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Interview zum Umweltskandal

Der Wunsch nach einem PFC-Handlungsleitfaden

Die Zusammenarbeit zwischen Landratsamt Rastatt und Bühler Stadtverwaltung ist in Sachen PFC-Belastung sehr eng. Das betonen OB Hubert Schnurr, der städtische PFC-Beauftragte Markus Benkeser und Reiner Söhlmann von der PFC-Geschäftsstelle des Landkreises.

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Eine enge Zusammenarbeit zwischen Landratsamt und Stadtverwaltung erfordert die PFC-Belastung. Markus Benkeser, Reiner Söhlmann und Hubert Schnurr (von links) demonstrieren in dieser Frage Einigkeit. Foto: Patricia Klatt

Zu einem Gespräch über die vielfältigen Aspekte des PFC-Skandals haben sich der Bühler Oberbürgermeister Hubert Schnurr, der städtische PFC-Beauftragte Markus Benkeser und Reiner Söhlmann von der PFC-Geschäftsstelle des Landratsamts Rastatt mit ABB-Mitarbeiterin Patricia Klatt getroffen.

Der Oberbürgermeister von Bühl, der PFC-Beauftragte der Stadt Bühl und der PFC-Beauftragte des Landkreises Rastatt vereint am Runden Tisch – ist das symbolisch zu sehen für eine gute Zusammenarbeit in Sachen PFC im Landkreis Rastatt?

Schnurr: Ja, das ist es in der Tat. Es bestanden von Anfang an gute Kontakte zum Landratsamt in Rastatt.

Söhlmann: Bühl war eine der ersten Kommunen, die einen PFC-Beauftragten hatten, das hat die Kommunikation erleichtert und war eine sehr gute Entscheidung.

Schnurr: Herr Söhlmann war eine sehr gute Wahl für das Landratsamt und in der Tat ein wirklicher Glücksgriff für die Region.

Die Dimensionen des PFC-Skandals sind einzigartig, es wird sehr viel Forschung in diesem riesigen „Freilandexperiment“ betrieben, ohne dass eine praktikable Lösung in Sicht ist. Abteilungspräsident Ulrich Roßwag vom Regierungspräsidium Karlsruhe sagte in einem Beitrag des Deutschlandfunks, „in der ersten Strategie wird es wohl so sein, dass man die Folgen der Verseuchung abmildert (...). Ansonsten muss man das vermutlich aussitzen. So ist das, ja“. Sehen Sie das genauso?

Söhlmann: Aussitzen ist vielleicht der falsche Begriff, man wird lernen müssen, mit der Belastung umzugehen. Es erscheint unmöglich, den Schaden insgesamt zu beseitigen. Die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung funktioniert gut. Man sucht nach Lösungen in vielen Bereichen, bei Bauvorhaben oder im Straßenbau. Das klassische Vorgehen ist oft unmöglich und muss an die Besonderheiten dieser außergewöhnlichen Problematik angepasst werden. Bei Bauvorhaben auf PFC-Flächen versucht man zum Beispiel – anders als sonst üblich – eine möglichst große Fläche zu versiegeln, damit die PFC nicht weiter aus dem Boden ausgewaschen werden. Es wird ein Regelwerk auf Grundlage der Erlasse der Behörden aufgebaut, man sucht hier nach Lösungen, um die Entwicklung der Kommunen nicht zu blockieren.

Schnurr: Bühl hat größtenteils belastete Ackerflächen, nur in Balzhofen liegt eine Fläche am Ortsrand, da gilt es abzuklären, was man machen kann.

Benkeser: Wir haben dort Flächen mit niedrigen bis mittleren Belastungen. Da die Fläche in Balzhofen klein und auch kompakt ist, könnte in diesem Fall ein Bodenaustausch die Grundwasserproblematik mittelfristig lösen. Was man aber generell bräuchte, wäre ein PFC-Handlungsleitfaden vom Ministerium, der für alle gilt. Momentan „wurschtelt“ jeder Ort mehr oder weniger vor sich hin und man sucht nach Lösungen für die Flächen, mit der Konsequenz, dass der Sachbearbeiter oder die Stadt haftet. Mit einem richtigen PFC-Handlungsleitfaden hätte man etwas Konkretes in der Hand.

Balzhofen bildet die südliche Grenze der heute bekannten PFC-Belastung. Ein weiterer belasteter Stadtteil ist Weitenung.
Bühl-Balzhofen bildet die südliche Grenze der heute bekannten PFC-Belastung. Ein weiterer belasteter Stadtteil ist Weitenung. Foto: Lienhard

PFC hält sich nicht an Gemarkungsgrenzen – wie ist der übergreifende Informationsaustausch?

Schnurr: Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gemeinden funktioniert insgesamt ganz gut. Die Bürgermeister treffen sich regelmäßig und tauschen sich aus. Aber die Schwerpunkte sind nicht überall die gleichen, in Rastatt gibt es zum Beispiel Probleme mit dem Trinkwasser, die wir hier in Bühl nicht haben, was unsere fortlaufenden Analysen auch immer wieder bestätigen. Wir könnten auch andere Gemeinden mitversorgen, können das aber ja nur anbieten. Die Gemeinden sollten bei der Suche nach Lösungen bei PFC ganz grundsätzlich zusammenarbeiten, weil alle betroffen sind.

Söhlmann: Auch die Wasserwerke tauschen übrigens ihre Informationen hinsichtlich PFC aus und prüfen die unterschiedlichen Möglichkeiten, die sie haben – das ist auch nicht nur bei PFC so. Und die PFC-Beauftragten bekommen vom Landratsamt alle bekannten Daten zur Verfügung gestellt, die die Kommune betreffen. Dadurch kennen die Kommunen nicht nur die Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchungen, sondern zusätzlich auch diejenigen, die wir erhoben haben, zum Beispiel die Belastung von privaten Brunnen von Gartenbesitzern, die der Löschwasserbrunnen und Ähnliches.

Benkeser: Bei dieser flächenmäßigen Belastung muss man vieles neu bedenken, auch unkonventionell. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass man auch größere zusammenhängende Gebiete gemarkungsübergreifend aus der Nutzung nimmt und für Ausgleichsmaßnahmen vorsieht. Von Straßenbaumaßnahmen, die durch PFC erst einmal gestoppt werden, sind ja auch in der Regel verschiedene Kommunen betroffen. Auch dafür brauchen wir einen Leitfaden und flexible Lösungen.

Söhlmann: Da ist der Radweg zwischen Schwarzach und Hildmannsfeld ein gutes Beispiel. Nur 100 Meter Straßenböschung, die neben einem PFC-belasteten Acker liegen, sind ebenfalls belastet und haben das Projekt gestoppt. Man hat nun das Problem, den Erdaushub dieser 100 Meter zu entsorgen, geeignete Deponien winken ab, wenn sie nur das Wort PFC hören und die „worst-case-Kalkulation“ geht von einer Million Euro Mehrkosten aus. Ein Leitfaden für solche Projekte wäre hilfreich.

Es ist unklar, ob bei der Kontrolle der Feldfrüchte tatsächlich alle PFC samt relevanter Vorstufen erfasst werden, ebensowenig kann man sagen, wie lange die diversen PFC im Boden bleiben werden – denkt man konkret über alternative Planungen für die landwirtschaftlichen Flächen nach?

Söhlmann: Momentan läuft zunächst ja noch ein Forschungsprojekt, um Aussagen über den Gesamtgehalt der PFC-Vorläufersubstanzen im Boden treffen zu können, die Ergebnisse erwarten wir im Sommer. Dann haben wir auch einen umfassenderen Überblick über die wirkliche Verteilung der unterschiedlichen PFC im Boden und können dann auch Aussagen über die Kosten und die Dauer einer möglichen Sanierung machen. Und wenn man zu dem Schluss kommt, dass nicht nur der Bodenaustausch, sondern auch eine Sanierung unverhältnismäßig teuer ist, sind auch andere Alternativen denkbar, wie zum Beispiel Solarfelder.

Schnurr: Es werden ja auch bereits jetzt andere Bewirtschaftungsformen praktiziert, es gibt einen Feldversuch, auf dem die PFC-Aufnahme von Miscanthus untersucht wird. Aber die dafür notwendigen Verwertungsanlagen sind eben auch sehr teuer.

Benkeser: Das Ministerium ist auch nicht erfreut über diese Vorschläge, und so eine Anlage, die man zur Verwertung von Miscanthus bräuchte, wird nicht gefördert.

In diesen Monat trifft sich zum ersten Mal die hochrangig besetzte Expertenkommission beim Sozialministerium zur „Erarbeitung eines Studiendesigns für Blutkontrolluntersuchungen in der mit PFC belasteten Region Mittelbaden“. Was ist mit Weitenung und Balzhofen, die von dem belasteten Wasser unterflossen werden?

Schnurr: Die Stadt hat dem Gesundheitsamt bereits die nötigen Räume für eine Untersuchung angeboten, und es ist weitergeleitet worden, wie man uns mitteilte. Mehr haben wir noch nicht gehört.

Söhlmann: Es hat sehr lange gedauert, bis das Sozialministerium dieses Untersuchungsprogramm in die Wege geleitet hat. Dies hätten sich die Behörden vor Ort viel früher gewünscht. Bevor die Blutuntersuchungen tatsächlich beginnen, wird es sicher auch noch eine Weile dauern, nach dem ersten Treffen der Kommission wird die Untersuchung ausgeschrieben werden, und auch das dauert, es wird bestimmt September, bis da konkret etwas passiert.

Umweltminister Untersteller sagte in einem ABB-Interview, dass das Verursacherprinzip gelte. Nun hat man mögliche Verursacher für die PFC-Belastung, im jüngsten Urteil des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe wurde sogar eine Papierfabrik genannt, die Tapetenpapier hergestellt und die Abfallstoffe geliefert hat – trotzdem ist die Kausalität der Beweisführung sehr schwer. Was erhoffen Sie sich von den noch ausstehenden Verfahren beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe?

Benkeser: Da das Verfahren beim Verwaltungsgericht ein völlig anderes ist als bei der Staatsanwaltschaft und da die Verjährungsfristen auch länger sind, hoffe ich schon, dass die Verursacherfrage zufriedenstellend geklärt werden kann.

Söhlmann: Sie haben Recht, die Beweisführung ist nicht einfach. Die Fasern aus Zellulose sind nach so vielen Jahren im Boden natürlich nicht mehr nachweisbar, allerdings ist das synthetische Material noch vorhanden. Eine eindeutige Beweisführung, auf welchen Äckern von welcher Firma welches Material gelandet ist, müsste durch entsprechende Gutachten vor Gericht belegt werden. Es werden mit Sicherheit auch Sachverständige aus der Papierindustrie selber gehört werden, ich gehe davon aus, das sich das noch über Jahre hinziehen wird.

Benkeser: Nach den bisherigen veröffentlichten Gerichtsunterlagen kann man sich schon die Frage stellen, ob hier alles richtig nach Gesetz und Ordnung abgelaufen ist. Papierschlämme aus Abwasseranlagen, Tapetenreste mit Synthetikfasern, Landwirte erhalten kostenloses Material. Hier hat insgesamt ein System mit unzähligen Beteiligten versagt, und am Ende wird es der Verbraucher bezahlen müssen.

Söhlmann: Und man muss als Konsequenz die Kreislaufwirtschaft auch ein Stück weit hinterfragen, da man heutzutage gar nicht mehr alle Chemikalien kennt, die in den verschiedenen Sachen enthalten sein können.

Was würden Sie sich persönlich zur Bewältigung des PFC-Skandals in Mittelbaden wünschen?

Schnurr: Ich würde mir einen konkreten Handlungsleitfaden für die verschiedenen Lösungsansätze wünschen, damit man die Gelder gebündelt und sinnvoll einsetzten kann. Und so ein Handlungsleitfaden sollte vom Umweltministerium kommen. Diese Entscheidungen und Informationen brauchen wir, damit wir unserer Verantwortung und den Verpflichtungen gegenüber unseren Bürgern gerecht werden können. Zur Zeit können wir den Bürgern in Weitenung oder Balzhofen keine Neuigkeiten übermitteln, und dieses „Vertrösten“ ist für mich persönlich sehr unbefriedigend.

Benkeser: Ich würde mir auch etwas Handfestes wünschen, einen Handlungsleitfaden, um die Erkenntnisse umsetzen zu können. Und mehr finanzielle Unterstützung vom Land wäre auch nicht schlecht.

Söhlmann: Es gibt immer noch zu viele unbekannte Faktoren, es ist dringend notwendig, das zu minimieren. Ich würde mir ein größeres Forschungsprojekt wünschen, auch die notwendigen Blutkontrolluntersuchungen sollten nicht am Finanziellen scheitern. Und es sollte eine Handlungsempfehlung ausgearbeitet werden, kommunal- und kreisübergreifend. Die PFC-Belastung betrifft so viele unterschiedliche Bereiche, der Kiesabbau wäre da ja auch noch zu nennen, und es sind so viele verschiedene Ämter und Ministerien mit den Folgen beschäftigt, dass ich mir einen Managementplan wünschen würde, damit man nicht immer wieder die gleichen Diskussionen führen muss.

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