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Umfrage in Bretten

Versicherungsschutz bei Corona: Kein Gastronom weiß, ob und wie Ausfälle erstattet werden

Zahlen die Versicherungen bei durch Corona bedingten Ausfällen in der Hotelerie und der Gastronomie? Das erstaunliche Ergebnis einer Umfrage bei etlichen Gastronomen und Hoteliers in Bretten: Nichts Genaues weiß man nicht.

Viel Geld hat Martin Babic in die Renovierung seines Restaurants Simmelturm gesteckt. Ob die Versicherung seine durch Corona bedingten Ausfälle zumindest teilweise ersetzt, weiß er nicht.
Viel Geld hat Martin Babic in die Renovierung seines Restaurants Simmelturm gesteckt. Ob die Versicherung seine durch Corona bedingten Ausfälle zumindest teilweise ersetzt, weiß er nicht. Foto: Rebel

Zahlt die Versicherung bei coronabedingten Ausfällen in der Gastronomie? Das erstaunliche Ergebnis einer Umfrage bei etlichen Gastronomen und Hoteliers in Bretten: Nichts Genaues weiß man nicht.

Auch der Brettener Vertreter einer großen Versicherung hat bislang weder eine diesbezügliche Nachfrage seiner Kunden, noch präzise Informationen seiner Gesellschaft, wie es denn mit dem Versicherungsschutz solchen Fällen zu verfahren ist.

„Wir haben eine Betriebsunterbrechungsversicherung, die viel Geld kostet, doch die greift meines Wissens bei Corona nicht“, sagt Fredi Bodamer. Gemeinsam mit seiner Frau Beate betreibt er die Rose in Diedelsheim. Über sieben Doppel- und sieben Einzelzimmer verfügt deren Hotel, die Gaststätte hat 70 Sitzplätze. Die Hälfte davon können seit Anfang der Woche wieder genutzt werden. In den Hotelzimmern durften während der Krise nur Monteure nächtigen.

Betriebsausfälle von gut 80 Prozent bei Brettener Hoteliers

Die Betriebsausfälle schätzt Fredi Bodamer auf gut 80 Prozent. Die staatliche Unterstützung und die Umstellung auf Essen-to-go habe geholfen, über die Runden zu kommen, die festen Mitarbeiter musste man in Kurzarbeit stecken. Jetzt will Bodamer bei seinem Versicherungsvertreter nachfragen, ob er einen Anspruch auf Leistungen hat.

„Wir haben keine solche Versicherung“, erklärt dagegen Heike Weiß, die Eigentümerin des Gasthauses Adler in Großvillars, die auch fünf Fremdenzimmer anbietet. Drei davon waren die in den vergangenen Wochen mit Monteuren belegt. Und auch die staatlich Unterstützung hat sie bekommen.

Gastronomen haben Corona-Krise mit zweitem Standbein überstanden

Das Gasthaus zur Sonne in Diedelsheim ist seit Dienstag wieder offen. Auch Eigentümer Jürgen Collmar hat durch Corona kräftige Einbußen zu beklagen. Alle gebuchten Festlichkeiten wie Geburtstage, Kommunion oder Konfirmation seien ausgefallen. Seine festen Mitarbeiter hat der Metzgermeister dennoch nicht in Kurzarbeit geschickt.

Ob ein Versicherungsschutz besteht, darum muss sich mein Steuerberater kümmern.
Jürgen Collmar

„Wir arbeiten seit Karfreitag durch“, berichtet Collmar, der sich mit seinem zweiten Standbein, der Metzgerei, sowie dem Service „Essen außer Haus“ über Wasser halten konnte. Ob er Ansprüche aus seiner Versicherung geltend machen kann, weiß er nicht. „Ob ein Versicherungsschutz besteht, darum muss sich mein Steuerberater kümmern“, sagt er.

Hälfte der Zimmer im Brettener City Hotel wieder belegt

Im City Hotel in Bretten darf ab sofort die Hälfte der 74 Zimmer für Geschäftsreisende wieder belegt werden. Ob das Hotel Ausgleich für Verdienstausfälle bei der Versicherung beantragt habe, vermag die Brettener Hotelmanagerin nicht zu sagen. Sie verweist auf die Pressestelle ihrer Hotelkette.

Doch auch die erweist sich als wenig auskunftsfreudig: „Aktuell sind wir noch in Verhandlungen, hoffen natürlich auf eine positive Lösung. Natürlich würde uns die Politik mit festen Aussagen hier den Rücken stärken können“, erklärt Marketingdirektor und Pressesprecher Sven Lejeune lapidar.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Noch dünner fällt die Auskunft beim Hotel Rest Inn Bretten aus, wobei man so nebenbei erfährt, dass das Hotel gerade verkauft wurde.

Der Schweizerhof in der Brettener Fußgängerzone hat zwar über die Hausbank eine Betriebsausfallversicherung. Doch von dort habe man erfahren, dass beim Versicherungsschutz der Corona-Fall nicht abgedeckt sei, heißt es auf Nachfrage.

Stadt Bretten hat 2.500 Euro beigesteuert

Auch Martin Babic, der vor einem Jahr das Restaurant Simmelturm in Bretten übernommen hat, bekam von seinem Versicherungsberater die Auskunft, dass seine Police für den Fall Corona nicht greife. Viel Geld hat er in die Renovierung und den Umbau gesteckt, seine Umsatzeinbußen durch die Corona-Krise beziffert er auf rund 45.000 Euro.

Gerade der April, einer der umsatzstärksten Monate, sei weggebrochen. 9.000 Euro habe er als staatliche Soforthilfe aus Bundesmitteln bekommen, 2.500 Euro habe die Stadt Bretten beigesteuert, berichtet er. Jetzt will er sich erkundigen, ob er nicht doch noch Anspruch auf Versicherungsleistungen hat.

Versicherung: Corona nicht abgedeckt

„Der Fall Corona ist bei den üblichen Betriebsausfallversicherungen nicht eingeschlossen“, erklärt Bernd Koppenstein. Der Brettener Allianz-Vetreter betreut rund 4.000 Kunden. Bislang habe noch keiner von ihnen bei ihm in dieser Sache nachgefragt. „Ich betreue etliche Industriefirmen, doch die nutzen die Kurzarbeit“, bekundet er.

Die meisten Betriebsunterbrechungen beträfen Feuer, Hochwasser oder andere Elementarschäden, sagt er. Wie die Allianz in Sachen Corona verfahre, müsse er erst noch recherchieren. Auf jeden Fall müssten seine Kunden sich selbst bei ihm melden und eine Anfrage stellen. Der Ausfall müsse dabei genau aufgelistet und mit Unterlagen des Steuerberaters belegt werden.

Dann könne er den Antrag bei der entsprechende Abteilung der Allianz einreichen. „Jeder Einzelfall muss geprüft werden“, bekundet Koppenstein, der sein Geschäft immerhin schon seit 30 Jahren betreibt.

Erste Signale von der Allianz

Von der Allianz gibt es übrigens bereits erste positive Signale. Obwohl die Betriebsschließungsversicherung im Falle von Corona nicht greife, weil dieser neue Krankheitserreger nicht unter die versicherten Krankheiten falle, helfe die Allianz ihren Kunden in dieser schwierigen Lage, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.

„Obwohl kein Versicherungsschutz besteht, zahlt die Allianz auf den verbliebenen durchschnittlichen Schaden des Kunden von rund 30 Prozent die Hälfte, also 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung für maximal 30 Tage Schließungszeit“, teilt das Unternehmen mit.

Gericht widerspricht Versicherern

So ganz selbstlos und kulant dürfte diese Versicherungsleistung allerdings auch nicht sein. Denn es gibt bereits ein erstes Urteil des Landgerichts Mannheim, das mit aller Deutlichkeit der von den Versicherern vertretenen Rechtsmeinung widerspricht, alles im Zusammenhang mit Covid-19 sei nicht versichert.

Es komme gerade nicht darauf an, ob der Covid-19-Erreger namentlich in den Versicherungsbedingungen genannt sei oder nicht, betont das Gericht. Beide Parteien hätten die aktuellen Ereignisse ja nicht voraussehen können. Darum dürften die Klauseln nicht einseitig zu Lasten des Versicherungsnehmers ausgelegt werden.

Der Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg begrüßt das Urteil und empfiehlt seinen Mitgliedern, ihre Ansprüche zu wahren und die Ablehnungen oder Kulanzangebote der Versicherer fachkundig prüfen zu lassen.

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