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Behörden prüfen noch

Weitere Lärmquelle? Anwohner wehren sich gegen Lüftungsanlage auf dem Neff-Gelände

Inzwischen stehen 22 Unterschriften auf der Liste und sie werde länger, sagt eine der Unterzeichnerinnen: Anita Hooijer. Sie sind alle Anwohner im Wohngebiet "bei der Wanne", im Hebel-, Wannen- oder Scheffelweg in Bretten. Sie erheben Einwendungen gegen eine – wie sie fürchten, weitere – Lärmquelle in der Nachbarschaft.

Ulrich Liehr vermietet und verwaltet ein Fünf-Parteienhaus an der Ecke Ruiter Straße und Wannenweg, nur etwa 20 Meter vom Presswerk entfernt. Er bangt um seine Mieteinnahmen.
Ulrich Liehr vermietet und verwaltet ein Fünf-Parteienhaus an der Ecke Ruiter Straße und Wannenweg, nur etwa 20 Meter vom Presswerk entfernt. Er bangt um seine Mieteinnahmen. Foto: Rebel

Inzwischen stehen 22 Unterschriften auf der Liste und sie werde länger, sagt eine der Unterzeichnerinnen: Anita Hooijer. Die Anwohner im Wohngebiet "bei der Wanne", im Hebel-, Wannen- oder Scheffelweg in Bretten erheben Einwendungen gegen eine – wie sie fürchten, weitere – Lärmquelle in der Nachbarschaft.

Das Presswerk der Firma Neff an der Ruiter Straße sei Haupt-Emittent von Geräuschen. Nun aber verlangen Arbeitsschutz-Vorschriften eine Lüftungsanlage auf dem Dach von Gebäude 2, dem Presswerk. Das lässt die Firma BSH Hausgeräte wissen, ehemals Neff. Und das Landratsamt (LRA) bestätigt das am Mittwoch:

Die Lüftungsanlage sei eine Forderung der Gewerbeaufsicht, da in umschlossenen Arbeitsräumen gesundheitlich zuträgliche Atemluft in ausreichender Menge vorhanden sein müsse, so das Landratsamt und: "Die Anlage soll im Sommer installiert werden, möglichst in den Werksferien."

Viele Anwohner fürchten um Ruhe in Haus und Garten, andere um Mieteinnahmen. Ulrich Liehr und Familie gehört so etwa ein Fünf-Parteien-Haus in erster Reihe entlang des Neff´schen Presswerks. "Mir hat erst ein Mieter mit Kündigung gedroht, wenn das noch lauer wird. Er könne die Mieten seit Langem nicht erhöhen, wegen des "Klotzes vor der Tür", er meint Optik und Lärm. Seine 98-jährige Mutter, Lydia Liehr, erhalte nur geringe Rente. Für sie seien die Mieteinnahmen „lebenswichtig“, schreibt Wilfried Liehr.

Presswerk-Tore sollen dank Lüftung häufiger schließen

BSH/Neff dagegen verspricht beim Vor-Ort-Termin, die Lärm-Emissionen würden sich mit der schallgedämpften Lüftungsanlage sogar verringern. Denn dann könnten Tore und Dachluken des Presswerks, in dem es vor allem im Sommer bis zu 33 Grad heiß werden könne, häufiger geschlossen bleiben.

Jürgen Schaub und Martin Hartmann, Vertreter der Firma BSH/Neff, stehen auf dem Dach des Presswerks an dem Standort der künftigen Lüftungsanlage. Im Hintergrund ist das Wohngebiet zu sehen, in dem die Anwohner weiteren Lärm fürchten.
Jürgen Schaub und Martin Hartmann, Vertreter der Firma BSH/Neff, stehen auf dem Dach des Presswerks an dem Standort der künftigen Lüftungsanlage. Im Hintergrund ist das Wohngebiet zu sehen, in dem die Anwohner weiteren Lärm fürchten. Foto: Rebel

Die geöffneten Dachluken hatten mehrere der Anwohner häufig moniert. Es werde in drei Schichten gearbeitet. "Das raubt uns nachts den Schlaf", sagt Liehr. Ab 26 Grad sind aber gesetzliche Maßnahmen gegen die Hitze am Arbeitsplatz Pflicht, so Jürgen Schaub, Leiter für Arbeitssicherheit bei BSH. Gemäß sogenanntem Schicht-Lüftungssystem würden dann "alle Löcher nur noch in Pausen geöffnet".

Derzeit prüft das Bauamt die Genehmigungsfähigkeit der Lüftungsanlage. Der Antrag ging am 17. Februar dort ein. Fachbehörden am Landratsamt werden beteiligt, vor allem zu Lärmgrenzwerten, so Brettens Stadtbaudirektor Karl Velte. Das Verfahren dauere noch gut zwei Monate.

Man sollte den Lärm von der Quelle bis zum Gartenzaun messen
Anita Hooijer, Nachbarin der Firma Neff

Die Stadt Bretten benachrichtigte alle angrenzenden Nachbarn, sagt Karl Velte, wie vorgeschrieben, mit Schreiben vom 15. April. Der angefügte Plan weist die Anwohnerflächen als Wohngebiet aus, rot schraffiert, mit "W" gekennzeichnet. In solchen sind tagsüber 55 Dezibel und nachts 40 Dezibel (db/A) einzuhalten laut Bundesimmissionsschutzgesetz und TA (Technische Anleitung) Lärm.

Nur schmale Straße zwischen Anwohnern und Presswerk

Fakt ist aber auch, dass zwischen dem Wohngebiet und dem Presswerk BSH/Neff nur die Fahrbahn der Ruiter Straße liegt. Das Areal von Neff sei laut Velte kein reines Wohngebiet, sondern nach § 34 Baugesetzbuch zu beurteilen. Danach seien auch Nutzungen gewerblicher Art erlaubt, zumindest Kleingewerbe, wie Gastronomie oder Einzelhandel.

Laut Velte habe man aber korrekterweise auch indirekte Nachbarn - die jenseits der Fahrbahn der Ruiter Straße - informiert. "Die Anwohner dort sind keine direkten Angrenzer. Die Straße ist in öffentlichem Eigentum, also grenzen sie nicht wirklich an und müssten faktisch nicht informiert werden", so Velte. Er fügt an: "Aber bevor da so ein großes Gerät aufs Dach kommt."

Der Rotor dreht sich sehr langsam

Martin Hartmann, Leiter Infrastruktur bei der BSH

Tatsächlich misst die "kleine Schwester", welche die BSH-Vertreter auf einem anderen Firmendach vorführen, etwa 12 Meter Länge und zwei Meter Breite. Sie läuft, versichern die BSH-Vertreter, aber zu hören ist sie kaum. Die neue Anlage auf dem Presswerk werde mehr als das Zehnfache an Luft bewegen.

"Die Größe ist aber nicht entscheidend", erklärt Martin Hartmann, Leiter Infrastruktur bei BSH. Er sagt, sie werde nicht lauter als die vorgeführte Anlage. Der Rotor sei zwar sehr groß, drehe sich aber  extrem langsam. "Schall entsteht durch die Luftgeschwindigkeit und die ist hier sehr gering."

So laut wie das Ticken einer Uhr

Martin Hartmann, Leiter Infrastruktur bei der BSH

Die Genehmigung für die 600.000 Euro-Anlage wäre, so Hartmann weiter, ohne die Einhaltung der Grenzwerte gar nicht zu bekommen. Die firmeneigene Schallprognose decke sich nach Angaben der BSH-Männer mit dem des Gewerbeaufsichtsamtes am LRA.

Lärm fällt nicht herab

Die Anlage werde im hinteren Drittel des Daches stehen, vom Wohngebiet aus betrachtet. Laut Hartmann betrage die Immission an der Dachkante zur Ruiter Straße 23 Dezibel (db) - "das ist so laut wie Schneefall oder das Ticken einer Uhr", sagt er.

Zudem falle Lärm nicht herab, sagt Hartmann. Schall breite sich nur zur Seite und nach oben aus. So würden die Anlieger an der Ruiter Straße kaum etwas hören. Allerdings beklagen Anwohner, die zum Vor Ort-Termin gekommen sind, dass die Geräuschkulisse in den oberen Straßen des ansteigenden Wohngebiets umso lauter werde, je höher man hinaufgehe.

Relevant ist, wo der Lärm aufschlägt

Pressestelle des Landratsamts Karlsruhe

Das Landratsamt teilt auf Anfrage mit, der Immissionsort, also der Aufschlagsort des Lärms sei relevant. Wörtlich antwortete das LRA am Donnerstag: "Laut unserer Beurteilung des Vorhabens werden die Lärmrichtwerte eingehalten. Allerdings ist aufgrund der Nachbarschaft durch die Wohnbebauung die Situation dort schwierig. Sofern deshalb Nachbarschaftskonflikte auftreten sollten, wird durch die Gewerbeaufsicht eine orientierende Schallpegelmessung am Immissionsort (das ist der Aufschlagpunkt des Lärms)  durchgeführt. Sollte diese orientierende Schallpegelmessung keine abschließende Klärung des Sachverhaltes ermöglichen, haben wir aufgrund des problematischen Gebiets mit den angrenzenden Wohnhäusern am Berg in unserer Stellungnahme eine Verpflichtung des Antragstellers zu einer Messung durch einen zugelassenen Sachverständigen, unter Abstimmung des Messplans mit der Gewerbeaufsicht, aufgeführt. Das bedeutet, der Antragsteller wird einen zugelassenen Sachverständigen beauftragen. Diese Vorgehensweise, dass der Anlagenbetreiber die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage durch eine zugelassene Stelle ermitteln lässt, unter Einbezug der Messplanung durch die zuständige Behörde, ist im Bundesimmissionsschutzgesetz so vorgegeben."

Die Pressen laufen ab Sonntagabend 22 Uhr

"Da werden Metallteile morgens um 6 Uhr schon in Containern entsorgt", sagen Wolfgang Gehrig und Anita Hooijer. Auch höre man die Pressen schon Sonntagabends bei Schichtbeginn um 22 Uhr.

Eine Anlage wie diese werde aus gründen des Abeitsschutzes bald auf dem Dach des Presswerks stehen. Sie werde zwar nur um ein vielfaches größer, aber nicht lauter, versichern Vertreter von BSH/Neff.
Eine Anlage wie diese werde aus gründen des Abeitsschutzes bald auf dem Dach des Presswerks stehen. Sie werde zwar nur um ein vielfaches größer, aber nicht lauter, versichern Vertreter von BSH/Neff. Foto: Rebel

Die Anwohner haben sich auch schlau gemacht bezüglich Lärm- und Grenzwerten. Sie errechneten anhand von Formeln auf Fachseiten höhere Werte auf ihren Grundstücken. "Diverse Häuser stehen näher als 70 Meter am Gebäude 2“, schreibt Hooijer. Die Unternehmerin will nicht jeden Feierabend und die Wochenenden mit einem konstanten Geräusch in Größenordnung eines Rasenmähers verbringen.

Die Anwohner fordern detaillierte Messungen jeweils am Grundstück. „Es geht um unsere Wohn- und Lebensqualität“, sagt Anita Hooijer. „Wir verstehen, dass die Neff-Mitarbeiter von der Lüftung gerade im Sommer profitieren sollen“, sagt sie. Den Lärm aber müsse man nicht an der Hauswand messen, sondern am Gartenzaun.

Laut Stadtbaudirektor Velte und den BSH-Vertretern liegen die Zu- und Abluftöffnungen nach Westen, in Richtung Pforzheimer Straße, also in entgegengesetzte Richtung, weg vom Wohngebiet. Die Isolierung sei mehrwandig, so Hartmann. Er öffnet an der vorhandenen Anlage ein Türchen. Es wird ein Rauschen hörbar. Er schließt es und es wird deutlich ruhiger.

Wir nehmen keine Wertminderung unseres Grundstücks mehr hin
Ulrich und Wolfgang Liehr, Anwohner

Ulrich und sein Bruder Wolfgang Liehr wollen keine weitere Wertminderung des Hauses hinnehmen. Die Brüder monieren, Neff habe sich ausgebreitet "wie ein Krebsgeschwür". Und so sei es "ein politischer Skandal, dass man uns das jetzt auch noch zumuten will". Seit 2016 gebe es eine neue Presse. Die sei, so Ulrich Liehr, lauter als die alte. Seit 2019 vergälle ein Anbau die Sicht. „Für mich ist das Fass jetzt übergelaufen“, so sein Bruder Wilfried Liehr. Ulrich Liehr will sich weitere Schritte vorbehalten.

Martin Hartmann, Jürgen Schaub und Helmut Bader, Leiter Technische Dienste, versichern, sie seien gern zur Werksbesichtigung bereit, sobald es die Lage wegen Corona wieder zulasse.

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