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Demo vor dem Bürgerhaus

Die Autostadt Bühl bangt um die Automobilbranche

In Bühl kursierte das Gerücht, der Automobilzulieferer Schaeffler wolle 1200 Arbeitsplätze abbauen. Die Ka­ta­s­t­ro­phe blieb aus, dennoch ist die Verunsicherung groß. Wie geht es jetzt weiter in der Stadt, die vom Auto lebt?

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Schaeffler ist der größte Arbeitgeber in der Stadt Bühl. Foto: Ulrich Coenen

Es ist eine direkte Folge der Automobilkrise. Bühls Oberbürgermeister Hubert Schnurr hat nach dem Einbruch der Gewerbesteuer um zehn Millionen Euro eine Haushaltssperre verhängt. Seine Stadt lebt vom Auto. Die Zulieferer Schaeffler und Bosch sind die größten Arbeitgeber. Die Sparte Schaeffler Automotive mit Zentrale in Bühl beschäftigt dort und in den Nachbargemeinden 5 500 Mitarbeiter. Dem Mutterkonzern in Herzogenaurach geht es nicht gut, der Aktienkurs ist auf Talfahrt.

Entwicklungszentrum verschoben

Dennoch kam die Nachricht, dass der Bau des neuen Entwicklungszentrums für Elektromobilität in Bühl um mindestens ein Jahr verschoben wird, völlig überraschend. 60 Millionen Euro wollte das Unternehmen in das Prestigeprojekt nach einem Entwurf des Bühler Büros Wurm + Wurm investieren. Der ist im Vergleich zu der meist langweiligen Industriearchitektur so spektakulär, dass OB Schnurr, ein gelernter Architekt und Stadtplaner, ihn im Sommer 2018 stolz im Karlsruher Architekturschaufenster präsentierte.

Kein Glaspalast

Dass aus den ehrgeizigen Plänen zumindest vorerst nichts wird, sorgt für Irritationen, denn gerade ein Entwicklungszentrum für Elektromobilität könnte Schaeffler aus der Krise helfen. Offensichtlich hat der Verzicht mehr symbolischen als logischen Charakter. Nach Informationen dieser Zeitung hat ein Schaeffler-Manager auf der Betriebsversammlung in Bühl gesagt, man könne keinen Glaspalast bauen, während andere Standorte auf der Kippe stehen.

Teilbereiche ins Ausland

Norbert Göbelsmann von der IG Metall in Offenburg kritisiert, dass die ursprüngliche Zusage, die deutschen Standorte zu stärken, zur Disposition stehe. „Jetzt wird darüber diskutiert, Teile ins Ausland zu verlegen“, berichtet er. Ein Bereich des Werks in Lahr könnte beispielsweise nach Rumänien abwandern. Der Gewerkschafter spricht von „operativer Hektik, um kurzfristig Zahlen zu verbessern“.

Auf Tauchstation

Die Unternehmensleitung in Bühl geht derweil auf Tauchstation. Wenig aufschlussreiche Auskunft gab es nach der Betriebsversammlung nur in schriftlicher Form von Pressesprecherin Petra Wolf. Sie schrieb von einer „herausfordernden Situation“. Eine Arbeitsplatzgarantie sieht anders aus. Matthias Zink, Vorstand Automotive bei Schaeffler in Bühl, trat zuletzt Ende Januar vor die Presse. Dabei wurde deutlich, dass er im Elektroauto kein Allheilmittel sieht. „Das Batterieauto wird mit der heutigen Energiestruktur unsere Umweltprobleme nicht lösen“, meinte er. Das sah der KIT-Professor Albert Albers, der dort das Institut für Produktentwicklung leitet, bereits 2017 im Interview mit dieser Zeitung ähnlich. Er kritisiert die schlechte Ökobilanz des Elektroautos und setzt auf saubere synthetische Kraftstoffe.

Zukunft des Elektroautos

Auch Göbelsmann hält das Batterieauto nur für eine mittelfristige Lösung und nennt für die Zukunft die Brennstoffzellentechnik. Die Elektromobilität sei aber auch wegen des chinesischen Marktes das Thema der nächsten zehn Jahre. Göbelsmann: „Wer auf der Party nicht dabei ist, bleibt auch bei späteren Entwicklungen der Mobilität der Zukunft mit anderen Technologien draußen.“

Was tut die Politik?

Volker Robl, Betriebsratsvorsitzender bei Schaeffler in Bühl, tut das, was man eigentlich von der Geschäftsleitung erwarten würde. Er analysiert die Lage und hinterfragt die Politik, die nicht für klare Verhältnisse sorgt. Das verunsichert die Verbraucher, die nicht wissen, ob und welche Autos sie kaufen sollen. Die Folge für Schaeffler: Die alten Produkte für Verbrennungsmotoren verkaufen sich nur noch schleppend, die neuen werden nicht in großem Umfang geordert. Jetzt hofft das Unternehmen auf einen großen Auftrag von VW für den Twindrive. Ein Vorserienmodell wurde schon geliefert. Auch wenn sich das Gerücht, dass Schaeffler in Bühl – wo seit der Vorweihnachtszeit Schichten ausfallen – bis 2024 insgesamt 1 200 Arbeitsplätze abbauen will, nicht bewahrheitet hat, ist die Verunsicherung dort groß.

Gemeinsame Demonstration

Am kommenden Samstag wollen die Mitarbeiter gemeinsam mit den Kollegen von Bosch in Bühl für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstrieren.

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