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Vereine stoßen an ihre Grenzen

Aus der Vergangenheit gelernt: Neues Sicherheitskonzept für Bruchsaler Umzug

Steigende Sicherheitsauflagen machen den Vereinen im Narrenkreis Bruchsal immer mehr zu schaffen. Aber auch mit alkoholisierten Jugendlichen gibt es zunehmend Probleme. Polizei und Behörden reagieren mit einem neuen Sicherheitskonzept auf die Auswüchse.

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Die Fastnachtsvereine haben zunehmend weniger Personal für die steigenden Sicherheitsanforderungen während der Umzüge - hier der Umzug 2019 in Bruchsal. Foto: Stieb (Archiv)

Mit 14 Straftaten und 46 Platzverweisen ist der Fastnachtsumzug vom 4. Februar 2018 bei der Polizei noch in schlechter Erinnerung. Seitdem wird am Sicherheitskonzept für den Bruchsaler Umzug gefeilt, der am Sonntag, 16. Februar, stattfindet. Über 90 Seiten dick sind mittlerweile die Auflagen für die Organisatoren. „Die Vereine stoßen dabei an ihre Grenzen“, erklärt Mario Decker, Präsident des Narrenkreises Bruchsal.

So muss das Komitee Bruchsaler Fasnachtsumzüge (KBF) in enger Abstimmung mit Polizei, Stadtverwaltung und Vereinen die Lautstärke der Beschallungsanlagen, die Umzugswagen und den Einlass an den Straßensperren kontrollieren.

Der Narrenkreis Bruchsal vertritt 26 Vereine aus dem alten Landkreis Bruchsal. Wie viele Vereine haben auch die Narren mit Nachwuchsproblemen und steigenden Kosten durch die Sicherheitsauflagen zu kämpfen.

Sanierungsarbeiten zwingen zum Umdenken

Dazu kommen Entwicklungen, auf die die Organisatoren keinen Einfluss haben: So findet wegen den Sanierungsarbeiten an der Moltkebrücke die Aufstellung der 108 Gruppen in diesem Jahr in der Württemberger Straße statt. Wenn sich das Konzept bewährt, soll der Umzug auch in Zukunft dort starten, so die Brauchtumskoordinatorin bei der Stadt Bruchsal, Alexandra Geider. Die Laufrichtung des Umzugs mit 2.500 Teilnehmern wird 2020 ebenfalls anders sein, und zwar „gegen den Uhrzeigersinn“.

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Wegen den Bauarbeiten an der Moltkebrücke läuft der Umzug am 16. Februar in Bruchsal etwas anders. Foto: Stadt Bruchsal

„Ein bisschen kürzer, dafür interessanter“, so beschreibt Uwe Mangang, stellvertretender Revierleiter in Bruchsal den Streckenverlauf, der den bisherigen Brennpunkt Friedrichsplatz nur noch am Rande streift. Das hat einen Grund: 200 Personen, viele mit Migrationshintergrund, waren 2018 von außerhalb angereist und hatten dort versucht, Schlägereien zu provozieren, erzählt Mangang. Die Polizei, die mit starker Präsenz vor Ort war, reagierte mit Platzverweisen und geleitete die Gruppe zum Bahnhof.

Ein bisschen kürzer, dafür interessanter.
Uwe Mangang, stellvertretender Revierleiter in Bruchsal, über den neuen Streckenverlauf des Umzugs

Mangang hofft, dass die Polizei die Gruppe damit für künftige Umzüge vergrätzt habe. Sicherheitshalber habe man dieses Jahr zusätzliche Kräfte angefordert.

Jugendliche kommen schon betrunken

Auch betrunkene Jugendliche werden zunehmend zum Problem. Die Auswüchse – Graffiti, Verschmutzungen und beschädigte Sitze in den Bussen und Randale – fallen auf die Fastnachtsvereine zurück, bedauert Mario Decker. Er fordert eine bessere Kontrolle durch die Eltern. „ Der Großteil kommt schon ,angeschossen’ an “, hat auch der stellvertretende Revierleiter festgestellt.

Entlang der Umzugsstrecke für die erwarteten 10.000 Besucher herrscht ein Verbot für Hochprozentiges. Literweise wurden in der Vergangenheit PET-Flaschen mit alkoholischen Mixgetränken weggeschüttet.

Bundespolizei überwacht Bahnhöfe

Gezielt sprechen seit drei Jahren Polizei und Jugendschutzstreifen des Landkreises Jugendliche an. Beim Umzug 2019 war das 430 Mal. 13 Jugendliche waren so stark alkoholisiert, dass sie ärztlich versorgt werden mussten. Die Jugendschutzteams werden auch 2020 unterwegs sein – und im Anschluss das Gespräch mit den Eltern suchen.

Selbst die An- und Abreise der Umzugsbesucher wird überwacht, in dem Fall von der Bundespolizei. Dabei werde ein Augenmerk auf alkoholisierte Personen und gewaltbereite Gruppen sowie unerlaubte Gleisquerungen gelegt, teilt Pressesprecherin Daniela Barg mit.

Vereinen fehlt das Personal

Während die Behörden für die Sicherheit der Umzugsteilnehmer und -besucher alle Kräfte mobilisieren, wissen die Vereine nicht mehr, woher sie Personal für Einlasskontrollen und Zugbegleitung nehmen sollen. Der HSG Untergrombach hilft bei der Kontrolle in Bruchsal aus, sonst wäre es für das KBF, nicht zu stemmen, erläutert Erika Deutermann, die für die Organisation zuständig ist. Umzugswagen müssen mittlerweile so gesichert werden, dass niemand unter die Aufbauten und Räder geraten kann.

Ordnerin geriet unter Wagen

Mario Decker erinnerte an einen Vorfall in Hambrücken vor drei Jahren, als eine Ordnerin unglücklich stolperte und vom Rad des eigenen Umzugswagens überrollt wurde: „Das können sie fast nicht verhindern.“ Weder beim Fahrer noch bei der Ordnerin war Alkohol im Spiel. Aber die Fahrer stehen in der Verantwortung – kein Wunder, dass sie immer schwerer zu finden seien. Auch insgesamt geht die Zahl der Umzugswagen zurück. In Philippsburg oder Graben-Neudorf dürfen keine Sattelzüge und Lkw mehr fahren.

Sicherheitskontrolle und Lärmmessungen

Beim Bruchsaler Komitee für Fasnachtsumzüge geht man auf Nummer sicher und kontrolliert vor dem Start die Wagen, sagt Erika Deutermann. Die Musik auf den Wagen darf neuerdings an der Aufstellungsstrecke maximal 60 Dezibel betragen, um die Anwohner nicht zu belästigen – auch hier will die Stadt noch Erfahrungen sammeln. Während des Umzugs muss die Anlage auf 90 Dezibel begrenzt werden. Toilettenwagen und Dixie-Klos entlang der Umzugsstrecke sollen verhindern, dass Narren mit drängenden Bedürfnissen sich einfach in Toreinfahrten und Hinterhöfen erleichtern – das hat in der Vergangenheit bei den Anwohnern für einigen Unmut gesorgt.

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