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Bambis in Baden-Baden

Wer braucht noch Oscar und Bambi?

Ob Hollywood oder Cannes, Berlin oder Baden-Baden - das Interesse an glamourösen Preisverleihungen nimmt Jahr für Jahr ab. Medienforscher nennen nicht nur geänderte Fernsehgewohnheiten als Grund. Auch die Sozialen Medien sind schuld. Denn wer braucht noch Stars, wenn er sich selbst inszenieren kann?

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GUCKT NOCH WER? Baden-Baden bereitet sich auf die 71. Bambi-Verleihung vor. Wie andere Preisverleihungen, die im TV übertragen werden, hat auch der älteste deutsche Medienpreis mit Zuschauerschwund zu kämpfen. Foto: Kamleitner

Wenn Jahr für Jahr in Los Angeles die Oscars vergeben werden – dann brauchen Stars und Zuschauer vor allem eines: gutes Sitzfleisch. Preisverleihungen sind lange Angelegenheiten und manche schleppen sich dahin wie die Roben der weiblichen Hauptdarstellerin. Kameraleute, die die mehrstündige Verleihung fürs Live-TV aufnehmen, müssen höllisch aufpassen. Denn häufig leeren sich im Laufe der Veranstaltung die Ränge.

„Die meisten Stars hängen während der Verleihung hinter der Bühne an der Bar ab und warten darauf, dass ihre Kategorie aufgerufen wird. Dann flitzen sie schnell zurück auf ihren Platz“, ließ die britische Oscar-Preisträgerin Olivia Coleman jüngst in der Graham-Norton-Show hinter die Kulissen der berühmtesten Filmpreisverleihung der Welt blicken. Während der Oscars seien zahlreiche Platzhalter ständig damit beschäftigt, die leeren Reihen aufzufüllen. Die Kameraleute tun alles, damit der Schwindel nicht auffliegt. Schließlich soll die Show perfekt wirken.

Hollywood, Cannes, Baden-Baden

„Preisverleihungen sind unheimlich langatmig und ziemlich gleichartig“, sagt Joan Bleicher. Die stellvertretende Direktorin des Instituts für Medien und Kommunikation an der Universität Hamburg schaut solche Shows aus beruflichen Gründen. „Privat wäre mir meine Lebenszeit doch zu schade“, sagt sie. Ob Hollywood oder Cannes, ob Berlin oder wie jetzt am Donnerstag Baden-Baden – die Bilder gleichen sich. Bei den Oscars, den Goldenen Palmen oder der Goldenen Kamera – stets stöckeln perfekt frisierte Frauen in opulenten Roben über einen roten Teppich. Sie drehen sich im Blitzlichtgewitter der Fotografen während die Männer, das Haupthaar frisch getrimmt und der Smoking maßgefertigt, mit übermotivierten Aushilfs-Moderatorinnen von TV-Promi-Formaten schäkern. Wer trägt was? Wer küsst wen? Und wen nicht mehr – das sind die Fragen, die bewegen. Die Preise, die später im Saal verliehen werden, spielen allenfalls noch die Nebenrolle. Fragt sich, wer die jährlichen Preisregen überhaupt noch braucht?

Einschaltquoten sinken

Die Antwort ist: Immer weniger. In den schnelllebigen Zeiten von YouTube-Videos, Instagram-Posts und Streaming-Diensten haben es glamouröse Preisverleihungen zunehmend schwer, die Masse zu erreichen. Vorbei die Zeit, in der sich die gesamte Familie am Samstagabend vor dem Fernseher versammelte, um den Reichen und Schönen der Welt dabei zuzusehen, wie sie zu Tränen gerührt goldene Statuen oder gläserne Schalen in Empfang nehmen.

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Auch die Oscars leiden

Die Einschaltquoten sprechen eine eindeutige Sprache. Als in Potsdam 2010 die Bambis verliehen wurden, schalteten noch fünf Millionen Fernsehzuschauer ein. Zwei Jahre später waren es nur noch 2,61 Millionen. Der Goldenen Kamera erging es nicht besser und selbst der Deutsche Fernsehpreis hatte nach harter Kritik an seinen Vergabekriterien zunehmend mit schwindendem Zuschauerinteresse zu kämpfen. So sehr, dass die Verantwortlichen die Live-TV-Übertragung 2016 vollständig strichen. Erst Anfang dieses Jahres meldete sich der Deutsche Fernsehpreis in seinem namensgebenden Medium zurück. Mit mäßigem Erfolg. Nicht mal 100 000 Menschen saßen vor den TV-Geräten, als ab 22.30 Uhr die Show als Wiederholung zu sehen war.

Auch die Oscars leiden

Den „Academy Awards“ erging es nicht besser. Die Oscars haben über die Jahre dramatisch an Zuschauerzahlen eingebüßt. Sahen im Jahr 2014 noch 43,7 Millionen Amerikaner zu, schalteten 2017 nur noch 26,5 Millionen ein.

Echo ist weg

Am Medium Film liegt es übrigens nicht. Auch die Grammys, die in den USA jährlich an Musiker verliehen werden, verlieren zunehmend an Bedeutung. Der einst so renommierte deutsche Musikpreis Echo wurde 2018 in seiner gewohnten Form zum allerletzten Mal verliehen. Aus Protest gegen die Verleihung des Preises an die umstrittenen Musiker Kollegah und Farid Bang hatten zahlreiche Künstler ihren Echo zurückgegeben. Die Marke Echo sei so stark beschädigt worden, dass ein Neuanfang notwendig sei, gab der Bundesverband der Musikindustrie als offizielle Begründung für das Einstellen der Show an. Tatsächlich wurden und werden die Echos in ihren verschiedenen Kategorien auch 2019 wieder verliehen. Diesmal aber unter anderem Namen und in deutlich abgespecktem Rahmen. Das spart nicht nur Aufwand sondern vor allem auch Geld. Woran liegt es, dass die glamourösen Preisgalas kein Massenpublikum mehr finden?

"Fernsehen verändert sich"

Für Franco Rota, Professor für Marktkommunikation und Public Relations an der Hochschule der Medien in Stuttgart, sind schwindende Einschaltquoten ein Zeichen der Zeit. „Das Fernsehen hat sich verändert. Heute schaut man über online Kanäle, was man will und wann man will.“ Diese allgemeine Entwicklung treffe auch die großen Fernsehgalas.

Startum ist keine Einbahnstraße mehr

Aber noch ein anderes Phänomen sei zu beobachten. „Die Rezeption eines Stars ist keine Einbahnstraße mehr. Früher boten Preisverleihungen wie der Bambi die Möglichkeit, seine Idole auch mal in einem ganz anderen Kontext zu sehen.“ Durch die Sozialen Medien komme man seinen Stars heute viel näher. „Hinzu kommt, dass heute jeder selbst zu einem Promi werden kann, indem er auf einem Social Media-Kanal sich selbst, seine Fähigkeiten, Ideen oder Produkte präsentiert. Man inszeniert sich lieber selbst und sendet selbst, als etwas fertig präsentiert zu bekommen.“ Genau wie Joan Bleicher bedauert Rota diese Entwicklung auch ein wenig. Vor allem für die Medienbranche selbst seien Preisverleihungen ein wichtiges Mittel, um Aufmerksamkeit für die Branche zu erzeugen und die Leistungen von Medienschaffenden zu würdigen.

Der Bambi bleibt

Quoten hin oder her – auch wenn die Gala aufwendig ist und die Kosten steigen, denkt man im Hause Burda nicht daran, die Bambis zu streichen. Tradition verpflichtet, heißt es aus Offenburg. Am ältesten deutschen Publikumspreis, der am Donnerstag immerhin zum 71. Mal vergeben wird, wolle man auf jeden Fall festhalten. „Bambi ist seinem Ursprung treu geblieben, eine Unterhaltungsshow für alle Generationen zu sein“, sagt Julia Korn, Pressesprecherin von Burda. Sie glaubt fest daran, dass es gelingen kann auch bei einer jüngeren Zielgruppe relevant zu bleiben. Wie? „Es ist wichtig, eine gute Mischung an Helden und Heldinnen auszuwählen und mit deren Geschichten dort präsent zu sein, wo ihre Fans sich aufhalten – im TV, in der Zeitschrift oder eben auf Instagram.“

Der Bambi in Baden - eine Chronik:

1948 - Der Karlsruher Karl Fritz hat als Verleger der Zeitschrift „Film- und Mode-Revue“ die Idee, seine Leser über den beliebtesten Star des Jahres abstimmen zu lassen. In der Redaktion in Karlsruhe werden die Stimmen ausgezählt: Marika Rökk und Stewart Granger heißen die Sieger. Öffentliche Verleihungen gab es noch nicht, also packte Fritz das damals noch weiße Keramikreh aus der Majolika sorgfältig ein und übergab es persönlich. Marika Rökks Tochter war es, die dem Rehkitz den Namen „Bambi“ verlieh.

1954 bis 1964 - Die Rehe werden im Karlsruher Konzerthaus, im Badischen Staatstheater und in der Schwarzwaldhalle verliehen.

1964 zum letzten Mal, weil der neue Besitzer sich über eine Kritik in den BNN ärgerte.

1962 - Franz Burda aus Offenburg übernimmt die Zeitschrift und Verleihung.

1987 - Das Bambi, das bis dato überwiegend in München vergeben wurde, kehrt einmalig nach Offenburg und damit Baden zurück.

1998- Zum 50. Geburtstag wird die Gala wieder in Karlsruhe ausgetragen.

2008 - Erneute Stippvisite in Offenburg.

2019 - Verleihung in Baden-Baden.

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