Wer ihn näher kennt, den wird diese Aussage nicht verwundern: „Es hat mich öfters gejuckt“, sagt Ulrich Wendt – und lacht. Aber: Er hat allen Versuchungen widerstanden. Der Mann, der von 1990 bis 1998 Oberbürgermeister der Bäderstadt war, verzichtete nach der schmerzhaft verlorenen OB-Wahl im Jahr 1998 (gegen die parteilose Sigrun Lang) auf öffentliche Kommentare zur Kommunalpolitik, wie er betont.
Im Fokus seines Interesses stand und steht das Geschehen in der Bäderstadt aber nach wie vor. Am Sonntag wird der CDU-Mann 75 Jahre alt. Sein Alter sieht man ihm nicht an. „Ich habe immer Sport gemacht“, verrät er sein Rezept.
Mit Sport hält Ulrich Wendt sich fit
Mit Tennis, Radfahren und Schwimmen hielt er sich fit. Noch immer zieht er im Becken gerne seine Bahnen, tritt in die Pedale – und ist ein aufmerksamer Tageszeitungsleser geblieben. Das tägliche Gassigehen mit dem Vierbeiner (aus dem Tierheim) schadet dem Wohlbefinden offensichtlich auch nicht. „Mit dem Hund muss man immer laufen“, erläutert das Herrchen, dessen Familie davor schon weitere vier Fellnasen versorgte.
Mit neun Jahren wurde Wendt Baden-Badener
Das Licht der Welt erblickte Ulrich Wendt am 14. Juni 1945 in der Gemeinde Timmendorfer Strand an der Ostsee. Die Schulzeit verbrachte er an der Oos (Vincenti-Schule und Markgraf-Ludwig-Gymnasium), weil sein Vater beruflich in Mittelbaden tätig war – als Leiter des städtischen Hochbauamtes der Kurstadt.
„Baden-Baden“, betont der Vater einer Tochter und eines Sohnes, „ist mein gefühlter Heimatort“. Im Alter von neun Jahren ist der kleine Ulrich Baden-Badener geworden, studierte in Freiburg und hatte stets ein Ziel vor Augen: „Ich wollte immer gestalten“.
Kommunalpolitik bot ihm Gestaltungsmöglichkeiten
Die Politik bot ihm Gestaltungsspielraum: eine Amtszeit auf dem Chefsessel im Rathaus in Bühl diente als Sprungbrett für den Wechsel nach Baden-Baden. Von 1988 bis 1992 hatte er zudem das Direktmandat des Wahlkreis im Stuttgarter Landtag. Nach der verlorenen OB-Wahl war er für den Energieversorger EnBW und zuletzt als Wirtschaftsberater tätig.
Hat Wendt in Bühl und Baden-Baden in jeweils einer Wahlperiode Akzente gesetzt? „Ob alles richtig war, kann man nur im Nachhinein beurteilen“, meint der CDU-Politiker, dessen Frisur so tadellos sitzt wie in früheren Jahren. Ans Werk ging er immer mit einem Leitspruch: „Man muss einen Kompass haben!“ Den hatte er.
Im Jahr 1990 wurde Wendt an der Oos Nachfolger von Walter Carlein
Mit dem gebührenden Abstand darf Wendt bestätigt werden, dass er in der Zwetschgen-und in der Bäderstadt Veränderungen einläutete, die beide Städte voran brachten.
Ruhe wurde in Baden-Baden groß geschrieben, das hat mich immer fuchsteufelswild gemacht.Ulrich Wendt
Als Wendt im Jahr 1990 an der Oos die Verantwortung von seinem Vorgänger Walter Carlein übernahm und sich mit Frau Brigitte (in zwei Jahren feiert das Paar Goldene Hochzeit) am neuen Wirkungsort auch im Eigenheim mit Blick auf die Battertfelsen ansiedelte, war die Bäderstadt eine Kurstadt, aber kein Wirtschaftsstandort.
„Ruhe wurde in Baden-Baden groß geschrieben, das hat mich immer fuchsteufelswild gemacht“, blickt er zurück. Der Kur- und Bädercharakter der Stadt sei ein zentraler Kernbestandteil, aber nur „ein Teil von etwas größerem Ganzen“. Der OB Wendt entwickelte ein Gewerbegebiet in Oos, das nach der Verlegung des Motorflugbetriebs auf das Areal des Baden-Airpark in Rheinmünster-Söllingen möglich wurde.
Wendt wollte die "Schwäche zur Stärke machen"
„Die Schwäche zur Stärke machen“, das war für ihn in dieser Angelegenheit die treibende Kraft. „In Baden-Baden ging die Sonne im Westen auf“, erinnert er sich an diese Weichenstellung. Natürlich weiß fast jedes Kind, dass die Sonne im Westen untergeht, doch mit dem Sonnenaufgang im Westen meint Wendt die Folgewirkung: deutlich höhere Gewerbesteuereinnahmen für die Bäderstadt.
Nicht weniger bedeutend war sein Beitrag zur strukturellen und nachhaltigen Entwicklung des Tourismusstandorts Baden-Baden. Zusammen mit Mitstreitern konnte das Festspielhaus verwirklicht werden – gegen massive Widerstände. Das hat auch bei Wendt Spuren hinterlassen: „Am meisten habe ich darunter gelitten, dass man uns Größenwahnsinn vorgeworfen hat“, gesteht der Ex-OB.
Inzwischen ist das Haus ein Leuchtturmprojekt
Das zweitgrößte Opernhaus Europas, das an der Oos mit 2.500 Plätzen entstand, sei „die radikal richtige Idee gewesen“, blickt Wendt zurück: „Mit 1.600 Plätzen hätten wir unser Scheitern in Beton gegossen.“ Längst hat sich das Festspielhaus zum Leuchtturm in der Bäderstadt entwickelt.
Eine Studie habe einmal berechnet, das der Musentempel der Stadt und der nahen Region jährlich rund 50 Millionen Euro in die Kassen spült: „Das Festspielhaus war die Mutterinvestition für die Zukunft von Baden-Baden!“
Ich habe nur sehr, sehr gute Erinnerungen!Ulrich Wendt über Bühl
Und die Zeit in Bühl? Wendt überlegt nicht lange: „Ich habe nur sehr, sehr gute Erinnerungen!“ In seine Amtszeit von 1981 bis 1989 fiel die Stadtsanierung. Mit den Projekten wurden die Weichen für die Umwandlung in eine moderne Stadt gestellt. Stichworte dazu sprudeln aus dem früheren OB der Zwetschgenstadt nur so heraus: östliche und westliche Hauptstraße, Bürgerhaus Neuer Markt, Umgestaltung Johannesplatz, Spatenstich für die neue B 3 ...
Wendt im Rückblick: Ich bereue überhaupt nichts
Mit seinem Lebenslauf ist der Mann, der sich selbst als bisweilen ungeduldig beschreibt, im Rückblick aber mehr als zufrieden: „Ich bereue überhaupt nichts!“