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Kresbsvorbeugung in Bretten

Wenn das Gift in der Einsatzkluft der Feuerwehr steckt

"Das Risiko, an Krebs zu erkranken, steigt bei Feuerwehrleuten bereits nach wenigen Einsatzjahren auf bis zu 30 Prozent an", sagt der Brettener Feuerwehrkommandant Oliver Haas. Deshalb versucht die Brettener Wehr, ihre Floriansjünger besser zu schützen - und zwar so.

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Ab in die Waschmaschine: Bei der Brettener Feuerwehr wird die mit Rauchgas kontaminierte Kleidung nach jedem Einsatz gewaschen. Der Kleiderwechsel findet noch an der Einsatzstelle statt, erklärt Feuerwehrkommandant Oliver Hass. Foto: Ebert

Rußverschmiert kommt er im Schutzanzug aus dem brennenden Haus – auf dem Arm ein Kind, das er aus den Flammen gerettet hat. Als Held wird der Lebensretter der Feuerwehr für seinen mutigen Einsatz in den Medien gefeiert. Die Geretteten werden ihm ewig dankbar sein. Der Flammenhölle ist der Feuerwehrmann zwar entronnen, doch einen mindestens genauso gefährlichen Feind nimmt er möglicherweise mit nach Hause.

Denn die Rauchgase, die bei jedem Brand entstehen, setzen ihre tückische Fracht auch in seiner Kleidung ab, dringen durch die Haut und über die Atemwege in den Körper ein. Davor will die Brettener Feuerwehr ihre Einsatzkräfte nun besser schützen.

Erhöhtes Krebsrisiko bei Feuerwehrleuten

„Das Risiko, an Krebs zu erkranken, steigt bei Feuerwehrleuten bereits nach wenigen Einsatzjahren auf bis zu 30 Prozent an“, sagt Oliver Haas. Der Kommandant der Brettener Wehr verweist dabei auf zahlreiche repräsentative internationale Studien. Dennoch werde Krebs als Berufskrankheit – anders als in Kanada, den USA oder Skandinavien – in Deutschland (noch) nicht anerkannt. dafür kämpft eine Initiative, die sich "FeuerKrebs" nennt.

„Wir arbeiten daran“, bekundet Haas und versucht derweil, in Bretten das Bestmögliche zum Schutz seiner Leute zu tun. Dass die Feuerwehrmänner, die im Rauch stehen, mit kompletter Schutzkleidung und Atemschutz ausgestattet sind, ist das eine. Dass die Einsatzkleidung unmittelbar nach dem Brand noch vor Ort ausgetauscht wird, das andere.

Kleiderwechsel noch am Einsatzort

„Früher stiegen die Feuerwehrleute nach dem Einsatz ins Auto und fuhren ins Feuerwehrhaus oder nach Hause und nahmen die gefährlichen Stoffe gleich mit“, berichtet Haas. Das gibt es in Bretten seit Herbst 2019 nicht mehr. Noch an der Brandstelle können die Einsatzkräfte die kontaminierte Kleidung – Jacke wie Hose – ablegen und Ersatzkleider anziehen. Die schmutzige Kleidung wird sorgsam verpackt und wandert mitsamt der Verpackung in die Waschmaschine. 40 solche Ersatzkleidungs-Sets stehen für die Brettener Wehr zur Verfügung. In einem beheizten Zelt oder Pavillon können sich die Löschkräfte zudem an Ort und Stelle mit Wasser, Seife und Reinigungstüchern vom gröbsten Schmutz befreien.

Früher stiegen die Feuerwehrleute nach dem Einsatz ins Auto und fuhren ins Feuerwehrhaus oder nach Hause und nahmen die gefährlichen Stoffe gleich mit.
Oliver Haas, Kommandant der Brettener Feuerwehr

Und auch im Feuerwehrhaus waltet die Vorsicht. Die schmutzige Wäsche wird gut verpackt an einer Tür angeliefert, die saubere geht durch eine andere Tür wieder raus. „Schwarz–weiß“ lautet das Schutzprogramm, wobei schwarz für rußig-schmutzig und weiß für sauber-dekontaminiert steht. Nicht nur die Einsatzkleidung, auch die Atemschutzgeräte und die Sauerstoffmasken werden gewaschen, gleiches gilt für die Schläuche. Die Mitarbeiter, die mit den verrußten Gerätschaften zu tun haben, tragen dabei Masken.

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Gründlich gereinigt werden im Brettener Feuerwehrhaus auch die Atemschutzmasken und-geräte, denn auch sie sind mit Giftstoffen belastet. Foto: Ebert

„Seit zwei Jahren führen wir diese Schwarz-weiß-Trennung Schritt für Schritt ein“, berichtet der Kommandant. Mittlerweile geht keiner der Feuerwehrleute nach einem Einsatz mit der Schutzkleidung in den Mannschaftsraum – nicht einmal bei kleineren Vorfällen. „In der Silvesternacht haben wir sogar nach einem Mülleimerbrand die Kleidung getauscht“, berichtet Haas.

Einheitliche Standards erwünscht

Wie kam es zu diesem Umdenken? Die Feuerwehrkommandanten der Großen Kreisstädte hatten sich bei einem Führungskräfteseminar im vergangenen Jahr das System der Mannheimer Berufsfeuerwehr angeschaut, die diese Schwarz-weiß-Trennung schon länger praktizieren. Seither versucht jede Wehr für sich, das Thema anzugehen.

In der Silvesternacht haben wir sogar nach einem Mülleimerbrand die Kleidung getauscht.
Oliver Haas

„Wünschenswert wären aber einheitliche Standards und klare Richtlinien der Politik“ sagt Haas. Für Feuerwehrhäuser gäbe es eine DIN-Norm, für den Umgang mit kontaminierter Einsatzkleidung sollte es Vergleichbares geben.

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Zwischen 750 und 1.000 Euro kostet eine Einsatzkelidungs-Set mit Jacke und Hose. 40 Ersatz-Sets hält die Brettener Wehr für den Kleiderwechsel vor Ort vor. Foto: Ebert

Bei der Umsetzung müsste das Land die Feuerwehren allerdings besser unterstützen, meint der Feuerwehrkommandant. Denn diese Sicherheitsmaßnahmen kosten Geld. Ein Ersatzkleidungs-Set mit Jacke und Hose schlägt mit 750 bis 1.000 Euro zu Buche, Bretten hält für seine 100 Atemschutzträger 40 solcher Sets vor. Außerdem kostet die Reinigung einer Einsatzausstattung samt Geräten rund 100 Euro.

Wünschenswert wären einheitliche Standards und klare Richtlinien der Politik.
Oliver Haas

Eine Jacke kann man 25-mal waschen, dann ist der Schutzfaktor dahin. „Bretten ist übrigens Dienstleister für die kleineren Feuerwehren aus dem Umland und reinigt deren Ausrüstung“, informiert Haas.

Ruß als Gefahrstoff nicht erkannt

„Vor 20 Jahren hat man Ruß überhaupt nicht als Gefahrstoff betrachtet und die Einsatzkleidung zum Teil sogar zum Waschen mit nach Hause genommen“, weiß auch Kreisbrandmeister Jürgen Bordt zu berichten. Seit zehn Jahren sei das Thema stärker ins Bewusstsein der Feuerwehren gerückt, doch noch immer bestehe Handlungsbedarf. Wobei nicht nur der einzelne Feuerwehrmann oder die Feuerwehrfrau gefordert sei, selbst präventiv zu agieren und die Kleidung regelmäßig zu wechseln. Auch die Führungskräfte müssten ihre Leute permanent für das Thema sensibilisieren.

Vor 20 Jahren hat man Ruß überhaupt nicht als Gefahrstoff betrachtet und die Einsatzkleidung zum Teil sogar zum Waschen mit nach Hause genommen.
Kreisbrandmeister Jürgen Bordt

Handlungsbedarf besteht laut Bordt auch bei den Feuerwehrhäusern. Dort müsste man bei Neubauten oder Erweiterungen durch die Anordnung der Räume sicherstellen, dass die Einsatzkräfte nicht unnötig mit Gefahrstoffen in Berührung kommen. „Jedes Löschfahrzeug hat heute auch eine Hygieneausstattung dabei, die eine Grobreinigung am Einsatzort ermöglich. Für die Einstufung von „Feuerkrebs als Berufskrankheit“ fehlen nach Bordts Einschätzung noch belastbare Studien aus Deutschland.

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