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Corona im Pflegeheim

Ursachen des Corona-Desasters im Brettener Haus Schönblick liegen im Dunkel

Wie kann es sein, dass ein Pflegeheim zum Hotspot der Corona-Krise im Landkreis wird, während vergleichbare Einrichtungen verschont bleiben? Zufall, Pech oder doch Versäumnisse? Die Antwort der Experten lautet derzeit: Keiner weiß es!

Unvollendet und ungenutzt steht der Neubau des Neibsheimer Pflegeheims neben dem Altbau. Am 1. April hätte die Erweiterung in Betrieb gehen sollen.
Unvollendet und ungenutzt steht der Neubau des Neibsheimer Pflegeheims neben dem Altbau. Am 1. April hätte die Erweiterung in Betrieb gehen sollen. Foto: Rebel

Wie kann es sein, dass ein Pflegeheim zum Hotspot der Corona-Krise im Landkreis wird, während vergleichbare Einrichtungen verschont bleiben? Zufall, Pech oder doch Versäumnisse? Die Antwort der Experten lautet derzeit: Keiner weiß es.

„Weder das Gesundheitsamt noch wir haben bislang eine sachlich begründete Analyse der Ursachen für den Corona-Ausbruch im Neibsheimer Pflegeheim“, sagt Georg Spranz, der Leiter der Heimaufsicht beim Landratsamt.

Mitte Februar noch hatte die Behörde turnusgemäß auch das Haus Schönblick besucht. Dabei habe man nichts Nennenswertes zu beanstanden gehabt. „Da war die Welt noch weitgehend in Ordnung“, lautet sein Fazit. Für die anschließende Explosion der Infektionen müssten viele unterschiedliche Faktoren zusammengekommen sein.

Zwei Aspekte könnten dabei eine Rolle gespielt haben: Zum einen die bauliche Situation der Einrichtung, die bis dahin noch 77 Doppelzimmer belegt hatte. Im April sollte der Neubau in Betrieb gehen, der für alle Bewohner die Einzelunterbringung vorsah. Zum zweiten fehlte ausreichende Schutzausrüstung. Doch bis Mitte März gab es für kein Pflegeheim eine Verpflichtung, Mundschutz zu tragen, bekundet Spranz.

Wurden Symptome zu spät erkannt?

Für Landrat Christoph Schnaudigel spricht bei diesem Corona-Ausbruch vieles dafür, dass die Symptome zu spät erkannt wurden. Deshalb war beim Einschalten des Gesundheitsamts das Virus schon weit verbreitet. Allerdings sei auch zu bedenken, dass in Einrichtungen, in denen sehr viele Menschen auf engem Raum zusammen leben und arbeiten, die Möglichkeit für die Verbreitung des Virus deutlich größer sind. Stand Freitag sind im Neibsheimer Pflegeheim 136 Bewohner und 64 Beschäftigte infiziert, 36 Heimbewohner sind verstorben.

Da, wo Symptome auftreten, werden die Leute getestet.
Martin Zawichowski, Pressesprecher des Landratsamts Karlsruhe

„Nach wie vor werden Infektionsketten verfolgt“, informiert Martin Zawichowski, der Pressesprecher des Landratsamts über den permanenten Kampf gegen die Ausbreitung der Pandemie. Damit habe man den exponentiellen Anstieg der Infektionen deutlich begrenzen können.

Derzeit sei die Hauptaufgabe des Gesundheitsamtes, die Kontaktpersonen zu identifizieren, sie in Quarantäne zu schicken und über die Verhaltensregeln zu informieren. „Da, wo Symptome auftreten, werden die Leute getestet“, beschreibt Zawichowski die Arbeit des Gesundheitsamt, das derzeit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz hat.

Pflegeheim sieht sich von unsichtbarem Feind überrollt

Im Neibsheimer Pflegeheim hat sich die Lage in den vergangenen Tagen etwas entspannt. „Einige Mitarbeiter sind genesen, das Personal wurde bereits getestet, die ersten Ergebnisse sind erfreulich“, sagt Clarita Kosel. So gut wie alle Bewohner des Hauses sind mittlerweile in Einzelzimmern untergebracht. Infizierte und Nichtinfizierte sind streng getrennt.

Die Mitabeiter arbeiten in separierten Wohnbereichen in voller Schutzausrüstung. Die Pflegedienstleiterin hat jetzt eine Nachtestung für alle Bewohner beantragt, um auch die besorgten Angehörigen zu beruhigen. Die psychische Situation der Heimbewohner beschreibt sie als schwierig. Vielen mache die Einsamkeit zu schaffen.

„Ich empfinde keine Schuld, ich wüsste nicht, was wir hätten anders machen sollen.
Clarita Kosel, Pflegedienstleiterin

„Ich empfinde keine Schuld, ich wüsste nicht, was wir hätten anders machen sollen“, erklärt die erfahrene Pflegekraft zur Katastrophe, die sich im Haus Schönblick zugetragen hat. Sie sieht sich vielmehr von einem unsichtbaren Feind überrollt.

Von Anfang an habe sie bei Neuaufnahmen und Rückverlegungen aus dem Krankenhaus Tests verlangt. Doch dies sei immer abgelehnt worden mit der Begründung: keine Symptome – keine Tests. „Keiner unserer Bewohner oder Mitarbeiter war auf Kreuzfahrt im Skiurlaub oder im Fußballstadion“, gibt sie zu bedenken.

Möglicherweise war gerade eine Stärke des Hauses das Einfallstor für das Virus: Denn im Schönblick werden gemeinsame Aktivitäten und Geselligkeit groß geschrieben. Das Haus ist offen für Besucher und bietet viele Möglichkeiten der Begegnung. Auch die sind nun dem Virus zum Opfer gefallen.

Als sehr belastend hat Clarita Kosel so manche Schuldzuweisungen und Verdächtigungen empfunden. „Wir konnten das Heim doch nicht einfach schließen“, sagt sie. Auf der anderen Seite hätte die großartige Unterstützung vieler Neibsheimer und Brettener Bürger sie und die Mitarbeiter berührt und Mut gemacht, weiter durchzuhalten.

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