Was ist eigentlich ein Römisch-Irisches Bad? So nennen die Betreiber seit einigen Jahrzehnten das Gesellschaftsbad des Friedrichsbades. Um es gleich vorweg zu nehmen. Diese Bezeichnung ist nicht ganz korrekt.
Ein Blick zurück in die Geschichte des Badwesens verschafft Klarheit. Die im Mittelalter in Deutschland weit verbreiteten Heißluft- und Dampfbäder spielten seit dem Niedergang des Badewesens im 16. Jahrhundert keine Rolle mehr. Zur Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert haben Kriege beigetragen. Die russischen Dampfbäder lernten die französischen Truppen und ihre Verbündeten während des Russland-Feldzugs Napoleons 1812 kennen. Im Krimkrieg (1853-56), in dem Russland dem Osmanischen Reich, England, Frankreich und Piemont-Sardinien gegenüberstand, hatten die Soldaten aus Westeuropa Kontakt zu den aus der römisch-antiken Thermenkultur entstandenen türkischen Bädern.
In Berlin ging es los
Das erste repräsentative russische Dampfbad in Deutschland richtete Georg Friedrich Pochhammer, Königlich Preußischer Geheimer Ober-Steuerrat in Berlin, in dem von ihm 1818 eröffneten Mariannenbad ein. Die russischen Dampfbäder, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland (unter anderem auch im Alten Dampfbad auf dem Marktplatz in Baden-Baden) eine weite Verbreitung erfuhren, wurden zunächst aus moralischen Gründen ihres geselligen Charakters beraubt. Anstelle der im Ursprungsland üblichen Gesellschaftsbäder wurden ausschließlich Einzelkabinen und Dampfkastenbäder errichtet. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte (wie in Folge 2 berichtet) ein Umdenken ein.
Ein Diplomat liefert Ideen
Die Einführung des türkischen Bades in Europa ist dem britischen Diplomaten David Urquhart (1805-77) zu verdanken, der 1831 bis 1837 Botschaftsrat in Konstantinopel war. Er veröffentlichte 1850 seinen Reisebericht „The pillars of Hercules“, in dem er unter anderem die türkischen und maurischen Bäder vorstellt, die er besucht hatte. Ebenso wenig wie bei den russischen ging es den Westeuropäern bei den türkischen Bädern um eine genaue Übernahme der Bräuche. Ein wesentlicher Aspekt war der exotische Anspruch. Julian Marcuse charakterisiert den durchschlagenden Erfolg der Dampfbäder in Westeuropa 1903 als „Invasion“ und spricht von einer „märchenhaften orientalischen Pracht“.
Stark beeinflusst von den Ideen Urquharts war der irische Arzt Richard Barter (1802-70), der bereits 1856 in St. Anne´s Hill bei Cork in Irland das erste türkische Bad in Westeuropa einrichtete. Barter war seit 1843 Eigentümer einer hydrotherapeutischen Kureinrichtung (St. Anne´s Hydropathic Establishment) und verabreichte seinen Patienten Kaltwasseranwendungen, bevor er ein russisches Bad installierte. Er nahm Kontakt zu Urquhart auf.
Dr. Barters riesiger Einfluss
Barter erkannte, dass die türkischen und russischen Bäder sich aus den antiken römischen Thermen entwickelt hatten. Er stellte fest, dass trockene Heißluft für den menschlichen Körper wesentlich besser zu ertragen ist als feuchte. Deshalb entwickelte er ein Heißluftbad mit hoher Temperatur und geringerer Luftfeuchtigkeit, als dies in den türkischen Bädern üblich ist.
Bis zu seinem Tod richtete Barter zehn weitere Bäder ein, bei denen es sich in der Regel um schlichte Zweckbauten handelte. Schwierig ist die Begriffsklärung: Einrichtungen, die in England und Frankreich türkische Bäder genannt wurden, erhielten in Deutschland die Bezeichnung römisch-irische Bäder. Dies ist zweifellos ein Tribut an den irischen Arzt. Das therapeutische Angebot konnte von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein.
Das erste römisch-irische Bad in Deutschland richtete der Arzt Carl Wilhelm Luther 1860 in Nudersdorf bei Wittenberg ein. Reinhold Klette ist der erste deutsche Architekt, der sich 1867 in einer theoretischen Abhandlung mit dem römisch-irischen Bad beschäftigt. Klette stellt fest, dass ein römisch-irisches Bad in Anlehnung an das türkische Bad aus drei Räumen (Umkleide, Warm-, Heißluftraum) besteht. „Hier fließt der Schweiß in Strömen unter einem unaussprechlichen Gefühl körperlicher und geistiger Erleichterung, während die Oberfläche der Haut, zufolge der in der trockenen Luft ungemein raschen Verdunstung kühl erscheint“, schreibt Klette.
Marketing macht es möglich
Bei der Eröffnung des Friedrichsbades wurden in Anlehnung an Barter nur die Heißluftbäder als römisch-irische Bäder bezeichnet. Das betont der 1878 erschienen Führer durch das Gesellschaftsbad ausdrücklich. Irgendwann setzten moderne Marketing-Experten die für die Besucher rätselhafte Bezeichnung römisch-irisch für das gesamte Bad durch.