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Nachkriegsarchitektur

Architekt: "Bruchsal ist schöner, als die meisten denken"

Ist die Architektur, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Bruchsal entstanden ist, lieblos? Nein, sagt Hartmut Ayrle, Leiter des Stadtplanungsamts und selbst Architekt. Im Gespräch mit BNN-Redaktionsmitglied Dimitri Taube verrät er, was die Wiederaufbau-Architektur ausmacht – und wo er sich selbst in der Stadt am liebsten aufhält.

Erdgeschoss mit Laden, zwei Stockwerke und ein Dach: Solche Häuser wie hier am Marktplatz sind Hartmut Ayrle zufolge typisch für die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg in Bruchsal. „Wir haben eine Innenstadt wie aus einem Guss“, sagt der Leiter des Stadtplanungsamts.
Erdgeschoss mit Laden, zwei Stockwerke und ein Dach: Solche Häuser wie hier am Marktplatz sind Hartmut Ayrle zufolge typisch für die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg in Bruchsal. „Wir haben eine Innenstadt wie aus einem Guss“, sagt der Leiter des Stadtplanungsamts. Foto: dt

Finden Sie als Architekt Bruchsal schön?

Ayrle: Bruchsal ist sicher keine Puppenstube wie manche anderen Städte, und hier gibt es keine Wohlfühlgemütlichkeit zum Reinschlüpfen. Aber die Stadt ist schöner, als die meisten denken.

Warum sehen die meisten das anders?

Ayrle: Mein Eindruck ist: Viele, die in Bruchsal geboren und aufgewachsen sind, empfinden die Nachkriegsarchitektur als lieblos. Aber ich kann jedem, der das so sieht, nur empfehlen, mit einem zweiten Blick nochmal genauer hinzugucken.

Welche Beispiele haben Sie für architektonisch wertvolle Nachkriegsarchitektur?

Ayrle: Die Qualität von Bruchsal ist nicht, dass es einzelne herausragende Gebäude gibt, sondern dass die Stadt als Ganzes architektonisch etwas zu bieten hat. Das besondere Merkmal ist die Einheitlichkeit.

Wir haben eine Innenstadt wie aus einem Guss.

Das liegt daran, dass im Zweiten Weltkrieg 80 Prozent der Häuser zerstört und dann in einem Zug wiederaufgebaut wurden – innerhalb von 15 Jahren. Durch diese Homogenität entstand ein bestimmtes Stadtbild. Dazu gehören aber nicht nur Nachkriegsbauten, sondern auch die Postmoderne, die in den 80ern dazugekommen ist – zum Beispiel mit dem Technischen Rathaus, dem Bürgerzentrum und dem Schuhhaus Berg.

Was macht die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg aus?

Ayrle: Eine unaufgeregte Bausprache. Charakteristisch dafür ist die Gliederung mit Erdgeschoss, zwei Stockwerken und Dach. Im Erdgeschoss befindet sich meist ein Laden, dann gibt es zwei Stockwerke mit Büros oder Wohnungen oder beidem und abschließend das Dach.

Diese unterschiedliche Nutzbarkeit ist großartig. Charakteristisch ist auch, dass viele Fassaden eine symmetrische Grundstruktur aufweisen. Außerdem dominieren Fenster, die breiter als hoch sind.

Was ist der größte Unterschied zwischen der Architektur vor dem Krieg und der Bauweise nach dem Krieg?

Ayrle: Die Architektur vor dem Krieg war aufregender, dekorativer. Man konnte nach dem Krieg aber nicht einfach so weiterbauen wie zuvor. Architekten mussten eine neue Formensprache finden. Eine, die weder nationalsozialistisch noch kommunistisch verbraucht war.

So entstand in Bruchsal – und in allen Wiederaufbaustädten – eine unaufgeregte Architektur mit weniger Applikationen. Wenn verziert wurde, dann konzentrierte man sich eher auf Balkone, Dachrinnen und Sockel. Dort finden sich bis heute liebevolle Details, zum Beispiel Wappen, Jahreszahlen und Handwerksobjekte. Sie haben anlässlich des Tags des offenen Denkmals eine Führung zum Thema Wiederaufbau-Architektur angeboten.

Wie war die Resonanz?

Ayrle: An der Führung haben etwa 40 Leute teilgenommen. Die Hälfte waren Nicht-Bruchsaler.

"Die Stadt ist schöner, als die meisten denken", ist Hartmut Ayrle überzeugt.
"Die Stadt ist schöner, als die meisten denken", ist Hartmut Ayrle überzeugt. Foto: pr

Was ich so herausgehört habe, fanden es die meisten interessant, das Alte und das Neue in der Stadt zusammen zu sehen.

Und nehmen jüngere Bruchsaler die Stadt anders wahr?

Ayrle: Ja, das ist zumindest mein Eindruck. Sie haben tendenziell einen anderen Blick auf die Stadt und ihre Architektur – nämlich einen positiveren. Das sehe ich beispielsweise bei meinen Söhnen. Deshalb denke ich: Je länger die alten Zeiten zurückliegen, desto schöner wird man Bruchsal finden.

Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Stadt?

Ayrle: Der Blick vom Gran Caffe am Schönbornplatz entlang der Pfeilerstraße zum Bergfried. Ich halte mich dort sehr gerne auf. Da spüre ich italienisches Flair und Lebensfreude. Und dort gibt es auch einiges von der Wiederaufbau-Architektur zu sehen.

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