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Überzogene Schutzmaßnahmen?

Brettener Psychiater: "Angststörungen und Depressionen haben sich in der Corona-Pandemie verstärkt"

Die Corona-Pandemie bedroht nicht nur die körperliche Gesundheit der Menschen, sie betrifft auch ihre Psyche. Was macht diese Zeit der Verunsicherung, der Isolation und der Existenzsorgen mit den Menschen? Und wie kann man sich wappnen? Darüber hat Redakteur Hansjörg Ebert mit dem Brettener Neurologen und Psychiater Gerhard Lothar Heinz, gesprochen.

Gerhard Lothar Heinz, Neurologe und Psychiater aus Bretten.
Gerhard Lothar Heinz, Neurologe und Psychiater aus Bretten. Foto: Rebel

Welche Auswirkungen der Corona-Krise spüren Sie bei ihren Patienten?

Gerhard Lothar Heinz: Menschen mit der Neigung zu psychischen Erkrankungen sind derzeit sicherlich zusätzlich belastet und dahingehend gefährdet, dass Ängste oder depressive Verstimmung häufiger symptomatisch werden. Die schrecklichen Bilder der Corona Toten aus Italien und anderen Ländern in den Medien haben dazu ganz wesentlich beigetragen.

Patienten äußern die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, aber auch die vor einer Quarantäne.

Welche Problembereiche kommen in ihrer Sprechstunde zur Sprache?

Patienten äußern die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, aber auch die vor einer Quarantäne. Auch die Angst, schwerwiegend zu erkranken, macht manchen zu schaffen. Existenzielle Sorgen, Kurzarbeit und die berufliche und private Zukunft belasten die Psyche zusätzlich.

Menschen mit körperlichen Risiken werden unsicher und nervöser. Eine vermehrte Stresshormon-Reaktion lässt uns schlechter schlafen, führt zu körperlichen Funktionsstörung und zu Vermeidungsverhalten.

Verschärft diese Covid-Krise vorhandene Probleme?

Das tut sie eindeutig. Wir haben schon einige Patienten mit diesen Beschwerden in der Praxis gesehen. Meiner Ansicht nach haben sich Angststörungen und Depressionen in der Corona-Pandemie eindeutig verstärkt. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die Quarantäne und Schutzmaßnahmen.

Es fehlten uns die sozialen Kontakte, kulturelle Angebote Theater, Kino, Kunst waren gestoppt und Konzerte verboten. Wir hatten keine Möglichkeiten unsere sportlichen Hobbys im Verein oder im Fitnessstudio auszuüben und konnten nicht mehr Reisen und Genießen.

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Wie wirkt sich die Krise auf das Krankheitsbild Depression aus?

Ängste und negative Gedanken sind auch Symptome depressiver Menschen. Kurzarbeit und Sorgen um die existenzielle Zukunft bei Covid Pandemie bedingter wirtschaftlicher Krise führten bei einer Patienten zu Schlafstörungen und Hoffnungslosigkeit mit depressiver Erschöpfung.

Brettener Psychiater: Schutzmaßnahmen in Corona-Krise notwendig, aber teilweise nicht nachvollziehbar

Inwiefern wirken gut gemeinte Schutzmaßnahmen negativ auf die Seele?

Schutzmaßnahmen, wie Hygienemaßnahmen, Maske, Abstand und Vermeiden von hohen Ansteckungsrisiken, sind aus meiner Sicht notwendig, waren aber teilweise überzogen und nicht nachvollziehbar.

Es laufen derzeit Studien über die psychischen und körperlichen Folgen der Covid-Krise „Cosmo“ und „COH-FIT“ mit Beteiligung deutscher Unis und des Robert-Koch-Instituts (RKI), die sich mit genau diesen Fragen beschäftigen.

Psychische Erkrankungen stehen in der Dringlichkeitsliste der medizinischen Versorgung ohnehin ganz hinten.

Werden die psychischen Aspekte der Krise ihrer Einschätzung nach ausreichend berücksichtigt?

Psychische Erkrankungen stehen in der Dringlichkeitsliste der medizinischen Versorgung ohnehin ganz hinten. Depressionen oder Angststörungen sind auch heute noch stigmatisiert und mit Scham und Tabu besetzt in der Bevölkerung. Obwohl die meisten Frühberentungen wegen psychosomatischen Beschwerden erfolgen.

Was wäre Ihrer Meinung nach in dieser Situation hilfreich?

Unser Gesundheitssystem sollte mehr investieren in die Prävention und Behandlung auch der psychischen Erkrankungen. Vielleicht hat uns die Virus-Pandemie auch bewusst gemacht, dass wir nachhaltiger leben sollten, indem wir wieder achtsamer und demütiger werden.

Gegen Ängste oder Depression helfen uns, die Symptome zu erkennen, darüber zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir lernen unserer Katastrophengedanken zu stoppen. Positive Aktivitäten und körperliche Fitness, Balance Stress und Erholung helfen uns, widerstandsfähiger zu bleiben.

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