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Berühmte Tabakdynastie

Untergrombach lässt sie nicht los: Jeanine Meerapfel steht an der Spitze der Berliner Akademie der Künste

Untergrombach? „Dort will ich noch in diesem Jahr drehen“, sagt Jeanine Meerapfel. Die in Argentinien geborene und in Berlin lebende Filmregisseurin kennt den Bruchsaler Stadtteil gut. Denn: „Aus Untergrombach stammen meine Vorfahren.“ Heute ist Meerapfel die Präsidentin der Akademie der Künste in Berlin. Gerade hat sie das Bundesverdienstkreuz bekommen.

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Jeanine Meerapfel, ist seit 2015 Präsidentin der Berliner Akademie der Künste. Die Familie der Deutsch-Argentinierin stammt aus Untergrombach. Foto: Jörg Carstensen dpa

Von Michael Nückel

Schon mehrfach hat sie hier den Wurzeln ihre Familie nachgespürt. Auch für ihren jüngsten Film über ihre Mutter Malou sucht die international ausgezeichnete Filmemacherin bestimmte Orte auf: Die Häuser ihrer Großeltern, Eltern, Onkel und Tanten in der Büchenauer Straße und Bachstraße, das große Tabaklager, das bis heute die führende Rolle der Meerapfels bei der Herstellung und dem Vertrieb von edlen Rauchwaren bezeugt – und natürlich die Gräber ihrer Familie auf dem Jüdischen Friedhof auf dem Eichelberg.

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DER TABAKANBAU PRÄGTE EINST DIE REGION. Davon zeugen auch heute noch einige Gebäude, wie dieses gut erhaltene Tabaklager in Untergrombach. Die Familie Meerapfel stieg einst zu einer der bedeutendsten Tabakunternehmen weltweit auf. Diese Geschichte fasziniert Jeanine Meerapfel bis heute. Foto: Martin Heintzen

Engagement gegen Diskriminierung und Gewalt

Spätestens seit dem Bürgerempfang 2017 ist Jeanine Meerapfel in Bruchsal keine Unbekannte mehr. Erst vor Kurzem wurde die Filmemacherin mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2017 knüpfte sie Kontakte zu Menschen, die von ihren Untergrombacher Vorfahren berichten können. Und sie zeigte ihren Film „Der deutsche Freund“ vor Bruchsaler Schülern.

In dieser Arbeit wie auch in dem Streifen „Im Land meiner Eltern“, erzählt sie ihre Geschichte, kommen Erfahrungen der erzwungenen Emigration nach Argentinien und aktuelle Probleme jüdischen Lebens in Deutschland zur Sprache.

Als Meerapfel nun das Bundesverdienstkreuz erhielt, schickte die Bruchsaler Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick Grüße nach Berlin: „Ihr Engagement gegen Diskriminierung und Gewalt ist wegweisend in einer Zeit, in der auch rechtsextreme und antisemitische Positionen in Deutschland wieder an Boden gewinnen.“

Weltweit bedeutender Tabakhandel

Aus dem Kraichgaudorf Michelfeld kam die Familie des Maier Meerapfel 1820 nach Weingarten und zog 1840 weiter nach Untergrombach – und hier stiegen „M. Meerapfel & Söhne“ zu einer der bedeutendsten Tabakhandlungen weltweit auf.

Jakob, Philipp und Ernest hießen die Söhne von Maier Meerapfel. Philipp machte neben dem Tabakgeschäft politisch Karriere: 1919 wurde er für die SPD in die Kreisversammlung Karlsruhe gewählt. Eine Info-Tafel des Untergrombacher Heimatvereins in der Büchenauer Straße erinnert daran. Darauf findet sich ein Foto von 1926, das zum 50. Geburtstag von „M. Meerapfel & Söhne“ entstand: Stolz wie eine Fußballmannschaft präsentieren sich darauf die 50 Mitarbeiter mit ihren Chefs vor dem Firmensitz in der Bachstraße 2.

Tabaklager könnte zum Museum werden

Nur einen Steinwurf entfernt – das Tabaklager. Jeanine Meerapfel ist begeistert: „Da stehen ja noch viele der alten Tabakpressen für die Deckblätter der Zigarren“, sagt sie. Deshalb will sie dort „mit der Kamera nochmal rein“. Und ja, man könnte aus dem alten Lager ein Museum für die Geschichte der Tabakveredelung in Baden machen, sagt sie. Doch gibt sie sofort zu Bedenken: „Das würde natürlich einiges kosten.“

Immerhin, einfach plattmachen lässt sich der Backsteinbau nicht mehr. Denn: „Das Gebäude steht unter Denkmalschutz“, betont Martin Lauber. Der Untergrombacher und seine Mutter Barbara sind mit der Geschichte ihres Ortes bestens vertraut. Mehrmals im Jahr und auf Nachfrage berichten sie über die Meerapfel-Dynastie, ihren Aufstieg und deren Vertreibung aus Deutschland.

Familie gelangte ins Exil nach Buenos Aires

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wanderten die Meerapfels aus, Jakob und Ernest mit ihren Familien. Die Eltern von Jeanine, Karl (Carlos) und Malou Meerapfel, gelangten über Rotterdam nach New York und 1940 nach Buenos Aires.

Da ihr Vater nebenbei begeisterter Amateurfilmer war, verfügt die professionell filmschaffende Tochter heute über einzigartige Bilddokumete ihrer Familie. Ein Streifen dokumentiert die Ausreise auf dem Schiff von Lissabon nach New York. Meerapfel: „Darauf ist auch meine neugeborene Schwester Denise zu sehen.“

Meine Verwandten und Bekannten sprachen so ziemlich alles durcheinander, aber immer mit dem gewissen süddeutschen Idiom.
Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Berliner Akademie der Künste

Sie kam erst drei Jahre später in Buenos Aires zur Welt, lernte Spanisch und – Badisch. Wann Jeanine Meerapfel das erste Mal den Namen „Untergrombach“ bewusst vernommen hat, weiß sie nicht mehr. Aber der nahe „Schwarzwald“! An diesen für sie unerklärlich schwarzen Wald erinnert sich die Regisseurin genau. „Meine Verwandten und Bekannten sprachen so ziemlich alles durcheinander, aber immer mit dem gewissen süddeutschen Idiom“, sagt sie.

Seit 2015 Präsidentin der Akademie der Künste

Zu „schwäbeln“ lernte Meerapfel dann in Ulm. Dort studierte sie mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) von 1964 bis 1968 am Institut für Filmgestaltung der Hochschule für Gestaltung. Sie drehte zwölf Filme. 1984 war sie Mitglied der Jury der Berliner Filmfestspiele, 1990 erhielt die Regisseurin und Drehbuchautorin eine Professur an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Seit 1998 ist sie Mitglied der Berliner Akademie der Künste und wurde 2015 als Nachfolger von Klaus Staeck zu deren Präsidentin gewählt.

Tabakhandlung Meerapfel existiert nach wie vor

Dazwischen jedoch immer wieder: Untergrombach. Als ihr Vater Carlos 1979 unerwartet auf einer Schiffsreise starb und auf See bestattet wurde, wünschte sich Jeanine Meerapfel zumindest eine Gedenktafel auf dem Bruchsaler Eichelberg. Da jedoch „nur“ ein Gedenkstein ohne Bestattung auf jüdischen Friedhöfen, unüblich ist, sorgte dieses Anliegen für einigen Wirbel. Der inzwischen fast 90-jährige Gerhard Holler, der die Meerapfel AG in Untergrombach bis 2010 vertrat, half ihr bei der Genehmigung. Er machte es möglich, dass der in Miami verstorbene Richard Meerapfel, der Cousin von Jeanine, 2003 ebenfalls auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt wurde.

Heute führen die Söhne Richard Meerapfels, Jeremia und Joshua, die Tabakhandlung „M. Meerapfel & Söhne“ in fünfter Generation, Firmensitz ist Brüssel. In einschlägigen Zigarren-Journalen findet sich immer mal wieder die unglaubliche Meerapfel-Saga. Und wo alles anfing – in Untergrombach.

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