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Kaum Fälle in der Sozialarbeit

Warum Lügen und Betrug in der Bruchsaler Obdachlosenhilfe kein Thema sind

Erzählen Menschen Lügengeschichten, um die Hilfsbereitschaft der Gesellschaft auszunutzen? Nein, sagt die Leiterin der Caritas Bruchsal. Ein Mann soll zuvor in Aalen seinen Tod vorgetäuscht und dann wochenlang in Bruchsal auf der Straße gelebt haben.

Eine obdachlose Person schläft in einem Schlafsack auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit.
Eine obdachlose Person schläft in einem Schlafsack auf einer öffentlichen Sitzgelegenheit. Foto: Imago Images

Erzählen Menschen Lügengeschichten, um die Hilfsbereitschaft der Gesellschaft auszunutzen? Nein, sagt die Leiterin der Caritas Bruchsal. Ein Mann soll zuvor in Aalen seinen Tod vorgetäuscht und dann monatelang in Bruchsal auf der Straße gelebt haben.

Viele Bruchsaler hatten den Mann ins Herz geschlossen, der seit Juli in der Stadt Armbändchen verkaufte und auf der Straße lebte. Erich, so sein Name, hatte den Menschen von seinem Leben erzählt, geprägt von Schicksalsschlägen und Obdachlosigkeit . Nun ist klar: Manches davon war wohl erfunden.

Nutzen Lügner unsere Hilfsbereitschaft aus?

Im Sommer hatte Erich in Aalen genau die gleichen Geschichten erzählt. Dann soll er seinen Tod vorgetäuscht und die Stadt in Richtung Bruchsal verlassen haben . "Er hat uns alle belogen", sagt eine Frau, die ihn in Aalen unterstützt hatte, ihn in seine Familie eingeladen und seine Wäsche gewaschen hatte.

In den sozialen Netzwerken zeigen sich nun auch viele Bruchsaler enttäuscht davon, dass Erich nicht immer ganz aufrichtig war. Und es wird die Frage laut: Nutzen Lügner unsere Hilfsbereitschaft aus?

Wer Hilfe sucht, muss seine Verhältnisse offenlegen

Die Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Bruchsal beruhigt: Solche Fälle seien für sie und ihre Kollegen in der alltäglichen Arbeit mit wohnungslosen Menschen kein Thema. Wer kein Zuhause hat und deswegen bei der Caritas Hilfe sucht, bekommt diese zum Beispiel im Julius-Itzel-Haus. Dort wohnen und arbeiten Menschen, die bereit sind, an ihren Problemen – neben der Obdachlosigkeit oft Abhängigkeiten und Schulden – zu arbeiten.

"Wer bei uns einzieht, macht sich gewissermaßen nackig", sagt Caritas-Leiterin Sabina Stemann-Fuchs. Die Klienten müssten ausführliche Unterlagen einreichen und zumindest ihre finanzielle Situation offenlegen. Wer Arbeitslosengeld bezieht, behält es in der Einrichtung nicht. Daher komme es nicht vor, dass sich Lügner Hilfe erschwindeln würden.

Wärmestube in Bruchsal steht allen offen

Vielmehr könnten diese Regelungen dazu beigetragen haben, dass sich Erich in Bruchsal nie an die Obdachlosenhilfe gewendet hat. Er habe im Wald geschlafen und sich von anderen Obdachlosen ferngehalten, erzählte er mehrmals.

Der Mann hatte bereits in Aalen seine Armbändchen hergestellt.
Der Mann hatte bereits in Aalen seine Armbändchen hergestellt. Foto: Oliver Giers

"Es gibt diese Menschen, die die bewusste Entscheidung getroffen haben, auf der Straße zu leben und sich von der Gesellschaft abzugrenzen", erklärt Sabina Stemann-Fuchs. Dahinter stecke oft ein starker Freiheitsdrang und die Weigerung, sich anzupassen.

Solche Menschen erreicht die Obdachlosenhilfe in Bruchsal zum Beispiel mit der Wärmestube. Dort können sie duschen und einige Stunden verschnaufen. "Sie müssen uns gar nichts erzählen", sagt Stemann-Fuchs. Es werde nicht nachgeprüft, ob jeder die Wahrheit sagt und wirklich auf Hilfe angewiesen ist. "Aber wenn der Klient das ehrlich meint, dann merkt man das ja."

Durch Hilfsarbeit entsteht Vertrauensverhältnis

In der intensiven Beratungs- und Betreuungsarbeit, die Wohnungslose zum Beispiel im Julius-Itzel-Haus durchlaufen, entstehe ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeitern und Klienten. "Wenn sie uns erfundene Geschichten erzählen, bringt ihnen das ja nichts, dann kommen sie nicht weiter", so die Caritas-Chefin.

Warum Erich den Menschen in Aalen und Bruchsal teilweise widersprüchliche Geschichten erzählte, weiß wohl nur er selbst. Die Frau, die ihm in Aalen geholfen hatte, ist sich jedoch sicher: "Er hätte auch ohne Lügen Hilfe bekommen. Er ist ja ein netter Kerl."

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