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Bürgermeister im Interview

Geschlossenes Restaurant "Adler" in Ottersweier: "Das ist ein Trauerspiel"

In Zeiten der Automobilkrise ist die Entwicklung der Wirtschaft in allen Städten und Gemeinden am Oberrhein ein wichtiges Thema. Kämmerer fürchten einen Einbruch der Gewerbesteuer, die Ansiedlung neuer Unternehmen mit zukunftsfähigen Technologien gewinnt an Bedeutung. Unser Redaktionsmitglied Ulrich Coenen sprach mit dem Ottersweierer Bürgermeister Jürgen Pfetzer über das Gewerbe in seiner Gemeinde.

Der "Adler" in Ottersweier ist ein gastronomische Angebot, das seit seiner Eröffnung 2006 beim Publikum sehr gut angekommen ist. Seit einem Jahr ist das Restaurant ´geschlossen. Bürgermeister Pfetzer spricht von einem Trauerspiel.
Der "Adler" in Ottersweier ist ein gastronomische Angebot, das seit seiner Eröffnung 2006 beim Publikum sehr gut angekommen ist. Seit einem Jahr ist das Restaurant ´geschlossen. Bürgermeister Pfetzer spricht von einem Trauerspiel. Foto: Ulrich Coenen

Rechnen Sie in Ottersweier mit einem Einbruch der Gewerbesteuer?

Jürgen Pfetzer: Im Moment nicht. Ottersweier hat im Vergleich zu anderen Kommunen in derselben Größenordnung und mit vergleichbar großen Gewerbegebieten zu wenig Gewerbesteuereinnahmen. Wegen unserer Gewerbestruktur stehen wir in guten Zeiten immer schlechter da als andere Gemeinden, in schlechten Zeiten sind wir aber krisensicherer. Wir haben eine verstetigte Gewerbesteuer von aktuell 2,5 Millionen Euro, die relativ konstant fließt. Andere Kommunen haben da mit größeren Ausschlägen in beide Richtungen zu kämpfen. Insgesamt ist unser Gewerbesteuerniveau gemessen an der Anzahl unserer Betriebe und der Größe der Gewerbe- und Industriebetriebe zu niedrig. Das stellt uns seit Jahren nicht zufrieden.

Reichen die vorhandenen Gewerbeflächen der Gemeinde, um neue Unternehmen nach Ottersweier zu locken?

Pfetzer: Die in bestandskräftigen Bebauungsplänen gesicherten Gewerbeflächen sind nahezu verkauft. Wir haben noch Reserven im Gewann Brandeichenfeld zwischen Eisenbahnstraße/Seebühlstraße und neuer B 3. Das sind Flächen, die Bestandteil eines Gewerbeflächenentwicklungskonzepts sind, das wir Abschnitt um Abschnitt erschließen. Der große Neubau der Firma Print Equipment ist beispielsweise dort in Abschnitt 2 realisiert worden. Die Erschließungsstraße „Im Stühlinger“ endet im Moment dort, wird aber weitergebaut in Richtung Eisenbahnstraße, auch um perspektivisch eine Umfahrung für den gewerblichen Verkehr und eine Entlastung der dortigen Wohngebäude zu realisieren.

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Jürgen Pfetzer ist Bürgermeister der Gemeinde Ottersweier. Foto: Ulrich Coenen

Verfügt die Gemeinde auch noch über freie Gewerbeflächen westlich der Wallfahrtskirche Maria Linden?

Pfetzer: Wir haben außerdem entlang der Hägenichstraße-Nord im Gewann Juhnebühn in der Nähe der Wallfahrtskirche Maria Linden weitere Flächen in der Verlängerung von Werk 2 der Firma B&K Offsetdruck ungefähr bis in Höhe des Sportzentrums. In beiden Gebieten fehlt es noch an entsprechenden Bebauungsplänen und viele Grundstücke sind dort in privater Hand. Dennoch sind dies die nächsten Abschnitte für unsere Gewerbeentwicklung.

Gibt es weitere Reserven?

Pfetzer: Zwischen Tennisanlage und dem Sportzentrum Hägenich gibt es an der Gemarkungsgrenze zu Bühl eine rund 1,5 Hektar große Fläche, die komplett erschlossen ist. Dies war ursprünglich eine Reservefläche für den Bau einer Gemeinbedarfseinrichtung (Sporthalle oder Gemeindezentrum). Nachdem wir uns entschieden haben, das Gemeindezentrum St. Johannes von der Kirche zu übernehmen und die dreiteilige Sporthalle in der Friedhofstraße zu sanieren, wird diese Fläche für diese Zwecke nicht mehr benötigt. Deshalb könnten wir diese Fläche dem angrenzenden Gewerbegebiet zuschlagen.

Unseres Erachtens liegt eine Fehlkartierung vor

Was hindert Sie daran?

Pfetzer: Das stößt derzeit beim Regionalverband auf Widerstand, da dieses Grundstück sowie alle benachbarten Sportanlagen (Tennishalle/Fitnessstudio, Tennisplätze mit Clubhaus, Regenklärbecken, Sportplätze und Clubhaus des FV Ottersweier) in einem Sondergebiet Sportanlagen und in einem regionalen Grünzug liegen. Im gleichen Atemzug animiert uns der Regionalverband im Fortschreibungsverfahren, weitere Gewerbeflächen auszuweisen. Da beißt sich unseres Erachtens die Katze in den Schwanz, zumal wegen der vielen Gebäude und Infrastruktureinrichtungen in diesem Alt-Bebauungsplangebiet von einem regionalen Grünzug nicht die Rede sein kann. Wir werden allerdings nicht locker lassen und diese Fläche für die jetzt anstehende Fortschreibung des Regionalplans und des Flächennutzungsplans in jedem Fall erneut als Gewerbeflächenforderung einbringen.

Besteht im Hinblick auf die Fortschreibung des Flächennutzungsplans zusätzlicher Bedarf an Gewerbeflächen?

Pfetzer: Unsere Unternehmen haben regelmäßig Erweiterungsbedarf. Außerdem gibt es Anfragen von auswärtigen Firmen, die zu uns kommen wollen. Ottersweier ist wegen seiner Standortgunst und der garantierten Glasfaseranschlussmöglichkeit interessant für ansiedlungswillige Unternehmen. Wir brauchen im Hinblick auf Gewerbegebiete eine Vorratshaltung und können nicht erst reagieren, wenn Anfragen kommen. Die Planungszyklen dauern sehr lange. Wir brauchen fertige Flächen, die wir für die Firmen passgenau nur noch parzellieren und verkaufen müssen.

Das ist ein Trauerspiel
Jürgen Pfetzer zur Schließung des "Adlers"

2006 wurde der „Adler“ in der ehemaligen Raiffeisenhalle und dem schönen benachbarten Altbau eröffnet. Das neue gastronomische Angebot ist beim Publikum sehr gut angekommen. Dennoch wurde der „Adler“ am 1. März 2019 geschlossen. Tut sich in dieser Sache inzwischen etwas?

Pfetzer: Das ist ein Trauerspiel. Die Gastronomie ist inzwischen fast ein Jahr dicht. Der Leerstand in der Dorfmitte tut richtig weh, zumal der Eigentümer mit bewundernswertem unternehmerischem Risiko und wir mit Fördermitteln aus dem Landessanierungsprogramm (Land und Gemeinde) den Erhalt des halb verfallenen „Adler“-Areals erst möglich gemacht haben. Leider weiß ich aktuell nicht, wie es weitergeht. Gerüchte kursieren aber viele.

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