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Obst-Umschlags-Zentrale

Wegen Corona gibt es in Nordbaden dieses Jahr weniger Erdbeeren

1.700 Tonnen Erdbeeren hat die Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden (OGA/Bruchsal) im vergangenen Jahr vermarktet. „Diese Menge erreichen wir 2020 garantiert nicht“, sagt OGA-Chef Hans Lehar. Dies liege auch an der Corona-Pandemie.

Mit einer Schablone misst das Qualitätsmanagement der OGA in Bruchsal nach.
Mit einer Schablone misst das Qualitätsmanagement der OGA in Bruchsal nach. Foto: Fabry

Und sie duften auch in der Kühle! Nicht einmal zehn Grad Celsius zeigt das Thermometer in der Bruchsaler Versandhalle an. Die Erdbeeren, die hier bei der Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden (OGA) palettenweise gestapelt sind, verströmen ihr typisches Aroma. Es sind viele tiefrote Früchtchen. Ein Paradies für Naschkatzen.

Bruchsaler Genossenschaft bekommt Beeren aus dem Kraichgau und Südhessen

Die Erdbeeren mögen es frisch, der Haltbarkeit wegen. „Clery“, „Elsanta“ oder „Darselect“ heißen die meisten von ihnen in der 2.000 Quadratmeter großen Halle. Die Genossenschaft bekommt sie vor allem von Obstbauern aus dem Kraichgau, aus der Waghäuseler Gegend und aus Südhessen.

Die Erdbeere ist eine empfindliche Frucht. Sie kommt daher ungewaschen, direkt vom Feld, zur OGA. Es ist Hochsaison, auch wenn derzeit nur 5.000 bis 10.000 Steigen pro Tag angeliefert werden. Normalerweise sind es bis zu 10.000 mehr.

Erntehelfer für frische Früchte fehlen

Aber was ist schon normal in dieser Corona-Zeit, in der den Bauern viele Erntehelfer fehlen. „Ich kenne keinen in Deutschland, der genügend Erntehelfer hat“, sagt Hans Lehar, der Chef der OGA.

Gerade hat ein Lkw an der Rampe angedockt und Nachschub gebracht. In Vor-Corona-Zeiten hätte auch dieser Fahrer in die Versandhalle rein gedurft. Jetzt kommt er mit seinen Frachtpapieren nur zum Empfangsschalter im Bürotrakt der OGA: nach Anmeldung, Händedesinfektion und streng entlang der rot-weißen Absperrkette. „Wir hatten noch nie so viele Hinweisschilder im Haus“, sagt Lehar.

Auch PFC ist ein Problem für die badische Erdbeerproduktion

Im vergangenen Jahr vermarkteten die Bruchsaler 1.700 Tonnen für so manchen Erdbeermund in Deutschland. „Diese Menge erreichen wir garantiert nicht“, betont Lehar.

Auch ohne Corona nimmt die Erdbeer-Menge bei der OGA ab: Deren einstige „Erdbeer-Pioniere“ aus dem Rastatter Raum haben laut Lehar wegen des PFC-Themas die Produktion zurückgefahren. Bundesweit haben im vergangenen Jahr die Importe von Freiland-Erdbeeren die Inlandserzeugung überholt: 110.000 zu 109.000 Tonnen steht es nun.

Die spanische Erdbeere ist eine ganz andere Frucht

Die Spanier – Erdbeer-Hauptproduzenten in Europa – hätten sich bei der Qualität verbessert, räumt Lehar ein. „Die spanische Erdbeere ist aber eine ganz andere Frucht.“ Diese sei beispielsweise viel härter. Muss sie wohl auch. Bis die Frucht vom Pflücken auf dem Feld in den deutschen Obst- und Gemüseabteilungen liegt, dauere es vier bis fünf Tage. „Zwei bis drei Tage sind es bei unseren heimischen Erdbeeren“, sagt Lehar.

Er steht mittlerweile im kleinen, aber modernen Labor von OGA-Qualitätsmanager Helmut Pribyl. Der hat sich von der eben angelieferten Erdbeer-Fracht drei Steigen herausgepickt und nimmt nun behutsam eine Erdbeere nach der anderen zwischen seine Finger.

Stapeln, prüfen und transportieren: Die Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden liefert Erdbeeren an Lebensmitteleinzelhandels-Konzerne und an Großmärkte – bis nach Hamburg.
Stapeln, prüfen und transportieren: Die Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden liefert Erdbeeren an Lebensmitteleinzelhandels-Konzerne und an Großmärkte – bis nach Hamburg. Foto: Andrea Fabry

Dann sortiert Pribyl: Auf einer Folie sind Felder: „In Ordnung“, „Untergröße“, „Druckstellen“, „unreif“, „nicht sauber“, heißt es dort beispielsweise. „Wir haben ein Naturprodukt, daher sind immer Abweichungen drin“, sagt der Experte. Schließlich ordnet Pribyl die Ware in fünf Stufen zwischen minus zwei und plus zwei ein.

Je höher, desto mehr Geld bekommt der Obstbauer. Mit einem Foto wird für ihn alles dokumentiert. Die Erzeuger begrüßten diese OGA-eigene Kontrolle, sagt Lehar. „Die sagen sich: Wer sich mehr Mühe gibt, der muss auch mehr Geld bekommen.“

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Die OGA beliefert alle großen Ketten

Das Gros der Erdbeeren geht von Bruchsal aus an die Lebensmitteleinzelhandels-Konzerne. Edeka, Rewe, Aldi, Lidl & Co bringen 90 Prozent des Umsatzes. Für die restlichen zehn Prozent stehen die Großmärkte, die die OGA bis nach Hamburg beliefert.

Da ist gut Erdbeeren naschen: Bundesweit gehen 28,9 Prozent der deutschen Erdbeeren an die Discounter. Vollsortimenter wie Edeka und Rewe folgen mit 27,3 Prozent. Weitere Verkäufer auf dem Erdbeermarkt sind laut den Agrarmarktexperten der AMI die Erzeuger selbst (17,3 Prozent), Fachgeschäfte (10,9 Prozent) und Wochenmärkte (10,4 Prozent).

Pribyl hat selten Besucher bei sich. Er greift zu einer Erdbeere der Sorte „Allegro“. „Eine eher rundliche Form“, erklärt er. Dann legt er eine „eher längliche“ Erdbeere der Sorte „Clery“ daneben. „Farblich schön“ und „Glanz drauf“, lobt „Mister Qualität“ beide Früchte.

Der Tunnelanbau liegt im Trend

Derzeit kommen die Erdbeeren noch aus dem Tunnelanbau zur OGA nach Bruchsal. Anders als bei den Kollegen in Oberkirch werden noch keine Erdbeeren aus dem Freilandanbau angeliefert. Die geschützte Produktion liegt im Trend. Bundesweit wurden so laut der Bonner AMI im Jahr 2017 rund 20.000 Tonnen geerntet. 116.000 Tonnen waren es an Erdbeeren aus dem Freilandanbau. Beim Freiland hat Baden-Württemberg nach Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen die größten Flächen – noch vor Bayern.

Die Erdbeeren machen der OGA, verglichen beispielsweise mit dem Spargel, relativ wenig Arbeit. Die Obstbauern liefern bei ihr die Ware fix und fertig ab, wie angefordert: in Schälchen, in Plastiksteigen – davon gibt es allerdings viele Varianten –, in Holzkisten. Alles ist ordentlich auf Paletten gestapelt und mit Kantenschutz für den Transport geschützt.

In der Versandhalle surrt es nur so rund um die Früchte. Ein Staplerfahrer nach dem anderen saust herbei und bringt die Erdbeeren in eines der Kühlhäuser. Lehar ist zu Fuß die wenigen Meter unterwegs. Er drückt auf den Knopf von Tor 26. Schon öffnet es sich. Ein Schwall kalter Luft trifft ihn ins Gesicht. Oben, an der Wand, rotiert sanft das Gebläse. Ein Grad Celsius misst hier das Thermometer.

„Viele Kunden bestellen erst um 13 oder 14 Uhr für den nächsten Tag“, sagt Lehar. Die passende Ware in der gewünschten Verpackung vorzuhalten, sei da schon eine Herausforderung.

Verpackung wird zurzeit aus Umweltgründen ohne Folie bevorzugt

Anders als anderes Obst und Gemüse, musste in dieser Saison bei der OGA noch keine Erdbeere in die Halle mit den Packlinien. Die Arbeiterinnen, die dort mit flinken Händen und unterstützt von Hightech-Maschinen gerade Spargel sortieren und verpacken, tragen wegen Corona Mundschutz. In früheren Jahren kamen hier 50 Prozent der Erdbeeren aufs Förderband zu den Folierautomaten. „In diesem Jahr haben wir bislang keinen einzigen Kunden, der sie in Folie haben will“, sagt Lehar. Das liege an der Diskussion um Verpackungen.

Draußen auf dem Hof zischt dieses Mal ein Kühllaster, der an einer der Verladerampen andockt. Nun geht es mit den aromatischen Früchtchen weiter auf die Reise. Die Regionallager der Lebensmitteleinzelhandelskonzerne sind die nächste Station. Danach dauert es nur noch wenige Stunden bis zum Kunden. Und der darf dann auch in die aromatischen Früchtchen reinbeißen.

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