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Bruchsaler in Berlin

Arbeitsbelastung von Bundestagsabgeordneten: 70-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit

Gleich zwei Bundestagsabgeordnete haben in den vergangenen Tagen einen Schwächeanfall erlitten. Nun wird diskutiert: Ist die Arbeitsbelastung im Bundestag zu hoch? Immerhin wird oft bis spät in die Nacht getagt. Olav Gutting und Danyal Bayaz wissen um die Belastung. Hobbys oder Familie kommen oft zu kurz.

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DER DEUTSCHE BUNDESTAG in Berlin besteht aus 709 Abgeordneten. Zwei Parlamentarier sind zuletzt bei Sitzungen zusammengebrochen. Das hat eine Debatte entfacht, ob die Arbeitsbelastung der Politiker zu hoch ist. Die beiden Bruchsaler Vertreter Olav Gutting und Danyal Bayaz haben ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. Foto: dpa

Grundrente, Soli-Abschaffung, Masernimpflicht – die Sitzungswochen des Deutschen Bundestages verlangen den Abgeordneten gerade einiges an Durchhaltevermögen ab. Meldungen über Zusammenbrüche von Politkern machen die Runde. Aber wie sieht er denn aus, der Arbeitsalltag eines Abgeordneten? Die BNN haben bei Danyal Bayaz (Bündnis 90/Grüne) und Olav Gutting (CDU) nachgefragt. Sie vertreten den Wahlkreis Bruchsal/Schwetzingen in Berlin.

Von Monika Eisele

70 bis 80 Stunden Arbeit in Sitzungswochen sind keine Seltenheit, sagen beide. „Die Nachtsitzungen am Donnerstag sind anstrengend, aber eben nur einmal die Woche. Deshalb gibt’s keinen Grund zu jammern. Entscheidender finde ich da, wie sehr es auch die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung betrifft, die bis frühmorgens protokollieren müssen, oder mein Team im Büro“, so Bayaz. Er sei zwar ein politischer Mensch, habe aber keine Ahnung gehabt, was auf ihn zukomme, und kein Gefühl dafür, wie sich so ein Tag konkret gestalte. „Ich war vorher in der Wirtschaft tätig und habe ebenfalls häufig mehr als 60 Stunden gearbeitet. Aber es war doch anders: vorhersehbarer, besser planbar, freie Wochenende“, so seine Erfahrung nach zwei Jahren Bundestag.

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Danyal Bayaz ist seit zwei Jahren Mitglied des Bundestags, er sitzt für die Grünen im Parlament. Foto: dpa

Sitzung bis Mitternacht - dann Arbeitsfrühstück

CDU-Mann Gutting ist schon seit 17 Jahren im Bundestag. Er stellt fest, dass Plenartage am Donnerstag seit einiger Zeit fast immer bis weit nach Mitternacht gehen. „Da es aber Freitagfrüh, oftmals mit einem Arbeitsfrühstück, schon weitergeht, muss man schauen, dass man wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf bekommt.“ Als Selbstständige sind beide an ein hohes Arbeitspensum gewöhnt. „Eine Sitzungswoche in Berlin ist geprägt von Team-, Fraktions-, Ausschuss- und Plenarsitzungen. Abends finden häufig Empfänge oder Panel-Diskussionen statt. Zwischendrin versuche ich Unterlagen zu lesen, E-Mails zu beantworten, Gespräche zu führen“, beschreibt Bayaz seinen Arbeitsalltag.

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Olav Gutting ist seit 17 Jahren für die CDU Abgeordneter. Foto: dpa

Richtig abschalten ist wichtig

In Themen wie etwa Organspenden oder Auslandseinsätze, die nichts mit seiner Profession als Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater zu tun haben, versucht er sich einzuarbeiten. „Richtig abschalten und durchschnaufen ist mir sehr wichtig, auch um zu reflektieren, ob wir uns mit den richtigen Sachen beschäftigen. Zweifeln und in Frage stellen, etwas Abstand vom parlamentarischen Tagesgeschäft zu bekommen, das darf nicht zu kurz kommen“, findet der Grüne.

Themen zu durchdringen, braucht Zeit

Mehr Zeit und Ruhe, um Themen zu durchdringen, wünscht sich auch Gutting. „Gerade im Finanzsektor mit seiner hohen Komplexität und wenn viele Gesetzesbeschlüsse anstehen, hat man das Gefühl, nicht genug Zeit zu haben, um sich ausführlich mit den Details auseinandersetzen zu können.“ Das Arbeiten unter Fristendruck sei er jedoch aus seiner Zeit als selbstständiger Rechtsanwalt gewohnt.

Zehnerkarte fürs Fitnessstudio

Während der Sitzungswochen komme Privates oder Entspannung deutlich zu kurz oder gar nicht vor, sagen Bayaz und Gutting. Bayaz versucht sich zumindest die Sonntage frei zu halten, „was nicht immer gelingt“.

Gutting hat sich vor einem Jahr eine Zehnerkarte fürs Fitnessstudio gekauft „acht Punkte sind noch immer drauf“. Die Zeit im Wahlkreis sei da entspannter, sagt Bayaz, weniger Termine, mehr Zeit für Gespräche, den Besuch sozialer Einrichtungen oder Unternehmen. „Ich treffe Menschen, die für ein Thema oder eine Sache brennen, lasse mich inspirieren. Und hier vor der Tür haben wir mehr grüne Natur als in Berlin, das fehlt mir in langen Sitzungswochen“, sagt er.

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Atmosphäre hat sich verändert

Einen weiteren Stressfaktor erkennen Bayaz und Gutting im Umgang. „Die Tatsache, dass aktuell sechs Fraktionen im Bundestag vertreten sind, spürt man schon. Mit dem Einzug der AfD sei auch die Atmosphäre schärfer geworden. Kollegiale Zusammenarbeit, über die Fraktionen hinweg, gestaltet sich leider immer schwieriger. Das habe ich vorher anders empfunden“, sagt Gutting.

Dass Kollegen zusammen brechen, stimme nachdenklich, so Bayaz und plädiert dafür, auch mal inne zu halten. „Menschlich habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit allen demokratischen Fraktionen. Dennoch ist der Ton insgesamt sehr rau, vor allem in den sozialen Medien“.

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