Als Taxifahrer Hans Wiegner in den Rückspiegel seines ikonisch gelben Wagens blickt, sticht ihm sofort der kleeblattfarbene Vollbart und der dunkelgrüne Mantel seines Fahrgastes ins Auge. Hier sitzt kein irischer Kobold, sondern Uli Hoppe, besser bekannt als Schlagersänger RammaDamma. „Wohin soll es denn gehen?”, fragt Wiegner seinen Mitfahrer, den er extra aus München abgeholt hat. „Nach Loch Ness”, antwortet der Sänger zwanglos. Für den 81-jährigen Taxifahrer beginnt eine Reise, die er so schnell wohl nicht mehr vergessen wird
.
RammaDammas Reiseziel kommt nicht von ungefähr. Der selbst ernannte „Retter der Pflanzen” hat vor 45 Jahren im schottischen Dorf Gretna Green seine Ananas-Pflanze Tippy geheiratet. „Das ganze Dorf hat sich damals um meine Hochzeit mit Tippy gerissen”, erklärt der außergewöhnliche Sänger - kein Wunder.
Die Hochzeitreise nach Loch Ness fiel damals für das fruchtige und frisch gebackene Paar aus, da der Sender BBC den Sänger für eine Show buchte. Um unversehrt in Loch Ness anzukommen und seine Flitterwochen mit der zuckersüßen Tippy nachzuholen, holte sich RammaDamma keinen geringeren als den Baden-Badener Taxifahrer ins Boot.
Wiegner war dem Sänger durch verschiedene Fernseh-Auftritte aufgefallen. Begleitet wurden die beiden von Regisseur Christian Gramstadt und seinem Filmteam, der sich die skurrilen Flitterwochen zum Anlass für eine ARD-Film-Reportage nahm.
Wiegner und RammaDamma gehen durch dick und dünn
Wiegner legt den ersten Gang ein. RammaDamma merkt schnell, dass die beiden auf einer Wellenlänge sind. „Wir waren immer eine Einheit”, erklärt er. Nach Überqueren der deutsch-französischen Grenze bringt Wiegner sein Taxi abrupt zum Stehen. Der Sänger springt wie von der Tarantel gestochen aus dem Wagen, schnellt über den pechschwarzen Asphalt hinüber zu einer Dame, die sich gerade nichtsahnend aus dem Fenster ihres Hauses lehnt.
Regisseur Gramstadt möchte für seine Reportage ein Interview mit einem deutsch-französischen Liebespaar aufnehmen. RammaDamma verwickelt die Dame in ein Gespräch. Als die Frau jedoch das Filmteam hinter der grünen Gestalt bemerkt, wittert sie direkt die Gelegenheit und möchte für das Interview doch bitte bezahlt werden. Der Sänger zögert nicht lange und gibt der Frau seine letzten 20 Euro. Bis heute habe das Produktionsteam sein Geld nicht erstattet, erklärt er und muss lachen
.
Die Reise wurde dem Team beinahe zum Verhängnis
Von der französischen Hafenstadt Calais geht es mit der Fähre nach Dover. Wiegner möchte sich ausruhen und überlässt dem Regisseur das Steuer. „Die Reise hätte unsere letzte sein können”, sagt RammaDamma. Gramstadt habe das Linksfahr-Gebot vergessen und sei auf der falschen Spur gefahren, habe aber noch rechtzeitig eingelenkt, erzählt RammaDamma. Nach der Fahrt durch Hatfield und Liverpool erreicht das Taxi endlich Gretna Green.
Was die Gruppe in dem Dorf erwartet, hätte wohl niemand gedacht. Der kleine Ort hat sich zu einer regelrechten Hochzeits-Hochburg entwickelt - „Frische Liebe existiert dort nicht mehr”, gibt RammaDamma zu. Enttäuscht fahren die Reisenden weiter zum eigentlichen Ziel nach Loch Ness. Der strahlend blaue Himmel und der traumhafte Blick auf den See und die von grün umringte Landschaft lässt den Entertainer jedoch die Enttäuschung über seinen Heiratsort vergessen.
Zehn Tage haben RammaDamma und Wiegner gemeinsam verbracht: „Wir sind wie ein Herz und eine Seele”, versichert der Sänger. Die außergewöhnliche Freundschaft hält bis heute - die beiden stehen noch in regem Kontakt zueinander.
Von Baden-Baden nach Capri
Die Fahrt nach Schottland war nicht die erste ungewöhnliche Reise, die Wiegner unternommen hat. Was ihm eine Begegnung Jahre zuvor am Ooser Bahnhof bescheren würde, hätte er wohl nie für möglich gehalten. Der Fahrer wartet wie immer vor seinem gelben Taxi auf Kundschaft. Prompt fällt ihm eine ältere Dame mit viel Gepäck auf, die gerade aus dem Zug aussteigt. Elisabeth Kirchner besuchte die Kurstadt damals oft und habe ihr Leben in vollen Zügen genossen, erklärt Wiegner.
Die beiden kommen ins Gespräch und setzen den Grundbaustein für eine unvergessliche und zugleich skurrile Freundschaft. Die Dame fragt den Fahrer, ob er sie denn auf die italienische Insel Capri fahren könnte - ein nicht ganz ungewöhnlicher Fahrt-Wunsch. Nach einer kurzer Routenplanung willigt Wiegner spontan ein. „Wir sind insgesamt sechs mal nach Capri gereist” erzählt er und muss schmunzeln. Kost, Logis und selbstverständlich die Taxifahrt hat Kirchner damals übernommen.
Eine Zufallsbegegnung jagt die nächste
Auch zu Gramstadt pflegt der Taxifahrer eine ganz besondere Beziehung. Der Regisseur wurde durch eine Kurzfahrt in Baden-Baden auf Wiegner aufmerksam und hat schnell bemerkt, dass der heutige Rentner kein gewöhnlicher Taxifahrer war. Gramstadt begleitete Wiegner bereits vor der Schottland-Reise mit seinem Filmteam. Als die nächste Reise nach Capri anstand, klinkte sich Gramstadt mitsamt Filmteam ein und drehte den Dokumentarfilm „Taxi nach Capri”.
Vom Bauingenieur zum Taxifahrer
Der Fahrer aus Leidenschaft war früher einmal Leitender Bauingenieur. Mit 50 Jahren hat sich der mittlerweile 81-jährige Rentner jedoch beruflich umorientiert. „Das war mir zu viel Verantwortung”, erklärt Wiegner. In seiner Stammkneipe in Baden-Baden sollte sich sein Leben für immer ändern. Am Tresen neben ihm trinkt ein Taxifahrer gerade sein Bier.
Er erzählt von seinem Job als Chauffeur. „Da verdient man doch nichts”, denkt sich Wiegner damals, wird dennoch neugierig, macht kurzerhand seinen Taxischein und gründet sein eigenes Unternehmen. Er habe bereits große Berühmtheiten wie Vicky Leandros durch die Kurstadt befördert, erzählt er. Viel Geld habe er mit seinem Job nicht gemacht, gesteht der abenteuerlustige Rentner. „Ich wurde reich an Erfahrung und habe die Welt mit meinem Taxi bereist”, sagt er.
Eins steht fest, der Taxifahrer im Ruhestand wird sich an seine Karriere als Taxifahrer wohl für immer erinnern. „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, trotz aller Höhen und Tiefen”, sagt Wiegner mit einem Strahlen im Gesicht.