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60 Brote pro Stunde

Von Achern zum Aspichhof: Der „Lotte-Beck“ backt weiter

Der SWR sendete eine ergreifende halbstündige Doku über den „Lotte-Beck“ und sein aussterbendes traditionsreiches Handwerk: Nach dem Aus für seinen Traditionsbetrieb in Achern arbeitet Manfred Lott nun auf dem Aspichhof in Ottersweier.

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Altes Handwerk, neuer Einsatzort: Der 62-jährige Bäckermeister Manfred Lott hat in der Hub-Bäckerei in Ottersweier einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Foto: Joachim Eiermann Foto: Joachim Eiermann

Der „Lotte-Beck“ hört nicht auf, er macht weiter. Er backt jetzt andernorts: Der Acherner Bäckermeister Manfred Lott ist seit Dezember bei der gemeinnützigen Aspichhof GmbH in Ottersweier angestellt. Der 62-Jährige steht jetzt in der Hofbäckerei in der Hub vor dem Ofen. Bis zu 60 Brote pro Stunde produziert er im kleinen, fünfköpfigen Team nebst einem größeren Sortiment an Brötchen, Kuchen und Gebäck.

Von unserem Mitarbeiter Joachim Eiermann

Es ist etwa die sechsfache Menge im Vergleich zu seinem früheren eigenen Betrieb in der Kirchstraße in Achern. Die Traditionsbäckerei in fünfter Generation hatten er und seine Frau Elisabeth im vergangenen Herbst aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben.

Nun arbeitet Manfred Lott nicht mehr Vollzeit, sondern lediglich noch drei Tage in der Woche. „Ich habe hier eine Möglichkeit gefunden, an Stunden etwas runterfahren zu können und trotzdem in meinem Handwerk zu bleiben“, sagt er und wirkt mit seiner neuen Position ganz zufrieden.

Hinzu kommt: Der Arbeitstag beginnt um 2.45 Uhr in der Nacht ähnlich früh wie in der eigenen Backstube, dauert aber bei Weitem nicht so lange. Nach acht Stunden ist Feierabend. Letzter Akt ist, die Süßteiglinge für den nächsten Tag vorzubereiten.

"Wir sehen das als Geschenk"

Die Selbstständigkeit ist passé, sein eigener Chef ist Manfred Lott jetzt nicht mehr. Der heißt Michael Ams, kommt aus Lauf und hat die Leitung seit 20 Jahren inne. Die Bäckerei, ursprünglich Teil des Kreispflegeheims Hub, wurde (wie auch die Metzgerei und die Gärtnerei) vor wenigen Jahren vom Klinikum Mittelbaden ausgegliedert und organisatorisch dem Aspichhof zugeordnet.

Dessen Geschäftsführer Ewald Glaser ist ganz glücklich über den personellen Zugewinn aus der Hornisgrindestadt: „Wir sehen das als Geschenk.“ Manfred Lott weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer sich vor allem das Bäckerhandwerk bei der Suche nach Verstärkung tut: „Mittlerweile ist es in fast jedem Beruf so, dass sich kaum noch Leute finden.“

Alte Handwerkskunst

Die Initiative war von Glaser ausgegangen. Als er vom bevorstehenden Aus der Acherner Traditionsbäckerei erfuhr, lud er Lott ein, sich in der Hub umzuschauen. Im Gegensatz zu den Großbäckereien gibt es – trotz des Größenunterschieds zum Kleinbetrieb – einige Gemeinsamkeiten. Wie zuvor in der Kirchstraße in Achern wird in der Hub ebenfalls nach alter Handwerkskunst gebacken. „Darauf legen wir großen Wert“, unterstreicht Glaser.

Alle Teiglinge werden selbst gefertigt, keine Backmischungen eingesetzt. Regionalität sei ein weiterer wichtiger Faktor. „Wir beziehen unser Mehl schwerpunktmäßig von der Zeller Mühle in Unzhurst.“ Seit dem Umzug der Bäckerei zu Pfingsten 2019 erleichtern modernste Gerätschaften den Arbeitsalltag.

Süße Köstlichkeit

„Die Salzwecken werden hier so gemacht, wie ich sie gemacht habe“, führt Lott beispielhaft als Parallele an. Von der Acher mitgebracht hat er die Pudding-Brezeln; die süße Köstlichkeit erfordert einiges handwerkliches Geschick bei der Herstellung: „Das kann heute nicht mehr jeder.“

In der Hub allerdings noch nicht angekommen sind die leckeren Maisbrötchen, eine weitere Spezialität des „Lotte-Becks“. Ewald Glaser bedauert: „Wir könnten noch viel mehr Dinge produzieren, aber wir sind personell am Anschlag.“

Nachwuchs wird gesucht

Seit Langem suche die Hofbäckerei eine oder einen Auszubildende(n). „Ich würde sofort einen engagierten Lehrling einstellen“, sagt der Geschäftsführer und wirbt: „Hier gibt es noch echtes Handwerk, hier lässt sich alles lernen.“ Derzeit mit dem Luxus von zwei Bäckermeistern.

Abnehmer der Backwaren sind nicht nur das angegliederte „Café am Park“ in der Hub, sondern auch der Hofladen auf dem Aspichhof sowie weitere Verkaufsstellen und Abnehmer in der Region.

Ehefrau hält zuhause die Stellung

Drei Jahre noch, dann hat Manfred Lott das Rentenalter erreicht. Solange plant er zu bleiben, sofern die Krebserkrankung seiner Frau dies zulässt. Derzeit gebe es Anzeichen einer Verbesserung des Gesundheitszustands, freut er sich.

Elisabeth Lott hält zuhause die Stellung, wo im Erdgeschoss inzwischen ein anderes Acherner Unternehmen das Ladengeschäft für eine Backfiliale gepachtet hat, nicht aber die Backstube. Letztere ist dennoch nicht verwaist. Sie dient den Lotts seit vier Jahrzehnten noch immer als Ersatzküche, die eigentliche Küche innerhalb der Wohnung muss erst noch eingerichtet werden.

Vor wenigen Monaten war hier ein Kamerateam des SWR ein- und ausgegangen, um eine ergreifende halbstündige Doku über den „Lotte-Beck“ und sein aussterbendes traditionsreiches Handwerk zu drehen, die in der Mediathek des Senders und bei YouTube noch zu sehen ist.

Auf die Frage, was sich in seinem beruflichen Leben gravierend verändert hat, antwortet er: „Ungewöhnlich ist, dass ich jetzt machen muss, was mir jemand anders sagt. Vorher habe ich gemacht, was meine Frau sagte.“

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