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Am Wochenende

Bei der Facharztsuche braucht man gute Nerven

Ein Bühler mit einer akuten Augenentzündung musste am Wochenende lange noch einem Augenarzt suchen. Bei der Praxis, die Bereitschaftsdienst hatte, war niemand zu erreichen. Der Mann landete nach vielen Telefonaten und einer stundenlangen Odyssee mit Zug und Bus schließlich in einer Klinik in Karlsruhe.

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Bei akuten Augenerkrankungen ist ein schneller Termin beim Augenarzt wichtig. Am Wochenende kann das zum Problem werden. Diese Erfahrung hat ein Mann aus Bühl gemacht. Foto: Bilderbox

Es passiert immer zur Unzeit am Wochenende! Gegen neun Uhr stellte der BNN-Leser fest, dass mit seinem Auge etwas nicht stimmte. Aus leidvoller Erfahrung mit einer Erkrankung drei Jahre zuvor war ihm gleich klar, dass es sich um eine Iritis (Regenbogenhaut-Entzündung) handeln könnte. Der Bühler griff zu seiner Tageszeitung mit den Rufnummern für die Notdienste und wählte dann die (0 18 05) 19 29 21 22 für den Bereitschaftsdienst der Augenheilkunde. Dort erfuhr er, dass eine Praxis in Ettlingen zuständig ist.

Teilnehmer meldet sich nicht

Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Wie man es von jeder Servicenummer aus leidiger Erfahrung kennt, muss man sich durch die Wahl der Zahlen 1, 2 oder 3 immer durch ein vielschichtiges Menü kämpfen. Eine telefonische Verbindung zur zuständigen Praxis sollte es eigentlich unter der „2“ geben, doch da hieß es auch nach einem halben Dutzend Versuchen immer nur: „Der Teilnehmer meldet sich nicht!“ Nach dieser sinnigen Ansage musste der zunehmend genervte Bühler trotz Schmerzen jeweils wieder die Nummer wählen und sich durch das komplette Menü zappen. Als das offensichtlich nicht zum Erfolg führte, erfuhr er unter der „3“, dass sich die Praxis nun doch nicht in Ettlingen, sondern in Karlsbad befinden solle. „Ohne vorherige telefonische Rücksprache wollte ich dort nicht hinfahren“, berichtet der BNN-Leser. „Das Risiko, vor der verschlossenen Praxistür zu stehen, war mir in meiner Situation einfach zu groß.“

Statt Praxis ins Krankenhaus

Inzwischen war es elf Uhr. Immerhin erfuhr er unter der automatischen Ansage des Bereitschaftsdienstes auch, dass er sich an eine von drei Karlsruher Krankenhäusern mit Augenklinik wenden solle. Gesagt, getan! Beim ersten Krankenhaus gelang es dem Pförtner erst gar nicht, den diensthabenden Augenarzt ans Telefon zu bekommen. In den St. Vincentius-Kliniken wurde er mit einer Augenärztin verbunden. Nachdem er seine Symptome beschrieben hatte, empfahl sie ihm vorbeizukommen, nicht ohne die warnenden Worte: „Sie müssen viel Zeit mitbringen.“

Mit Zug und Bus

An eine Autofahrt war wegen der kranken Augen nicht zu denken, also ging der Bühler zum Bahnhof und fuhr mit dem Regionalzug nach Karlsruhe. Dort erwischte er gleich den Bus Richtung St. Vincentius-Kliniken, die er gegen 12.30 Uhr erreichte. „Das Wartezimmer war brechend voll“, erinnert er sich. „Mindestens 15 Leute waren vor mir dran.“ Doch dieses Warten lohnte sich, als er schließlich um 16.30 Uhr an der Reihe war. „Obwohl die Augenärztin neben den Notfallpatienten auch die stationären Patienten betreuen musste, war sie ruhig, kompetent und zu allen freundlich“, erklärt der Bühler. „Meine Hochachtung vor dieser Leistung!“

Wo ist die nächste Apotheke?

Der BNN-Leser erhielt nach der 20-minütigen Behandlung ein Rezept und eine Empfehlung, dieses besser daheim als in den diensthabenden Apotheken in Karlsruhe einzulösen. Die Apotheken seien nämlich am anderen Ende der Stadt. Also ging es mit Bus und Zug zurück nach Hause. Dort stellte sich heraus, dass nur eine Apotheke in Lauf geöffnet hat. „Glücklicherweise hatte mir die Karlsruher Augenärztin Tropfen mitgegeben, die für die Erstversorgung bis zum nächsten Tag reichten“, sagt der Bühler. Die Bilanz dieses Wochenendes ist für ihn ernüchternd. „Politiker und Ärztevereinigungen erzählen uns tagtäglich, wir sollen an Wochenenden und nachts nicht die überlasteten Notfallaufnahmen der Kliniken, sondern den hausärztlichen und fachärztlichen Bereitschaftsdienst konsultieren“, konstatiert er. „Wie soll das funktionieren, wenn der, aus welchen Gründen auch immer, schlichtweg nicht zu erreichen ist.“

Die Wege sind weit

Wer am Wochenende oder in der Nacht krank wird, kann den hausärztlichen Notdienst konsultieren. Der ist für den südlichen Landkreis Rastatt und den Stadtkreis Baden-Baden in einer speziellen Praxis im Klinikum in Baden-Baden (Balg) konzentriert. In lebensbedrohlichen Situationen sollten die Patienten natürlich auch direkt die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen. Wer einen Augenarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Kinderarzt benötigt, muss eine deutlich weitere Anreise zur nächsten offenen Praxis einplanen. Dieser fachärztliche Notdienst ist nämlich überregional organisiert.

Bereitschaftsdienste am Wochenende

Darauf weist Swantje Middeldorff, stellvertretende Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, hin. Die organisiert nach eigenen Angaben mit ihren mehr als 21 000 Ärzten und Psychotherapeuten die ambulante medizinische Versorgung von über acht Millionen gesetzlich Versicherten im Südweststaat. Dazu zählen auch die Bereitschaftsdienste am Wochenende und in der Nacht.

Nur ein Augenarzt

Für die Versorgung der Patienten ist außerhalb der normalen Sprechzeiten in einem Bezirk, der neben dem Landkreis Rastatt auch die Städte Karlsruhe und Baden-Baden sowie den südlichen Landkreis Karlsruhe umfasst, nur ein Augenarzt zuständig. Ab 12 Uhr wird dieses ohnehin riesige Gebiet noch in Richtung Norden und Schwarzwald erweitert und umfasst dann auch noch den nördlichen Landkreis Karlsruhe und die Kreise Calw und Freudenstadt. Ab 22 Uhr ist grundsätzlich überhaupt kein niedergelassener Augenarzt mehr zu erreichen. Die Patienten müssen sich dann an Krankenhäuser mit eigener Augenklinik wenden. Die nächsten sind in Karlsruhe und Offenburg.

Kassenärztliche Vereinigung bedauert

Dass der Patient aus Bühl am Wochenende den eigentlich zuständigen niedergelassenen Augenarzt in Ettlingen nicht erreichen konnte, findet Swantje Middeldorff nicht gut. „Wir werden der Sache nachgehen und mit dem Arzt sprechen“, sagt sie. „Allerdings hätte der Patient auch in die normale notärztliche Praxis in Baden-Baden gehen können, wo man ihm auch geholfen hätte.“ Die Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg schränkt aber ein. „Unter Umständen hätte dort gerade ein Orthopäde Dienst gehabt.“

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