Es sind die Augen, die alles sagen. Ein matter Blick, der die pure Hilflosigkeit und die Überforderung widerspiegelt. Der Eindruck ist leer. „Es ist nicht das häufige Vergessen einer Sache oder einer Tatsache. Nein, es geschieht viel verdeckter. Es findet eine schleichende Veränderung des Charakters statt. Das ist viel schlimmer, denn man weiß zuerst nicht warum. Zweifel an sich selbst werden immer lauter. Da haben Sie keine Chance, diese Krankheit sofort und vor allem genau zuzuordnen“, schildert Else Trefzger-Schneider ihre Erfahrungen mit der Krankheit ihres Mannes, die den seltenen Namen Pick trägt.
Medizinisch betrachtet handelt es sich um eine Frontotemporale Demenz. „Das spielt sich hier vorn und an den Schläfen ab“, sagt sie und streicht sich schnell über die Stirn. „Genau dort stirbt das Gewebe des Hirns ab“, sagt die Frau des Betroffenen Klaus Schneider, der zwar erst seit rund einem Jahr unter den Auswirkungen dieser seltenen Erkrankung leidet. Das Martyrium, in dem er und seine Frau trotz der relativen Kürze der Zeit stecken, ist aber schon seit kurz nach dem Ausbruch immens.
Facharzttermin: Mindestens ein Jahr Wartezeit
„Es gibt für uns keine Ruhe mehr. Das Schlimmste ist, dass wir für eine entsprechende Diagnose und die notwendige Behandlung keinerlei Hilfe von den Fachärzten bekommen“, beklagt die Frau des Erkrankten und hat sich deswegen an die Redaktion des Acher- und Bühler Boten gewandt. „Es ist einfach unmöglich, wie man mit einem Menschen, der so einer schrecklichen Krankheit ausgesetzt ist, allein gelassen wird. Es gibt keine Chance, bei einem Neurologen einen Behandlungstermin zu bekommen. Mindestens ein Jahr Wartezeit. Das ist unmöglich“, sagt sie.
Und wenn sich ein kurzfristiger Termin bei einem Psychologen auftut, dann ist der von fraglicher Natur: „Nach dem Besuch in der Acherner Praxis weiß man plötzlich, warum man so schnell einen Termin bekommen hat. Der Mann braucht selbst dringend Hilfe“, gibt die Frau des erkrankten 78-Jährigen zu bedenken. „Es ist, wie wenn Sie gegen Glastüren rennen und dahinter die Ärzte stehen und sie teilnahmslos und tatenlos anschauen“, skizziert sie mit einem plastischen Bild ihre hilflose Situation.
Charakter verändert sich zusehends
Um ihren Mann tagsüber nicht alleine zu lassen fuhr sie ihre Arbeitszeit auf halbtags herunter. „Es ging nicht mehr. Er rief ständig im Büro an und wollte etwas von mir wissen. Außerdem wurde er ständig von grausigen Existenzängsten überfallen“, beschreibt sie seine Hilflosigkeit. „Bei dieser Art von Demenz kommt zuerst die heimtückische Änderung der Persönlichkeit. Aggressivität und taktloses Verhalten treten immer mehr hervor. Wir konnten nirgendwo mehr hingehen, denn er wurde zusehends aggressiv. Und er hat mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten und ist mit dem Gesicht ganz nah auf die Menschen zugegangen.“
Lange Wartezeit auf Diagnose
Dann kamen immense Ess- und Trink-Schübe. „Als er mit der Taschenlampe auf dem Balkon nachschaute, ob es dunkel ist, hatten wir endlich Gewissheit.“ Eine Gewissheit, auf die Else Trefzger-Schneider lange warten musste, denn von allen Demenz-Fällen liegt die Anzahl der Fälle mit Pick-Syndrom lediglich bei zwei Prozent.
„Das ist bedauerlich. Aber noch viel bedauerlicher ist es, dass Menschen und deren Angehörige, die mit so einer Situation konfrontiert sind, hier in unserer Hochleistungsgesellschaft völlig allein gelassen werden“, lautet ihre Anklage aus persönlicher Situation. Noch immer stehe ihr Mann auf der Warteliste bei örtlichen Neurologen. Auch der Hausärztin seien die Hände gebunden. „Die kann auch nur an die Spezialisten verweisen. Den Rest müssen Sie selbst stemmen.“
Hintergrund: Guter Rat bei Demenz Wenn der Angehörige langsam aber sicher in die Demenz abgleitet, dann ist guter Rat und Hilfe angesagt. Um nicht von der Situation überfordert zu werden, sollten sich Angehörige schnell und unbürokratisch informieren und unbedingt den Kontakt zu erfahrenen betroffenen Angehörigen in ihrer Umgebung herstellen.
Der Austausch mit anderen Pflegenden ist erfahrungsgemäß sehr wichtig. Denn der bewahrt vor der zunehmenden gesellschaftlichen Isolation zumindest in einer gewissen Weise, indem man sich mit Betroffenen austauschen kann. Unbedingt sollten betroffene Angehörige deshalb das direkte Gespräch mit einem Mitarbeiter ihrer Krankenkasse und den Kontakt zur Alzheimer Pflege in Baden-Baden unter der Telefon (0 72 21) 39 90 80 herstellen.
„Bei den meisten Krankenkassen gibt es spezielle Ansprechpartner und Programme für Angehörige von Alzheimer-Patienten. Bei der Barmer heißt dieses Angebot Pflege im Blick. Auf der Homepage ist ein Ansprechpartner angegeben, der sich speziell um die Belange dieser Angehörigen kümmert“, so Marion Busacker von der Landespressestelle der Barmer.
Dabei sei es bei der Auskunft egal, wo der Anrufer versichert sei. „Unsere Gesellschaft wird zusehends älter und deshalb nehmen auch diese Erkrankungen zu“, weiß die Sprecherin. Die Mitarbeiter der Krankenkasse nehmen sich dem Fall an und schauen, wohin sich der Betreffende mit dem Patienten wenden kann. „Dabei ist aber auch klar, dass es sich nicht immer um den Wunschdoktor handelt“, stellt sie klar. Sie verweist auch auf die pragmatische Hilfestellungen durch die örtlichen Alzheimer-Gesellschaften wie in Baden-Baden.