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Kommunalpolitik

Kahlschlag auf Ausgleichsfläche in Achern erzürnt Naturschützer

Ein von einem unbekannten Verursacher zu verantwortender Kahlschlag auf einer stadteigenen Ökofläche im Gewerbegebiet in Achern lässt auf ein fragwürdiges Umweltbewusstsein schließen. Doch auch die Stadtverwaltung gerät in die Kritik, weil das nicht der erste Fall an dieser Stelle ist.

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Kein Biotop mehr: Nur ein paar Bäume stehen noch auf der Ausgleichsfläche an der Infrastrukturstraße in Achern. Foto: None

„Warum lässt sich die Stadtverwaltung das gefallen?“ Peter Storch, Naturschützer und ehemaliger Stadtrat, steht fassungslos vor einer fast komplett „abgeräumten“ Fläche im Acherner Gewerbegebiet. Entlang der Infrastrukturstraße wurde bis auf wenige Bäume der komplette Bewuchs entfernt, obwohl das im Besitz der Stadt Achern stehende Grundstück im Bebauungsplan als Ausgleichsfläche ausgewiesen ist – laut Storch übrigens nicht zum ersten Mal.

Die Stadt wies auf unsere Anfrage in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Auftrag für den Eingriff nicht aus dem Rathaus kam. Man spricht im übrigen von einer „Sachbeschädigung“.

„Die Stadtverwaltung schaut hier schon seit Jahren zu, ohne Recht und Gesetz durchzusetzen.“ Laut Peter Storch gab es ähnliche Eingriffe an dieser Stelle bereits in früheren Jahren. Und dies, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen eindeutig sind.

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Das bestreitet auch die Stadtverwaltung nicht: Das 2.323 Quadratmeter große städtische Grundstück ist in dem seit 19. Dezember 1997 rechtskräftigen Bebauungsplan „Erweiterung – Mittelmatten 2“ als „Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur- und Landschaft“ ausgewiesen. Es diene zusammen mit anderen Flächen als Ausgleich für die in den Jahren 1993 bis 1997 vorgenommene Erweiterung des Gewerbegebietes „Mittelmatten“.

Klare Vorgaben im Bebauungsplan

In den dem „Acher- und Bühler Boten“ vorliegenden Unterlagen zu dem genannten Bebauungsplan ist geregelt, was auf dem Gelände geht und was nicht: „Der Bereich an der Infrastrukturstraße ist als Grünfläche von mindestens 15 Metern anzulegen und zu unterhalten.“ Klare Vorgaben gelten auch für die Bepflanzung unter anderem mit Weiden, Holunder und Liguster sowie mit Bauminseln und Baumgruppen aus Stieleiche, Birke, Esche, Vogelkirsche, Erle und Ahorn.

Böschungskante verschoben

Bis auf neun Bäume ist davon nichts mehr zu sehen. Und, schlimmer noch: Laut Storch wurde im Jahr 2007 die Böschungskante entgegen der 15-Meter-Vorgabe durch eine Auffüllung um etwa 1,50 Meter in Richtung der Infrastrukturstraße „verschoben“.

Bereits 2011 „weitgehend ausgeräumtes Terrain“

Bereits im Jahr 2011 hatte Storch gegenüber der Stadt „umfangreiche Rückschnittmaßnahmen“ auf dem Grundstück an der Infrastrukturstraße moniert. Schon damals bestätigte die Stadtverwaltung den Sachverhalt eines „weitgehend ausgeräumten Terrains“ und teilte mit, dass die Arbeiten „von einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb im Auftrag des unmittelbar an die öffentliche Fläche angrenzenden Unternehmens ausgeführt“ worden seien.

„Vermutungen“ und „Schuldzuweisungen“

Nicht viel anders könnte es auch diesmal gewesen sein, glaubt Storch. Die Stadt widerspricht. Es handele sich derzeit um „Vermutungen“ und „Schuldzuweisungen“. Klar sei, dass die vorgenommenen Veränderungen an der Fläche und an der dort bestehenden Vegetation nicht von der Stadt vorgenommen wurden. Sie habe auch keine Erlaubnis oder Genehmigung für diese Eingriffe erteilt. Derzeit prüfe man, wer diese Maßnahmen vorgenommen und wer den Auftrag für diese Maßnahmen erteilt hat.

„Sachbeschädigung“

Keinen Zweifel lässt die Stadt in ihrer Stellungnahme daran, dass man nicht bereit sei, „diese vermutlich auch als Sachbeschädigung einzustufenden Eingriffe in eine öffentliche Fläche zu tolerieren oder zu verharmlosen“. Man werde nach Klärung der Ursachen und des Verursachers diesen für die erforderliche Behebung der entstandenen Schäden und eine Neuanpflanzung in die Verantwortung nehmen.

Kommentar

Die zweifellos mutwillige Zerstörung des Biotops an der Infrastrukturstraße dürfte für Naturschützer nichts anderes sein als ein weiterer Beweis für den eher laxen Umgang mit Umweltgesetzen. Dennoch ist klar: Wer warum auch immer hier „eingegriffen“ hat, muss zur Verantwortung gezogen werden.

Doch auch die Rolle der Verwaltung wirft Fragen auf. Wie kann es eigentlich passieren, dass die Bepflanzung auf einer Ausgleichsfläche abgeräumt werden kann, ohne dass dies einem Verantwortlichen auffällt? Schlimmer noch: Muss eigentlich erst ein im Naturschutz engagierter Bürger Alarm schlagen, bevor die Verwaltung tätig wird? Hinzu kommt, dass die betroffene Fläche nicht etwa fernab der öffentlichen Wahrnehmung irgendwo in Feld und Flur liegt – der Umweltfrevel in der Infrastrukturstraße geschah quasi vor aller Augen. Und dürfte auch schon ein paar Tage „alt“ sein.

Und weil der nach dem Bebauungsplan unerlaubte Eingriff in die Ausgleichsfläche nicht zum ersten Mal erfolgte, drängt sich die Frage auf, ob man im Rathaus vielleicht ganz bewusst vor dem Geschehen an der Infrastrukturstraße die Augen verschlossen hat. Vielleicht als eine ziemlich skurrile Art falsch verstandener „Wirtschaftsförderung“, weil auf diese Weise wieder der direkte Blick auf einen Gewerbebetrieb möglich wird, der letztlich auf Werbung angewiesen ist und deshalb von dem Kahlschlag profitieren könnte?

Es ist übrigens die gleiche Verwaltung, die kein Problem darin sieht, in Oberachern eine zum Ausgleich für den Bau eines Supermarkts geschaffene innerstädtische Grünfläche dem Interesse eines privaten Bauherrn zu opfern. Um dem Ganzen dann – als Ausgleich für den Ausgleich – irgendwo im Grünen (!) mit der Pflanzung von 30 Sträuchern die umweltpolitische Krone aufzusetzen.

Die geforderte Bepflanzung der Ausgleichsfläche an der Infrastrukturstraße wird wohl wieder hergestellt. Und so darf man heute schon gespannt sein, wie lange die neuen Bäume und Sträucher hier ungehindert wachsen dürfen.

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