschanze kein einziger Bunker erwähnt. Also entweder haben die Franzosen die Bunker ignoriert oder diese wurden gar nicht erst verteidigt“, sagt Wein in einem Wald voller Ruinen der Nazi-Herrschaft.

Zahlreiche Gegenstände aus dem Führerhauptquartier seien nach dem Krieg in die Ortschaften ringsherum gewandert.

Statt mit den Bunkern beschäftigten sich die Alliierten vielmehr mit den sogenannten Baumsperren, erzählt der 51-Jährige: „Deutsche Soldaten hatten teilweise auf einer Länge von 300, 400 Metern alle Bäume entlang der Schwarzwaldhochstraße umgelegt, in die Straße hinein. Diese wurden mitunter mit Sprengfallen versehen. Das hat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Zivilisten beim Räumen das Leben gekostet.“

Hotelgewerbe bat Bundesregierung, die Bunker zu entfernen

Wer zuerst damit begann, die Gebäude des „Tannenbergs“ zu sprengen – die Deutschen während der Flucht oder die Franzosen nach der Eroberung –, ist laut Wein nicht klar. Fakt ist, dass die Bundeswehr die rund drei Quadratkilometer umfassende Anlage entlang der Schwarzwaldhochstraße bis Mitte der 60er Jahre einebnete.

„Das Hotelgewerbe in der Gegend hat die Bundesregierung als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches aufgefordert, die Bunker zu entfernen“, weiß Wein.

Wir wissen leider alle nicht, wie wertvoll es ist, dass wir im Frieden leben
Friedrich Wein

„Die Geschichte des Führerhauptquartiers sollte überliefert und nicht interpretiert werden“, schließt er seine Ausführungen nach rund anderthalbstündiger Wanderung zurück auf dem Parkplatz an der Zollstockhütte.

„Wir wissen leider alle nicht, wie wertvoll es ist, dass wir im Frieden leben und in ihm groß geworden sind – weil wir nur Frieden kennen. Die Generationen vor uns wussten spätestens nach dem Krieg, wie wertvoll Frieden und ein gemeinsames Europa sind.“

Dann steigt Wein in sein Auto, das kein MG-Schütze mehr im Fadenkreuz hat.

Beschilderung

Die Verwaltung des Nationalparks Schwarzwald bittet Wanderer darum, auf den beschilderten Wegen zu bleiben. Dadurch soll verhindert werden, dass wilde Tiere in ihrem Lebensraum gestört werden. Weitere Informationen dazu gibt es hier.

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