Sie ist eine Seitenstraße im Zentrum und spielt doch bis heute eine Hauptrolle im Bruchsaler Stadtbild: die Huttenstraße. In ihrem unteren und mittleren Teil erhält man einen Einblick, wie barocke Wohngebäude in Bruchsal einmal aussahen. Dort lebten fürstbischöfliche Beamte und später Handwerker. Im Krieg und beim Wiederaufbau blieb das einzigartige Ensemble durch Glücksfälle weitgehend erhalten.
Nur bei Hausnummer 15 standen bis vor kurzem eine flache Kriegsruine sowie ein Nachkriegsbau in zweiter Reihe. Nun ist aber gerade um die Lücke herum eine Kontroverse entstanden, die viele in der Stadt verfolgen. Die aktuelle Straßensperrung dokumentiert es unübersehbar: In der Huttenstraße wird gebaut. Durch die gemeinnützige Bruchsaler Bürgerstiftung.
Zu wenig Rücksicht auf denkmalgeschützte Umgebung?
Wird bei ihrem Projekt zu wenig Rücksicht auf die überwiegend denkmalgeschützte Umgebung genommen? Ja – dieser Meinung ist Florian Jung (Foto: staronwerk). Der Lehrer am JKG, Enkel des Wiederaufbauarchitekten Eduard Holoch, wohnt in der Huttenstraße und ist Eigentümer. Der Historiker gehört der „Stadtgeschichtlichen Kommission“ an. Sie hat ein Dossier von ihm an die Bürgerstiftung geschickt. Darin listet der 44-Jährige problematische Neubau-Details für das Erscheinungsbild der Straße auf.
Er hält zudem als Privatperson am 9. Januar einen Vortrag über den Umgang mit der Huttenstraße. Dagegen sagt Gilbert Bürk, Vorsitzender des Vorstands der Bürgerstiftung: „Ich kann die Diskussion um das Projekt überhaupt nicht verstehen. Es gibt für das, was in der Huttenstraße 15 abgebrochen wurde und jetzt gebaut wird, keinen festegelegten Denkmal- oder Ensembleschutz. Wir haben uns schon überlegt, wie das Neue hineinpasst, und die Baugenehmigung ging den regulären Gang.“
Mit dem Haus erwirtschafte die Stiftung wichtige Erträge, wenn Büros für die angrenzende Kanzlei, eine Wohnung und Gruppenräume für Pfadfinder entstehen.“
Florian Jungs Einwände wiederum betreffen keine Formalien, sondern die Architektur: Beim entstehenden Bau sind die Fenster in Zweiergruppen angelegt. Es fehlen Fenstergewänder und Gauben, die Traufhöhe stimmt nicht mit der Nachbarschaft überein, der Sockel sei mit drei Metern zu hoch. All das unterscheide sich stark von den barocken Häusern der Umgebung. Schließlich sei auch der alte Torbogen nicht integriert,
Schon ein einziges Gebäude kann die barocke Gesamtansicht störenFlorian Jung
„Schon ein einziges Gebäude kann die barocke Gesamtansicht stören, das sieht man am Kübelmarkt, wo ein Haus von 1959 den barocken Wiederaufbau konterkariert“, argumentiert Jung. Er plädiert sozusagen für einen „ästhetischen Ensembleschutz“. „Zumal die Bürgerstiftung laut Satzung Landschafts- und Denkmalschutz fördern will.“
Der Historiker verweist darauf, dass andere Besitzer in der Straße ihrerseits viel in den Denkmalschutz investieren müssten. Jung möchte immer noch erreichen, dass freiwillig auf seine Hinweise eingegangen wird. Was noch möglich sei. „Die Bürgerstiftung könnte ein Zeichen des Geschichtsbewusstseins setzen.“ Mit Dossier und Gesprächen warb Jung bislang für seine Position.
Informationstermin am 9. Januar im Pfarrsaal St. Paul
Am Donnerstag, 9. Januar, wird er um 19.30 Uhr im Pfarrsaal St. Paul auch über die Luisenstraße und andere – gelungene wie schlechte – Beispiele beim Umgang mit historischer Bausubstanz sprechen. Auf Einladung des Vereins „Bruchsalia“.
Für Gilbert Bürk geht Jung von falschen Vorstellungen aus: „Bei Neubauten gibt es energetische Vorschriften, und Dachgauben sind gar nicht möglich. Wir dürften mit dem Stiftungsgeld gar nicht so umgehen, dass wir denkmalbedingt mehr ausgeben, wenn es nicht vorgeschrieben ist.“ Im Übrigen habe er 45 Jahre in der Huttenstraße 17, also nebenan, gewohnt und kenne die Situation. „Wir stellen kein Haus mit Glasfassade hin.“
Nach Anregungen wurde der Torbogen gesichert, er soll später im Innenhof aufgestellt werden. Bürk fürchtet sogar, dass die Stiftung durch die Diskussion Schaden nehmen könnte. Und was sagt die vom Baubeginn überraschte „Kommission für Stadtgeschichte“ inzwischen zur Kontroverse? „Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadtverwaltung im Vorfeld auf uns zukommt und unsere Expertise einholt“, findet der Vorsitzende Werner Schnatterbeck.
Er persönlich sehe aber, dass es bei Architekten unterschiedliche Ansätze gebe, wenn eine historische Nachbarschaft zu berücksichtigen ist, wie jetzt in der Huttenstraße, „Wir sollten daraus lernen, bei ähnlichen Fällen in Zukunft zusammen nachzudenken, wenn es um Eingriffe oder Veränderungen bei historischer Bausubstanz geht“, so Schnatterbeck.