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Sicherheit am Steuer

ADAC Nordbaden hält Fahrtests für Senioren für diskriminierend

Ist ein verpflichtender Fahrtauglichkeits-Test diskriminierend? Menschen altern unterschiedlich, sagt der ADAC Nordbaden und die Tests seien nicht ausgereift. Ein Betriebsmediziner untersucht seit zwölf Jahren Berufsfahrer. Er widerspricht.

Selbstkritik und Verantwortungsbewusstsein sind von Autofahrern gefragt. Die augenärztliche Untersuchung gehört dazu wie auch Gespräche mit dem Arzt über verordnete Medikamente, denn viele dämpfen die Aufmerksamkeit.
Selbstkritik und Verantwortungsbewusstsein sind von Autofahrern gefragt. Die augenärztliche Untersuchung gehört dazu wie auch Gespräche mit dem Arzt über verordnete Medikamente, denn viele dämpfen die Aufmerksamkeit. Foto: BilderBox

„Die Fahrtüchtigkeit ist nicht allein am Alter festzumachen“, sagt Thomas Hätty, Leiter für Verkehr und Technik beim ADAC Nordbaden. Manchmal beginne eine Demenz mit 50 Jahren und umgekehrt seien viele Senioren heute fitter als vor 20 Jahren. Ein verpflichtender Fahrtauglichkeits-Test wäre nach ADAC-Ansicht diskriminierend.

Anders sieht das Matthias Roth. Der Kürnbacher Facharzt für Inneres und Betriebsmedizin untersucht wöchentlich Kraftfahrer bei verkehrsmedizinischen Untersuchungen. Auch Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, sprach sich für die Tests aus. unterlaufen gesamtärztliche Checks und Sehtests. Wer beruflich Personen befördert, den prüft Roth seit zwölf Jahren zudem auf leistungspsychologische Fähigkeiten. Immer wieder begrüßt der Mediziner Rentner und andere, die mit Fahrdiensten etwas hinzuverdienen wollen. Viele kämen aus Verantwortungsgefühl. „Das kann man nicht hoch genug schätzen“, so Roth.

Männer gestehen seltener Fehler ein

Lkw-Fahrer unterlaufen gesamtärztliche Checks und Sehtests. Wer beruflich Personen befördert, den prüft Roth seit zwölf Jahren zudem auf leistungspsychologische Fähigkeiten. Immer wieder begrüßt der Mediziner Rentner und andere, die mit Fahrdiensten etwas hinzuverdienen wollen. Viele kämen aus Verantwortungsgefühl. „Das kann man nicht hoch genug schätzen“, so Roth.

Erste Anzeichen für Mängel wahrzunehmen, nicht zu ignorieren, sei wichtig, betonen beide – ob das die Augen betrifft, ob Gefühle von Unsicherheit auftreten oder sich kleine oder Beinahe-Unfälle häufen. Der ADAC fand heraus, dass Frauen solche Anzeichen meist leichter eingestehen könnten, sich selbstkritischer betrachten als Männer. Diese berufen sich gerne auf die lebenslange Fahrpraxis.

Schmerzmittel dämpfen Aufmerksamkeit

„Die Leistungseinbußen beginnen beim grauen Star, gehen über geringere Reaktionsschnelligkeit und enden nicht bei Medikamenten“, sagt Roth. Viele Medikamente, manche Schmerzmittel und vor allem Psychopharmaka, dämpften Wachsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, sagt er. Sich also über Auswirkungen von Arzneimitteln zu informieren, sei unabdingbar für die Sicherheit.

Psychopharmaka würden zudem heute weit häufiger verschrieben, sagt Roth. Und vor der Verschreibung von Opioiden – meist gegen chronische, oft orthopädische Schmerzen – sind die ärztliche Aufklärung und Dokumentation gar Pflicht. Besondere Vorsicht gelte bei Neuverordnung oder Dosis-Änderungen. Laut Deutscher Apothekerzeitung ergaben epidemiologische Studien, dass sich unter Opioiden das Unfallrisiko verdopple.

Defensives Fahren und Routine machen vieles wett

Thomas Hätty, ADAC, Leiter für Verkehr und Technik

Senioren verursachen selten Personenschäden

Während der ADAC vertritt, die Leistungsfähigkeit im Verkehr hänge auch stark von der Fahrpraxis ab, entgegnet Mediziner Roth, dass ältere Menschen eindeutig schneller ermüdeten. „Die Spanne der Konzentrationsfähigkeit und der Aufmerksamkeit lässt nach, die Kraft der Augen auch.“

Laut ADAC machten Senioren vieles wett mit vorsichtiger, defensiver und vorausschauender Fahrweise, mit hoher Regeltreue und Routine. Altersbedingte Leistungseinbußen würden so in den meisten Fällen kompensiert. Das sollen laut ADAC Zahlen zur Unfallhäufigkeit stützen. Senioren verursachten im Jahr 2017 etwa 16 Prozent der Unfälle mit Personenschäden, obwohl sie 21 Prozent der Bevölkerung ausmachten.

Das Gesamtbild ist nicht mehr wie in jungen Jahren.

Matthias Roth, Facharzt für Betriebsmedizin

Betriebsmediziner Roth: „Auch wenn Erfahrung und Umsicht vieles wettmachen, und die Brille bei schlechten Augen hilft, ist das Gesamtbild doch nicht mehr wie in jungen Jahren.“ ADAC-Mann Hätty: „Jemand, der bei Eintritt in die Rente häufig auch längere Strecken fährt, lange Urlaubsreisen macht, profitiert von Trainingseffekten“. Anders als manch Jüngerer, der kaum mehr als den Weg zum Supermarkt fahre.

Einiges spricht gegen verpflichtende Fahrtauglichkeit-Tests

Und, so Hätty: „Menschen altern unterschiedlich.“ Verpflichtende Fahrtauglichkeits-Tests ab höherem Alter gibt es in mehreren EU-Ländern, unter anderem in Skandinavien, sagt Hätty. Von ihrer Qualität ist er nicht überzeugt: „Sie sind nicht ausgereift. Sie stützten sich meist einseitig auf die Reaktionsfähigkeit.“

Dem widerspricht der Facharzt für Betriebsmedizin. Für Personenbeförderer gebe es heute schon sehr ausdifferenzierte psychometrische Tests, so Roth. Diese Computerprogramme prüften auch etwa, wie sicher der Prüfling Gefahrensituationen einschätze. Sie checkten ihn auf seine Belastbarkeit, seine Konzentrationsfähigkeit und seine Aufmerksamkeit.

Tests haben sich verbessert

„Diese psychometrischen Tests geben meines Erachtens eine sehr gute Grundlage ab zur Beurteilung der Fahrtüchtigkeit.“ Dank dieser Tests seien tausende von Vergleichsdaten hinterlegt, so Roth. Sie seien vom Gesetzgeber geprüft und zugelassen.

„Nach den Erfahrungen in meiner Praxis spräche einiges für verpflichtende Tests ab 70 Jahren“, sagt der Arzt. „Schließlich geht es um die Sicherheit vieler Verkehrsteilnehmer, und auch die der Senioren selbst.“

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