Skip to main content

14 Betriebe schlachten selbst

Corona-Krise verstärkt Nachfrage: Der Metzger um die Ecke ist im Kreis Karlsruhe noch gefragt

Es schadet nicht, mehr über die Vergangenheit des Schnitzels auf dem Teller zu wissen. Wird das Tier etwa in der Region geschlachtet und verarbeitet, hat es einen kurzen Transportweg. Das macht sich in der Fleischqualität bemerkbar. In der Corona-Krise spüren vor allem die Metzger um die Ecke eine verstärkte Nachfrage.

Bei der Arbeit: Jörg Deckinger aus Kraichtal-Oberöwisheim schlachtet jede Woche etwa 15 bis 20 Schweine.
Bei der Arbeit: Jörg Deckinger aus Kraichtal-Oberöwisheim schlachtet jede Woche etwa 15 bis 20 Schweine. Foto: Buss

Von Martin Stock

Es gibt sie noch, die Metzger, die selbst schlachten und Schnitzel, Steaks und Braten herstellen. Dazu Leber- und Blutwurst, Schwartenmagen, Kartoffelwurst, Bierschinken, Krakauer und andere Wurstsorten, sowie auch Fleisch- oder Wurstsalat.

„Wir haben noch 14 Metzger in der Innung, die selbst schlachten“, sagt Sven Herrwerth aus Kirrlach, Obermeister der Fleischerinnung im Landkreis Karlsruhe. Auch Herrwerth hat noch sein eigenes Schlachthaus. „Wir kennen die Landwirte, die die Tiere aufziehen, und wissen um die hohe Fleischqualität, die wir erhalten.“

Aber auch für die anderen Metzgereien in der Innung, die nicht selbst schlachten, kann Herrwerth nach eigenen Angaben geradestehen. „Sie erhalten ihr Fleisch von hiesigen kleinen Schlachthöfen in Bretten und Mannheim oder auch von Erzeugergemeinschaften aus dem Hohenloher Land, die eine artgerechte Tierhaltung oder gar Bio-Qualität garantieren.“

Wir verwerten alle Teile der Tiere.
Jörg Deckinger , Metzger

Aus dem Fleisch dieser Tiere entstehen dann die erwähnten vielfältigen Wurst- und Fleischwaren, die immer stärker gefragt sind. Wenn auch der Fleischkonsum in Deutschland pro Kopf insgesamt zurückgeht, wie es im Jahrbuch des Deutschen Fleischer-Verbandes steht, so haben die handwerklichen Metzger doch weiterhin gute Absatzchancen.

Nachwuchs fehlt

„Es fehlen uns aber die jungen Menschen, die unser Handwerk noch erlernen wollen“, sagt Herrwerth. „Die Tiere, die wir schlachten und verarbeiten, haben nur kurze Transportwege vom Landwirt bis zu uns“, sagt Jörg Deckinger aus Kraichtal-Oberöwisheim. „Sie sind nicht dem Stress langer Fahrten und von Massentransporten ausgesetzt.“ Das schone die Tiere und mache sich in der Fleischqualität bemerkbar.

Deckinger ist Metzger aus Leidenschaft. Er hat den Betrieb von seinem Vater übernommen und schlachtet jede Woche etwa 15 bis 20 Schweine und fünf Stück Großvieh. „Wir verwerten alle Teile der Tiere“, sagt Deckinger. „So können wir auch Kutteln und Saure Nierle anbieten, heute eine Seltenheit, sowie getrocknete Schweineohren für den Hund.“

Der größte Teil der Produkte geht über die eigene Ladentheke in Oberöwisheim und Münzesheim. Dazu liefert Deckinger auch an Hofläden in der Region und andere Metzgereien. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt er in seinen beiden Läden. Ausgebildete Metzger und Metzgermeister sowie eine erfahrene Fachkraft sorgen für den täglichen Nachschub.„Unsere Mitarbeiter sind schon lange bei uns im Betrieb und haben entsprechende Berufserfahrung“, sagt Deckinger. Daniel Fritsch, einer von ihnen, hält sogar selbst einige Hereford-Rinder.

Der Weg für Thomas Martin aus Gochsheim war nicht durchs Elternhaus vorgezeichnet. Er sollte wie sein Vater „zur Post gehen“, aber er hatte Freude am Metzgerberuf gefunden und verfolgte beharrlich sein Ziel. Am Anfang standen Hausschlachtungen, die er bei Schweinehaltern durchführte, bis er seine Metzgerei mit eigener Schlachtung aufbaute.

Änderung im Verbraucherverhalten

Ihn begeistert immer wieder aufs Neue, wie man aus dem „Rohstoff“ Fleisch eine große Vielfalt von wertvollen Nahrungsmitteln herstellen kann. Er stellt eine Veränderung im Verbraucherverhalten fest, was durch die Corona-Krise offensichtlich noch verstärkt wird. „Junge Leute und auch Familien kochen vermehrt selbst und wollen gute Zutaten“, sagt er. „Und deshalb kommen sie zum Metzger ihres Vertrauens.“

Beim Einkauf gibt es dann auch Zubereitungstipps und eine Beratung, welches Fleisch für welchen Zweck am besten geeignet ist. Auch bei Michael Kerle in Kronau ist überwiegend Ware aus Selbstgeschlachtetem in der Kühltheke. „Jeder Metzger hat seine eigenen Rezepturen und Geschmacksvorstellungen“, sagt Kerle.

„Wir verwenden unsere eigenen Gewürzmischungen, eine Art Betriebsgeheimnis.“ So gebe es keinen „Einheitsgeschmack“ bei der Wurst und jedes Produkt sei ein Original. „Wir haben in der Innung zwar Rückgänge durch die Corona-Krise, weil es derzeit keine großen Feste gibt, aber der Ladenverkauf hat zugenommen“, sagt Innungsobermeister Herrwerth.

„Die Kunden achten doch verstärkt auf Qualität.“ Zum Wegfall der Partyservice-Aufträge sagt Thomas Martin nur: „Ausschlafen können am Sonntagmorgen ist auch mal ganz angenehm.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang